Gesammelte Werke. George Sand

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения George Sand
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962816148



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dar­in rauch­te, so lie­ßen sie die Tür of­fen. Ama­lie woll­te wie ge­wöhn­lich nach ih­rem Kop­fe han­deln und große Bra­vour­ari­en sin­gen, aber Con­sue­lo, die sich streng zu zei­gen an­fing, ließ sie sehr ein­fa­che und erns­te Mo­ti­ve aus den Kir­chen­sa­chen Pa­lästri­na’s ver­su­chen. Die jun­ge Baro­nin gähn­te, wur­de un­ge­dul­dig und sag­te, das wäre eine bar­ba­ri­sche Mu­sik und rein zum Ein­schla­fen.

      – Sie ver­ste­hen sie nur nicht, sag­te Con­sue­lo. Las­sen Sie mich Ih­nen ein paar Ab­schnit­te vor­sin­gen, um Ih­nen zu zei­gen, dass sie be­wun­derns­wür­dig für die Stim­me ge­setzt ist, ganz des er­ha­be­nen Ge­dan­kens in der Er­fin­dung zu ge­schwei­gen. Sie setz­te sich an das Spi­nett und fing zu fin­gen an. Es war das ers­te Mal, dass sie den Wie­der­hall die­ses al­ten Schlos­ses weck­te, und der hel­le Schall, den die ho­hen kal­ten Mau­ern zu­rück­ga­ben, ver­ur­sach­te ihr ein Ver­gnü­gen, dem sie sich ganz über­ließ. Ihre Stim­me, die seit dem letz­ten Abend, wo sie in San Sa­mu­el sang und vor Er­mat­tung und Schmerz zu­sam­men­brach, ge­ruht hat­te, war von so vie­len Lei­den und Ge­müts­be­we­gun­gen kei­nes­wegs an­ge­grif­fen, viel­mehr schö­ner, herr­li­cher, ge­wal­ti­ger denn je.

      Ama­lie fühl­te sich zu­gleich ent­zückt und nie­der­ge­schla­gen. Jetzt sah sie ein, dass sie nichts konn­te, und viel­leicht auch, dass sie nie­mals et­was Rechts wür­de ler­nen kön­nen, als plötz­lich vor den bei­den jun­gen Mäd­chen mit­ten im Zim­mer Al­ber­t’s blei­ches, sin­nen­des Ge­sicht er­schi­en und in wun­der­ba­rer Rüh­rung un­be­weg­lich aus­hielt bis das Stück zu Ende war. Erst jetzt be­merk­te ihn Con­sue­lo und fuhr ein we­nig zu­sam­men. Aber Al­bert, bei­de Knie beu­gend und zu ihr sei­ne großen schwar­zen Au­gen er­he­bend, die von Trä­nen über­ström­ten, rief auf spa­nisch ohne den ge­rings­ten deut­schen Ak­zent:

      – O Con­sue­lo, Con­sue­lo! end­lich bist du ge­fun­den!

      – Con­sue­lo? rief das jun­ge Mäd­chen be­stürzt, und be­dien­te sich der­sel­ben Spra­che; wes­halb, Herr! nen­nen Sie mich so?

      – Ich nen­ne dich Trost, ent­geg­ne­te Al­bert im­mer auf spa­nisch, weil ein Trost mei­nem trost­lo­sen Le­ben ver­hei­ßen ist, und weil du der Trost bist, den Gott end­lich mei­nen ver­wais­ten und un­se­li­gen Ta­gen schenkt.

      – Ich hät­te nicht ge­dacht, sag­te Ama­lie mit zu­rück­ge­hal­te­ner Wut, dass die Mu­sik eine so wun­der­ba­re Wir­kung auf mei­nen Vet­ter her­vor­brin­gen könn­te. Ninas Stim­me ist ge­schaf­fen, Wun­der zu wir­ken; ich ge­ste­he es; aber ich will doch bei­den be­merk­lich ma­chen, dass es höf­li­cher ge­gen mich und im All­ge­mei­nen auch schick­li­cher wäre, sich in ei­ner Spra­che aus­zu­drücken, die ich ver­ste­hen könn­te.

      Al­bert schi­en kein Wort von dem ge­hört zu ha­ben, was sei­ne Ver­lob­te sag­te. Er blieb auf den Kni­en, blick­te Con­sue­lo mit un­säg­li­chem Stau­nen und Ent­zücken an und wie­der­hol­te stets mit be­weg­ter Stim­me: Con­sue­lo, Con­sue­lo!

      – Aber warum nennt er Sie so? frag­te Ama­lie ein we­nig hef­tig ihre Ge­fähr­tin.

      – Er bit­tet mich um ein spa­ni­sches Lied; das ich nicht ken­ne, ant­wor­te­te Con­sue­lo in großer Ver­wir­rung; aber ich glau­be, dass wir gut tun wer­den, auf­zu­hö­ren; denn die Mu­sik scheint ihn heu­te sehr an­zu­grei­fen. Hier­mit stand sie auf, um fort­zu­ge­hen.

      – Con­sue­lo! wie­der­hol­te Al­bert auf spa­nisch und füg­te hin­zu: wenn du von mir gehst, so ist es um mein Le­ben ge­tan, und ich will nicht wie­der auf die Erde zu­rück­keh­ren.

