Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park. Georg Liebusch

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Название Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park
Автор произведения Georg Liebusch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066112677



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Mischung und Gruppirung schrieben sich seltene Epen, hochbegeisterte Oden, Elegien und liebliche Idylle. Blumen entfalteten ihre Farbenpracht an der Stätte, wo die weilen sollten, in deren Auge sich alle jene Schönheit spiegeln würde. Es war ein wunderbares Drängen, Ordnen und Anziehen. Immer reicher und harmonischer gestaltete sich das Ganze; immer verklärter und vollendeter trat die Landschaft hervor. Es war ein Weben, ein Schaffen, ein Werden, eine Schönheit, Pracht und Herrlichkeit wie ein Wiederschein der auf Erden nie geschauten; — aber es enteilten die Stunden der Nacht, und der erste Strahl der aufgehenden Sonne fiel in das wunderbare Gewebe, so daß es zerriß und verschwand.

      Auf weichem Pfühl schlummerte in jener Osternacht in dem Schlosse seiner Ahnen ein edler, reichbegabter Jüngling. Der Traum öffnete sein inneres Auge; es schaute hinein in die paradiesische Pracht. Wonne um Wonne durchbebte ob des Anblickes sein Wesen, und in unnennbarer Freude schlug sein Herz. Voller und voller saugte sich seine Seele des erhabenen Bildes und ihrer selbst vergessend, war sie ganz in den Reichthum des Erschauten versenkt; aber der erste Sonnenstrahl drang weckend durch das Fenster, und das herrliche, liebliche Traumbild verschwand. — „Was du geschaut,“ so rief es mächtig in ihm, „das mußt du suchen, das mußt du schaffen und bilden!“ Nimmer konnte er seitdem des herrlichen Traumbildes vergessen. Bot ihm die Gegenwart wenig Befriedigung, so hing seine Seele an dem, was sie einst geschaut. Durchzog er, der oft an Fernweh gelitten, fremde Länder, dann fand er wohl einzelne Partien des herrlichen, reichen Bildes, aber nicht das liebliche Ganze. Er erhielt sein Erbe, er schritt zur Ausführung des Bildes auf heimathlicher Flur. Es stand vor seiner Seele, da er Baum an Baum fügte, da er See’n entstehen und Hügel sinken hieß, da düstere, beengende Gebäude stürzten wie durch Erdbebens Gewalt; es stand vor seiner Seele, wenn er mitten unter seinen gelehrigen Arbeitern weilte, die des Meisters Pläne ahnten, wenn er in des Winters Tagen den Trieben des kommenden Lenzes ihre Bahnen anwies; immer reicher und vollkommener verwirklichte es sich, und des Parks Pracht und Herrlichkeit hat geschaffen des Zauberbildes Macht. — Einst kam ein Tag, wo er seine Herrschaft, sein grünes Reich auf immer verließ. Es folgte ihm das Bild, geschaut in heiliger Osternacht, und von Neuem mußte er sie aufwühlen die sandige Erde der Lausitz, um sie umzuwandeln zum Paradiese nach dem erhabenen Bilde.

      Also ist der Park angelegt worden durch den Enkel der edlen Gräfin de la Chaux Montauban de la Tour du Pin, die einst bei ihrem Einzuge in die neue Heimath von dem Landvolke gegrüßt wurde, indem es in unübersehbarem Spalier grüne, frische Reiser in den Händen hielt.

      Anmerk. Talent und Liebe zur Landschafts-Gärtnerei sind dem Fürsten angeboren. Hinter dem Theater, unweit des Schlosses hat er in frühster Jugend mit seinen Gespielen Gärtchen angelegt. Dr. Jäger, Leben des Fürsten, S. 28. — Eine Geschichte der Entstehung des Parks findet sich bei Petzold: der Park v. M. S. 22 ff. Als der eigentliche Geburtstag des Parks möchte wohl der 1. Mai 1815 anzusehen sein, wo der Standesherr, aus England zurückgekehrt, um die nöthigen Grundstücke zu erwerben, die größten Opfer brachte. — Ueber die Beharrlichkeit des Fürsten bei allen Schwierigkeiten seines Werks s. Dr. Jäger S. 334, 89. Von seiner hohen Begeisterung für die Natur und dem tiefen Verständniß ihrer Schönheit zeigt sein ganzes Leben und Schaffen. Von dem Gedanken einer idealen Landschaft ist der Fürst nie losgekommen. Als er sich 1834 am Fuße der Pyrenäen niederlassen wollte, sollte sich ihm die großartige Natur der Gegend zum Paradiese gestalten. Dr. Jäger, S. 222. Auch in dem Thale Kyparissia, an einer Riesencypresse desselben, wollte er den Wanderstab niederlegen. Schon war wegen des Ankaufes der Gegend nach Athen berichtet worden. Dr. Jäger S. 276. — Ueber die Empfangsfeierlichkeiten der Gräfin de la Tour du Pin, der Gemahlin Herrmanns v. Callenb., s. Laus. Mag. 2 Stck. v. 31. Jan. 1770. Die Fichtenzweige in den Händen des Landsvolkes waren eine sinnige Anspielung auf den Namen der Gräfin. —

       Inhaltsverzeichnis

      Die laubholzarme Umgebung Muskaus war einst nicht eine Heimath des Sängers der Sänger, der liederreichen Nachtigall. Nur bisweilen, auf dem Durchzuge, hörte man eine derselben hier schlagen.

