Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Daraus würden sich die Geschichten, welche er uns erzählt hat, eben so wie sein unbegreifliches Verschwinden während ganzer Tage, ja selbst Wochen, sehr natürlich erklären; denn ich muss nur gleich sagen, dass dieser letztere Umstand sich noch verschiedene Male wiederholt hat, während unmöglich anzunehmen ist, dass es außerhalb des Schlosses geschehen sei. So oft er nämlich so verschwand, ist sein Aufenthalt nicht zu entdecken gewesen, und wir wissen gewiss, dass ihm kein Bauer Zuflucht gewährt oder Speise mitgeteilt hat. Wir haben schon bemerkt, dass er Anfälle von Schlafsucht hat, während welcher er Tage lang eingeschlossen in seinem Zimmer bleibt. Wenn man die Tür erbricht oder sich um ihn her bewegt, so fällt er in Krämpfe. Seit wir dies wissen, haben wir uns in Acht genommen, und man überlässt ihn der Entfremdung seines Geistes.
In seinem Geiste gehen zu solchen Zeiten außerordentliche Dinge vor, aber kein Geräusch, keine Bewegung seines Körpers verrät sie: wir erfahren sie erst später aus seinen Äußerungen. Wenn es vorbei ist, so scheint er sich erleichtert und der Vernunft zurückgegeben zu fühlen, aber allmählich kehrt die Aufregung zurück und nimmt zu, bis er wieder in Erschöpfung verfällt. Es scheint als ob er ein Vorgefühl von der Dauer dieser Krisen hätte, denn, wenn sie lang werden sollen, so geht er ins Weite oder flüchtet sich in jenen Versteck, dessen Dasein wir vermuten, entweder in irgend einer verborgenen Höhle des Gebirgs oder gar in einem Keller des Schlosses, den nur er allein kennt. Bis jetzt hat man seinen Zufluchtsort nicht entdecken können. Es ist dies umso schwieriger, da man ihn nicht beobachten darf; man versetzt ihn in einen gefährlichen Zustand, wenn man ihm folgt, ihm nachsieht oder ihn auch nur befragt.
Daher hat man sich endlich entschlossen, ihm ganz seine Freiheit zu lassen, und wir haben uns gewöhnt, seine Abwesenheiten, welche uns Anfangs so furchtbar waren, als günstige Krisen seiner Krankheit anzusehen. Wenn sie eintreten, so härmt sich meine Tante, mein Onkel betet, aber niemand rührt sich, und ich, ich gestehe Ihnen, dass ich in dieser Hinsicht schon ganz abgehärtet bin. Der Kummer ist bei mir in Langeweile und endlich in Abneigung übergegangen. Ich möchte lieber sterben als diesen Rasenden heiraten. Ich erkenne seine herrlichen Eigenschaften, aber wenn es Ihnen auch scheint, dass ich ihm seine Verkehrtheiten nicht anrechnen sollte, weil sie von seiner Krankheit herrühren, so gestehe ich Ihnen doch, dass ich darüber wütend bin, denn ich sehe sie als eine Pest in meinem und der Meinigen Leben an.
– Es scheint mir dies ein wenig ungerecht, liebe Baronin! sagte Consuelo. Dass Sie eine Abneigung fühlen, des Grafen Albert Frau zu werden, begreife ich jetzt vollkommen, allein dass sich Ihre Teilnahme von ihm abwendet, begreife ich nicht.
– Es kommt daher, weil ich mir’s nicht aus dem Sinne bringen kann, dass etwas Freiwilliges in der Tollheit dieses armen Menschen liegt. Es ist gewiss, dass er eine außerordentliche Stärke des Charakters besitzt und in tausend Fällen eine große Herrschaft über sich selbst hat. Er kann den Ausbruch seiner Krisen durch seinen Willen zurückhalten. Ich habe sie ihn mit Gewalt bemeistern sehen, wenn man nicht geneigt schien, sie für ernsthaft zu halten. Dagegen wenn er uns leichtgläubig und ängstlich gestimmt sieht, scheint er mit seinen Ausschweifungen Effekt auf uns machen zu wollen und missbraucht die Schwachheit, die man für ihn hat. Das ist es, weswegen ich ihm gram bin, und oft seinen Patron Belzebub anrufe, er möchte ihn doch eines guten Tages holen und ihn uns vom Halse schaffen.
– Sie scherzen sehr grausam über einen so unglücklichen Mann, sagte Consuelo, dessen Krankheit mir auch eher poetisch und wunderbar als abstoßend vorkommt.
– Wie es Ihnen beliebt, teure Porporina! entgegnete Amalie. Bewundern Sie nach Herzenslust diese Zauberstückchen, wenn Sie daran glauben mögen. Aber ich mache es Angesichts dieser Dinge ähnlich wie unser Kaplan, der seine Seele Gott empfiehlt und sich nicht vermisst, sie zu begreifen; ich flüchte mich in den Schoß der gesunden Vernunft, und erspare es mir, Sachen zu ergrübeln, die einen ganz natürlichen Erklärungsgrund haben müssen, wenn wir ihn auch bis jetzt nicht kennen.
Das einzige, was ganz gewiss ist bei dem unglücklichen Loose meines Cousins, ist dieses, dass seine Vernunft vollständig bei ihm eingepackt, und dass die Imagination in seinem Gehirn so gewaltige Flügel entfaltet hat, dass der Kasten davon springen muss. Und wenn ich es denn gerade heraussagen soll und das Wort gebrauchen, welches mein armer Onkel Christian zu den Füßen der Kaiserin Maria Theresia, die sich mit halben Antworten und halben Erklärungen nicht abspeisen lässt, unter Tränen auszusprechen gezwungen war: Albert von Rudolstadt ist verrückt; geistesabwesend, wenn Ihnen dieser Ausdruck anständiger scheint.
Consuelo antwortete nur mit einem tiefen Seufzer. Amalie schien ihr in diesem Augenblick eine hassenswürdige Person, ein Herz von Stein. Sie strengte sich an, sie in ihren eigenen Augen zu entschuldigen: sie stellte sich alles vor, was Amalie während dieser achtzehn Monate eines traurigen und an so mannichfaltigen Erschütterungen reichen Lebens gelitten haben musste. Dann auf ihr eigenes Unglück zurückgeratend, dachte sie: Ach, warum kann ich nicht Anzoleto’s Fehltritte auf die Schuld eines Wahnsinns schieben! Wenn er unter den Berauschungen und Täuschungen seines Debüts in Raserei gefallen wäre, ich fühle es wohl, ich würde ihn deshalb nicht weniger geliebt haben, und ich wünschte nichts, als dass ich ihn aus Irrwahn ungetreu und undankbar wüsste, um ihn heiß zu lieben wie zuvor und ihm zu Hilfe zu eilen.
Es verstrichen mehre Tage, ohne dass Albert den Behauptungen seiner Cousine über die Verwirrung seines Geistes die geringste Bestätigung gab. Eines guten Tages aber, als der Kaplan ihm unversehens entgegengesprochen hatte, fing er an, sehr unzusammenhängende Sachen zu sagen, und gleich als hätte er es selbst bemerkt, ging er plötzlich aus dem Saal und verschloss sich in sein Zimmer. Man glaubte, dass er dort lange bleiben würde; aber nach einer Stunde kam er zurück bleich und matt, schleppte sich von Stuhl zu Stuhl, ging um Consuelo herum, der er nicht mehr Aufmerksamkeit als an den vorigen Tagen zu widmen schien und zog sich zuletzt in eine tiefe Fensternische zurück, wo er, den Kopf in seine Hände gestützt, unbeweglich sitzen blieb.
Es