      Mit die­sen Wor­ten stürz­te er be­sin­nungs­los zu ih­ren Fü­ßen nie­der, und die bei­den jun­gen Mäd­chen rie­fen er­schreckt nach der Die­ner­schaft, um ihn hin­weg­zu­tra­gen und ihm Bei­stand zu leis­ten.

      3.

      Graf Al­bert wur­de sanft auf sein Bett nie­der­ge­las­sen; und wäh­rend von den bei­den Be­dien­ten, wel­che ihn da­hin ge­schafft hat­ten, der eine nach dem Ka­plan lief, der im Not­fall den Haus­arzt mach­te, der an­de­re nach dem Gra­fen Chris­ti­an, der be­foh­len hat­te, ihm von der ge­rings­ten Un­päss­lich­keit, die sei­nen Sohn be­fie­le, au­gen­blick­lich Nach­richt zu ge­ben, such­ten Ama­lie und Con­sue­lo das Stifts­fräu­lein.

      Aber noch ehe eine die­ser Per­so­nen sich zu dem Kran­ken be­ge­ben hat­te, was in der Tat so schleu­nig als nur mög­lich ge­sch­ah, war Al­bert ver­schwun­den. Man fand die Tür of­fen, sein Bett kaum ein­ge­drückt durch die Ruhe ei­nes Au­gen­blicks, die er dar­auf ge­fun­den hat­te, und sein Zim­mer ganz in der ge­wohn­ten Ord­nung. Man such­te ihn über­all, und er war, wie im­mer in der­glei­chen Fäl­len, nir­gend zu fin­den; hier­nach ver­fiel die Fa­mi­lie in einen je­ner Zu­stän­de von trau­ri­ger Re­si­gna­ti­on, wel­che Ama­lie ge­schil­dert hat­te, und man schi­en be­reit, in dem stum­men Grau­en, das man ge­wohnt war, nicht mehr in Wor­te zu klei­den, die stets ge­hoff­te und stets un­ge­wis­se Rück­kehr des fan­tas­ti­schen jun­gen Man­nes ab­zu­war­ten.

      Ob­gleich es Con­sue­lo lieb ge­we­sen wäre, wenn Al­ber­t’s An­ge­hö­ri­ge nichts von dem selt­sa­men Auf­trit­te er­fah­ren hät­ten, der in Ama­li­ens Zim­mer vor­ge­gan­gen war, so un­ter­ließ die letz­te­re doch nicht, al­les zu er­zäh­len und in leb­haf­ten Far­ben die plötz­li­che und hef­ti­ge Wir­kung zu schil­dern, wel­che der Ge­sang der Por­po­ri­na auf ih­ren Vet­ter her­vor­ge­bracht hat­te.

      – Es ist also aus­ge­macht, dass ihm die Mu­sik schlecht be­kommt! be­merk­te der Ka­plan.

      – Wenn das ist, sag­te Con­sue­lo, so wer­de ich mich wohl hü­ten wie­der zu sin­gen, und wenn ich mit der jun­gen Baro­nin wie­der Stun­de hal­te, so wol­len wir uns so gut ein­schlie­ßen, dass kein Ton zu dem Ohre des Gra­fen Al­bert drin­gen kann.

      – Das wird ein au­ßer­or­dent­li­cher Zwang für Sie sein, mei­ne lie­be De­moi­sel­le! sag­te das Stifts­fräu­lein. Ach! mei­ne Schuld ist’s nicht, dass Sie kei­nen an­ge­neh­me­ren Auf­ent­halt hier ha­ben.

      – Ich will Ihre Lei­den und Ihre Freu­den mit Ih­nen tei­len; ent­geg­ne­te Con­sue­lo, und ich wün­sche mir kei­ne an­de­re Ge­nug­tu­ung, als durch Ihr Ver­trau­en und Ihre Freund­schaft dazu be­ru­fen zu sein.

      – Sie sind ein edel­den­ken­des Mäd­chen, sag­te das Stifts­fräu­lein und reich­te ihr ihre lan­ge, dür­re Hand, die wie gel­bes El­fen­bein glänz­te. Aber hö­ren Sie, setz­te sie hin­zu, ich bin nicht der Mei­nung, dass die Mu­sik mei­nem lie­ben Al­bert wirk­lich nach­tei­lig sei. Nach dem zu ur­tei­len, was Ama­lie von dem Austrit­te die­ses mor­gens er­zählt, sehe ich im Ge­gen­teil, dass er ein zu leb­haf­tes Ver­gnü­gen emp­fun­den hat, und viel­leicht rühr­te sein Lei­den ge­ra­de da­her, dass Sie Ihren be­wun­derns­wür­di­gen Ge­sang zu schnell für sein Ge­fühl ab­bra­chen. Was sag­te er Ih­nen aus spa­nisch? Er spricht die­se Spra­che, habe ich ge­hört, voll­kom­men gut, wie er auch noch vie­le an­de­re Spra­chen auf sei­nen Rei­sen mit er­staun­li­cher Leich­tig­keit spre­chen ge­lernt hat. Wenn man ihn fragt, wie er es mög­lich ge­macht habe, so vie­le ver­schie­den­ar­ti­ge Spra­chen zu be­hal­ten, so ant­wor­tet er, er habe sie schon vor sei­ner Ge­burt ge­wusst, und brau­che sich ih­rer nur wie­der zu er­in­nern, denn die eine habe er vor zwölf­hun­dert Jah­ren ge­spro­chen,