      In dem großen Saale des Schlosses stand auf prächtigem Katafalk ein Sarg. Bürger der Stadt hielten die Ehrenwache bei dem Todten. Die Kerzen brannten nieder, jede ein Bild des vergehenden Lebens. Tiefes Schweigen herrschte um den Erblaßten in des Schlosses Räumen; doch außerhalb desselben arbeiteten in jener herrlichen Mainacht emsiger die Kräfte des Lebens, und süßer Hauch ging aus von Blume, Strauch und Baum. Freude hatte der wiederkehrende Lenz allenthalben gebracht, aber auch tiefen Schmerz den Bewohnern dieser Gegend; denn der Todte auf seinem Paradebette war der Herr der Herrschaft, der edle, fromme Graf Herrmann von Callenberg; der sich durch väterliche Sorge und Liebe ein bleibendes Denkmal in den Herzen errichtet. — Muskau war 1766 in Asche gesunken, — durch ihn hatte es sich verjüngt erhoben; die wendische Kirche war durch die Flammen zerstört worden, — er hatte sie wieder aufgebaut; die Theurung und anderes Ungemach war groß geworden, — der menschenfreundliche Graf hatte getröstet und geholfen, und selbst als er seine Herrschaft frühzeitig an seine einzige Tochter abgegeben hatte, war er geblieben Muskaus Freude und Beglücker. Der geliebte Graf war — eine Leiche. Muskau fühlte die Größe des Verlustes, manche Thräne floß dem edlen, biedern Todten, und es war der Abend vor seiner Beisetzung in der Gruft der wendischen Kirche, — in dem Gotteshause, das er gebaut, sollte seine Ruhestätte sein — ein herrlicher Maiabend, welcher die Gefühle der Wehmuth und der Trauer gleich Blüthen zu Todtenkränzen so vielen Herzen brachte. Unauslöschliche Liebe zu dem Entschlafenen führte Manchen, der ihm sein Glück dankte, in die Nähe des Schlosses. Dankbare wollten den feierlichen Kerzenglanz schauen, der sich über das edle Todtenantlitz ergoß, das einst in Wohlwollen und Milde gestrahlt hatte. Und schweigend blickten sie in nächtlicher Stunde nach den Fenstern des Saales, in welchem der Sarg stand. Bilder der Vergangenheit zogen an ihrer Seele vorüber. Wie die schöne, volle Blüthe, die der Abend geschlossen, war des Herzens stummer Schmerz, wie der Thau, welcher an ihr perlt, so die unbemerkte Thräne der Wehmuth. Es war eine feierliche, heilige Stunde. —

      Unweit des Schlosses im ergrünenden Gebüsch erhob sich lieblicher Gesang. Immer voller schwoll das süße, elegische Lied. Ihr selber unbewußt hat die Nachtigall die Töne für alle Stimmungen des Herzens, für Freud’ und Leid. Eine derselben hatte an jenem herrlichen, feierlichen Frühlings-Abende die Klage um den edlen Todten angestimmt. Und durch des Liedes Macht erschlossen sich Herzen in süßem Schmerze zum Troste über das Loos der Vergänglichkeit, welches auch dem Hohen und Edlen fällt und feierten also den letzten Abend, den der Graf in dem Schlosse seiner Väter über der Erde weilte.

      Wo die Nachtigall einmal reinen, tiefen Gefühlen der Menschenbrust ihre Stimme geliehen hat, da, sagt man, wird ihr eine Heimath. Seit jenem Abende, wo der Letzte aus dem ruhmreichen Geschlechte der Callenberge, welchen die Standesherrschaft gehört hatte, vor seiner Beisetzung auf dem Paradebette lag, von Vielen tief betrauert und beweint, giebt es hier Nachtigallen. Die Gebüsche um das Schloß und die Stadt mehrten sich, immer größer ward der Sänger Chor, und in des Lenzes Tagen durchtönet der Nachtigallen Lied den ergrünenden Park. Lauschest du aber an einem Maiabende ihren mannigfachen Melodien, dann vermagst du auch wohl jene elegischen Töne zu vernehmen, in welchen einst der erste Sänger in Muskaus Umgebung klagte um den frommen, edlen Grafen Herrmann von Callenberg. —

      Anmerk. G. A. H. Herrmann, Reichsgraf v. Callenberg, st. d. 4. Mai 1795. D. 9. Mai paradirte seine Leiche im großen Saale des Schlosses. Wolf: Merkw. Begebenh. in der gräfl. Callenb. und Pück. Fam. referirt: „Als etwas Außerordentliches muß ich noch bemerken, daß an jenem Abende eine Nachtigall herrlich schlug, da sich doch keine vorher hier gehalten hat.“ Will man den Biedermann, ausgezeichnet als Familienvater, als Standesherr, als Präsident der oberl. Gesellsch. d. W. kennen lernen, so lese man u. A. nur seine Rede bei der Grundstein-Legung zur wendischen Kirche. Langner: Actenmäß. Bericht v. d. Grundleg., d. Bau u. d. Einweihg. der wend. Kirche, Budissin 1788. Der nachmalige Generalsuperint. Brescius hat ihm die Standrede am Sarge gehalten. Die Denkschrift für die oberl. Gesellsch d. W. ist vom Hofrath Röhde. —