Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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hätt' sein sollen, aber ich möcht' gern meine Sach', und andere tuen auch gern ihre Sach' richtigstellen. Lang' hab' ich nicht mehr Zeit, das merk' ich wohl, und desweg' hab' ich den Pfarrer aufschrecken lassen aus dem warmen Bett, und will ihn zu tausendmal bitten, daß er's wollt' vermitteln. Jetzt – 's ist zwar heimlich geblieben, aber sagen will ich's wohl: Ein arger Wildschütz bin ich gewesen; viel Rehe und Hirschen hab' ich dem Waldherrn gestohlen.«

      Hier bricht der Köhler ab.

      »Und weiter?« fragt der Pfarrer.

      »So! und ist ihm das noch nicht genug?« ruft der Alte, »aufrichtig, Herr Pfarrer, sonst weiß ich nichts. – Meine Bitt' war' halt nachher die, daß mir der Herr Pfarrer bei dem Waldherrn mein Unrecht wollt' abbitten. – Hätt's wohl lang' selber schon getan, hab' mir aber allfort gedacht, eine Weil' wartest noch zu; könntest 'leicht wieder was brauchen vom Wald herein, müßtest später noch einmal abbitten, wär' mir unlieb. Tu's nachher mit einem ab. – Allzulang' hab' ich gewartet; jetzt kann ich nimmer. Der Waldherr ist, wer weiß wo, zu weitest weg. Aber gelt, der Herr Pfarrer ist so gut und gleicht' bei ihm aus mit einer christlichen Red' und tut sagen, ich hätt's wohl bereut, könnt' es aber nicht anders mehr machen. – Jetzt, gewesen ist's halt so: die Kohlenbrennerei gibt wohl ein Stückel Brot, aber wenn einer zum Feiertag einmal so einen Bissen Fleisch dazu wollt' beißen, so muß man schnurgrad mit der Buchs hinaus in den Wald. Man kann's nicht lassen, und wenn sich einer noch so lang' spreizt, 's ist gar schad', man kann's nicht lassen. – Wenn sie mich etwan einmal erwischt hätten, die Jäger, so wär' jetzund das Gered' nicht vonnöten, und ich müßt' dem Herrn Pfarrer nicht so schmerzlich zu Gnaden fallen. – Ei der Tausend, jetzt hab' ich mich dennoch wohl angestrengt; es steigen mir die Ängsten auf.«

      Sie haben ihn mit kaltem Wasser gelabt. Der Pfarrer hat seine Hände gefaßt, hat ihm mit guten Worten versichert, daß er bei dem Waldherrn Verzeihung erwirken werde. Danach hat er dem Kranken die Lossprechung erteilt.

      »Bedank' mich. bedank' mich fleißig«, sagt darauf der Bartelmei mit schwacher Stimme, »nachher wär' ich so weit fertig, und – Pfarrer, jetzt tät's mich bei meiner Seel' schon selber freuen, wenn es wahr wär', dasselb' von der Ewigkeit, und wenn ich nach der unruhevollen Lebenszeit und nach dem bitteren Tod schön langsam könnt' in den Himmel einrücken. Wär' wohl eine rechtschaffen bequeme Sach', das!«

      So hat sich in dem armen, schwerkranken Mann das Bedürfnis und die Sehnsucht nach Glauben und Hoffen ausgesprochen. Unser Herr Pfarrer hat ihn dann gefragt, ob er die heilige Wegzehrung empfangen wolle.

      »Nicht vonnöten«, ist die Antwort gewesen.

      »Mußt doch, Bruder, mußt doch«, meint die Anna Maria, »einem Geistlichen, der mit dem heiligen Leib unverrichteter Sach' muß zurückkehren, tanzen die Teufel nach bis zur Kirchentür!«

      »Du närrisch Weibmensch, du!« schreit der Bartelmei, »jetzund Kindergeschichten erzählen, daß dich der Herr Pfarrer recht mag auslachen. – 's wär' mir doch all eins, und gern möcht' ich das Teigblättlein verschlucken, daß der Herr unangefochten könnt' nach Haus gehen, aber ich halt' nichts drauf, und da, hab' ich oftmalen gehört, wär's eine großmächtige Sünd', wollt einer in vorwitziger Weis' das heilige Sakrament empfangen.«

      Auf dieses Wort hat der Pfarrer des Kranken Hand gedrückt. »Hochmütig, Bartelmei, mußt du desweg nicht werden, jetzt in deinen alten Tagen, aber das sag' ich dir, du denkest schon das Rechte. Du bist Büßer, du glaubst an Gott und an der Seele ewiges Leben; ob du dir's gestehen magst oder nicht, ob du das heiligste Brot zu dir nimmst oder nicht, rein ist dein Herz und dein ist die Seligkeit!«

      Da soll sich der alte Mann hoch emporgerichtet haben; die Hände hätte er ausgebreitet, mit nassen Augen hätte er gelächelt und gerufen: »Jetzt hab' ich das Rechte gehört. Der Pfarrer mag so gut sein und mir die Wegzehrung reichen. Nachher mag er kommen, der Knochenhans – Jesus, Jesus! was ist das? die Marian!« schreit der Bartelmei jählings. Dann richtet er die Augen nach der Spanflamme und flüstert so leise, daß man ihn fast nicht versteht: »Nacht? Marian! Botschaft bringst mir? – Botschaft?«

      Immer höher richtet er sich auf, immer wiederholt er das Wort »Botschaft!« Endlich sinkt er zurück und schlummert.

