Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park. Georg Liebusch

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Название Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park
Автор произведения Georg Liebusch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066112677



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       Georg Liebusch

      Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066112677

       I. Des Parks Entstehen.

       II. Die erste Nachtigall.

       III. Die Weissagung der Eichen.

       IV. Die Wehklage.

       V. Das böse Ufer.

       VI. Die Ludki.

       VII. Die Bergkirche.

       VIII. Der Heerd des Herrn.

       IX. Die standesherrliche Gruft.

       X. Die Taube des Schlosses.

       XI. Die Thränenwiese.

       XII. Der Fremdling unter den Todten.

       XIII. Das Jagdschloß.

       XIV. Die Spiegelung.

       XV. Die Todte.

       XVI. Die Umarmung.

       XVII. Die Heimath.

       XVIII. Der Feuerschein.

       XIX. Das Bad.

       XX. Das Zapfenhäuschen.

       XXI. Sonst und Jetzt.

       XXII. Des Parks Erhaltung.

       Inhaltsverzeichnis

      Der liebliche Frühling nahte wiederum der heimathlichen Lausitz. Feierliches Glockengeläute durchtönte die heilige Osternacht den Morgen begrüßend, an welchem der Heiland auferstanden ist. Nach alter, slavischer Sitte gingen die Mädchen des Dorfes schweigend zu dem Bache, das heilbringende Osterwasser zu schöpfen, ritt der Knecht zu dem Teiche, die Pferde zu waschen, damit sie in der Arbeit des Sommers besser ausdauern sollten. Jung und Alt hatte schon das Lager verlassen, um in Andacht und Freude die Sonne des Ostermorgens zu schauen, die da in fröhlicherem Hüpfen dem Horizonte entsteigt. — Die erwachende Natur durchwehte mächtig des Lenzes Lebensodem. Frischer Duft ergoß sich vom Walde durch die Flur. Voller schwoll die Knospe. Feuriger schlugen in sich erneuender Daseinsfülle die Pulse der Schöpfung; es klopfte ihr Herz; es war als wenn sie, die stumme, Rede und Sprache erhalten sollte: — doch ach! das Loos der Natur ist geheimnißvolles Schweigen, und nur Wenigen ist es vergönnt, sie dennoch zu verstehen.

      In jener herrlichen, heiligen Frühlingsnacht entstiegen die Geister der Bäume, die in ihnen das grüne Leben schaffen, den Kronen, den Gipfeln derselben. Sie eilten zu einer Wiese unweit der Neiße, in deren Mitte sich ein Hügel gleich einer Rednerbühne erhob. Dichte Nebel lagerten sich um die geheimnißvolle, feierliche Versammlung. Die Dryas einer majestätischen Eiche hatte den Vorsitz. Sie begann also zu der zahlreichen Versammlung zu reden.

      „Mit reichem Grün schmücken wir Bäume und Sträucher die Lande, die Gauen Deutschlands, die Fluren der Lausitz. Da umsäumet ihr, Erlen, den grünen, blumendurchwirkten Teppich der Wiesen; da neigt ihr euch, Weiden, zum Bache herab, zu grüßen seine entrauschenden Wellen; da stehen wir Eichen in ungebeugter Kraft gleich alten Patriarchen, gleich Helden des Epos; da breitest du, Linde, weithin deine Aeste aus in der Mitte der Dorfaue, und unter deinem grünen Baldachin versammeln sich die Bewohner des Ortes; da wechselt ihr, Buchen, Ulmen und Birken; da habt ihr, Kiefern und Fichten, weite Strecken bedeckt und selbst dem Sande der Gegend bringt ihr mitleidig das Immergrün, euer Dasein an seine Oede kettend. In unserm Schatten erquickt sich der Müde; in unserm unerschöpflichen Lebensmuthe werden Grambeladene wieder froh auf Erden. In die Freiheit der Haine und Fluren flüchtet sich so Mancher aus dem Regelzwange des Lebens; in der feierlichen Stille des Waldes malet heller die Erinnerung ihre Bilder. Umfangen von dem Grün der Bäume erschließt sich das Herz reicher in Gefühlen, und aus dem mystischen Dunkel derselben bricht hervor die Quelle reinster Freuden. — Aber welche paradiesische Pracht müßte sich entfalten, wenn wir zusammenträten zu lieblich wechselnden Gruppen. Welch’ herrliches Bild würde sich also zeichnen sonder Griffel und Pinsel! Wie würde ihm der Jahreszeiten Wechsel, der Sonne verschiedener Stand immer neue Schönheit bringen! Welche Reize vermöchten wir zu zeigen auf heimathlicher Flur, über welcher so oft das Scepter gewechselt! — Jüngst der Asche entstiegen ist unweit der Neiße ein freundliches Städtchen. Edle, fromme Grafen haben Jahrhunderte über demselben väterlich gewaltet. Dort in dem Thale, welches sie liebten, lasset uns schaffen ein freundliches, herrliches Revier! Wie von frischen, grünen Kränzen sei Schloß und Stadt fortan umschlungen! Gleich dem Eilande aus einförmiger Meeresfluth erhebe sich auf dieser Flur ein herrlicher Garten, und schauet ihn einst der Wanderer, dann gehe ihm das Herz auf für die Schönheit, Harmonie und stille, anspruchslose Größe der Natur! — Doch was einst werden soll, das zeige sich jetzt in geisterentworfnem, zauberhaften Plane! Was entstehen soll, stelle sich dar in meisterhafter Vollendung! Es entrolle sich in dieser heiligen Stunde des schönen Gartens hehres Bild!“ —

      Also sprach in majestätischer Würde die Dryas der Eiche. Alsbald aber wogten emsig und geschäftig durcheinander die Geister der Bäume, Sträucher und Blumen. Sie folgten dem Gesetze der Harmonie und Schönheit, welchem die Natur allenthalben zu huldigen strebt, dem Gesetze der stillen Würde und Erhabenheit. Das Verwandte suchte das Verwandte. Wie Kinder an die Eltern lehnten sich in geistergleichen Nebelgestalten liebevoll niedere Pflanzen an höhere zu eng verschlungenen Gruppen. Freier und abgesonderter stand ein riesiger Eichbaum, eine mächtige Linde, eine himmelanstrebende Fichte, sich selbst genug in ihres Daseins Kraft und Fülle. Gleich der Insel im Meere tauchte in reizender Fernsicht aus dem Wiesengrün eine liebliche Baumgruppe empor. Buchen und Birken und anderes Gehölz reihte sich an des Berges Lehne wie zu einem Chore zusammen, zu singen dem Thale seines Pflanzenlebens harmonische Weise. An des Gartens Grenze schlossen sich Bäume und Sträucher