      Nach einer Weile schlägt er die Augen auf und sagt mit matter Stimme: »Bin ich kindisch gewesen, Schwester? Ein b'sunderlicher Traum! Es steigt mir das Geblüt so auf. Ich verspür's, lang' wirds nimmer dauern; es kommt mir schon zum Herzen. – Ich muß euch behüt' Gott sagen, allen miteinander. Hab' auf deine Kinder acht, Schwester, daß sie dir nicht in den Wald laufen mit der Buchs. – Für die Truhen ist der Ehrenwald schon bezahlt. – Und tut mich fleißig waschen; will nicht als der kohlschwarze Ruß-Bartelmei in den Himmel eingehen.«

      Als das Morgenrot durch die Fensterlein schimmert, ist der Mann tot. Sie ziehen ihm sein Sonntagsgewand an und legen ihn auf das Brett. Seiner Schwester Kinder besprengen ihn mit Wasser des Waldes.

      Gestern haben wir ihn begraben.

      Zur Faschingszeit 1832

      Das geht toll zu. Das ganze Grassteigerhaus wollen sie umkehren; über den Kirchplatz johlen sie hin und treiben Unfug.

      Im Pfarrhofe liegt ein Bauernknecht, dem haben sie den Kinnbacken zerschmettert.

      Faschingsonntag ist das. An die Seuche wird nicht gedacht. In das Wirtshaus kommen sie zusammen und trinken Branntwein; sie sind heiter und lachen und necken sich. Es röten sich die Gesichter, da will jeder sticheln und spotten, aber keiner mehr geneckt sein. Eines krummen Wortes, eines scheelen Blickes, oder auch eines Mägdleins wegen entsteht ein Streit. Es setzt Backenstreiche mit flacher Hand – das ist zu wenig; sie schlagen mit den Fäusten drein – ist auch zu wenig; sie brechen Stuhlfüße, schwingen sie mit beiden Armen wütend, lassen sie niedersausen auf die Köpfe. Das ist genug. Streckt sich einer auf den Boden. Die Unterhaltung ist aus.

      »Seid gescheit, Leutchen«, hab' ich beim Grassteiger unten einmal gesagt, »wollt ihr an den Ruhetagen so wüst sein, so weicht der Segen von euerer Arbeit, und es kommt noch eine böse Zeit über Winkelsteg.«

      Da tut sich ein Meisterknecht aus dem Schneetale hervor: »Weil wir Wildlinge sind, desweg bleiben wir arme Teufel! Glaub's schon auch. Recht hat er, der Schulmeister; gerauft wird nimmer, und ich sag' dir's, Grassteigerwirt, wenn noch einmal ein Raufhandel geschieht in deinem Haus, so komm' ich mit einem Zaunstecken und klieb' euch allen die Schädel auseinand!«

      Es steckt einmal so in den Leuten. Nur daß bei solchen Händeln der Lazarus nicht mittut, das ist mein Trost. Sie wollen wohl mit ihm anhäkeln, aber da macht er sich aus dem Staub. Es zuckt zuweilen in ihm, aber er dämpft es wacker nieder. Er ist ein Mann durch und durch. Auch ist die Juliane ein Schutzengel und hilft ihm getreulich, daß er sich beherrsche.

      Der Förster hat den Lazarus wollen auf das flache Land hinausbefördern; wenn einer einmal ein so seltsames Geschick habe wie dieser junge Mensch, meint er, so müsse auch ganz was Besonderes aus ihm werden. Aber der Lazarus will nicht fort vom Wald. Er wird ein braver Mann, und zu etwas Besserem könnte er es auch draußen nicht bringen, und wollt' ihn gleich Kaiser und König an seinen Thron setzen.

      Ein gutes Zeichen ist, daß er keinen Branntwein trinkt. Der Branntwein ist Öl ins Feuer und so geschehen die bösen Händel.

      Wir Gemeindehäupter trinken nie einen Tropfen davon. Nun, um so mehr bleibt für die anderen

      Der Pfarrer hat schon mehrmals scharf vor diesen Getränken gewarnt. Letztlich hat er in seinem Zorn den Branntwein einen Höllenbrunnen, ein Gift für Leib und Seele, und die Branntweinbrenner und Schenker mit heller Stimme Giftmischer geheißen.

      Der alte Grassteiger hat an seiner Nase hinabgelugt, und nicht lange danach hat er bekanntwerden lassen, daß bei ihm frischer Obstmost angekommen sei.

      Der Kranabethannes aber hat es so glatt nicht abgehen lassen. Mit einem größeren Stock, als er sonst gewöhnlich bei sich trägt, ist er vor zwei Tagen im Pfarrhofe erschienen.

      Er klopft an die Tür; und selbst als der Pfarrer schon zweimal vernehmlich »Herein!« ruft, klopft er noch ein drittes Mal. Schwerhörig ist er nicht; er will