Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
– Und jetzt, Sie empfinden diese Sklaverei schmerzlich und mit Schamerröten, o, ich begreife es wohl und hasse schon dieses Österreich aus Grund der Seele.
– St! leiser! rief die junge Baronin. Solche Reden sind gefährlich unter dem grauen, böhmischen Himmel, und in diesem Schlosse gibt es nur einen einzigen Menschen, der kühn, der toll genug ist, das auszusprechen, was Sie eben sagten, liebe Nina! es ist mein Vetter Albert.
– Das also ist die Ursache des Grames, den man auf seinem Gesichte liest? Ich fühlte mich von Hochachtung ergriffen, als ich ihn ansah.
– Ei, meine schöne Löwin von San Marco! sagte Amalie, erstaunt über das hochherzige Feuer, welches plötzlich die bleichen Züge ihrer Gefährtin überflog; Sie nehmen die Sache zu ernsthaft. Ich fürchte sehr, dass Ihnen in wenigen Tagen mein Cousin eher Mitleid als Hochachtung einflößen möchte.
– Das eine brauchte jawohl das andere nicht zu verhindern, entgegnete Consuelo, aber erklären Sie sich näher, liebe Baronin.
– Hören Sie aufmerksam, sagte Amalie. Wir sind eine strengkatholische Familie, der Kirche und dem Reiche treu ergeben. Wir führen einen sächsischen Namen und unsere Vorfahren von sächsischer Seite waren immer äußerst rechtgläubig. Wenn es meiner Tante, der Stiftsdame, eines Tages zu ihrem Unglück einfallen wird, Ihnen die Dienste zu erzählen, welche unsere Altvordern, die deutschen Herren Grafen und Freiherren, der heiligen Sache geleistet haben, so werden Sie sehen, dass, ihr zu Folge, nicht der kleinste Flecken von Ketzerei an unserem Wappen haftet. Selbst als Sachsen protestantisch geworden war, wollten die Rudolstadt lieber ihren protestantischen Fürsten verlassen, als den Schoß der Kirche. Aber meine Tante wird es sich nie einfallen lassen, mit diesen Dingen in Gegenwart des Grafen Albert zu prahlen, sonst würden Sie aus Albert’s Munde gewiss die erstaunlichsten Dinge vernehmen, die je menschliche Ohren gehört haben.
– Sie spannen meine Neugier immer höher, ohne sie zu befriedigen. Ich verstehe bis jetzt so viel, dass ich vor Ihren edlen Verwandten nicht die Miene annehmen darf, als ob ich Ihre und des Grafen Albert Sympathien für das alte Böhmen teilte. Sie können sich auf meine Behutsamkeit verlassen, teure Baronin! Übrigens bin ich in katholischem Lande geboren und die Achtung, welche ich für meine Religion hege, so wie die, welche ich Ihrer Familie zolle, würden schon hinreichen, um mir unter allen Umständen Stillschweigen aufzuerlegen.
– Sie werden klug handeln, denn ich sage Ihnen noch einmal, dass wir in diesem Punkte grausam altväterisch sind. Was mich selbst betrifft, liebe Nina, so bin ich aus besserem Teige gemacht. Ich bin weder Protestantin noch Katholikin. Ich bin von Nonnen erzogen worden, ihre Predigten und Paternoster haben mich rechtschaffen gelangweilt. Dieselbe Marter hat mich hierher verfolgt und meine Tante Wenceslawa vereinigt in ihrer einzigen Person die Pedanterei und den Aberglauben einer ganzen Schwesterschaft. Ich bin aber zu sehr von heute, um mich aus Abscheu davor in die nicht minder tödlichen Controversen der Lutheraner zu stürzen, und was die Hussiten anlangt, so ist das eine so alte Geschichte, dass ich nicht mehr dafür schwärme als für die Großtaten der Griechen und der Römer. Der französische Geist ist mein Ideal, und ich glaube, dass es keine Vernunft, keine Philosophie und keine Zivilisation gibt als die, welche in diesem heiteren, liebenswürdigen Frankreich im Schwange sind, von dessen Literatur ich manchmal im Geheimen nasche, und dessen Glück, Freiheit und Fröhlichkeit ich wie von ferne, und wie in einem Traumbild, durch die Spalten meines Kerkers sehe.
– Sie setzen mich mit jedem Augenblick in größeres Erstaunen, sagte Consuelo in Einfalt. Wie geht es doch zu, dass Sie eben jetzt von Begeisterung ergriffen schienen, als Sie der Heldentaten des alten böhmischen Volkes gedachten? Ich habe Sie für erzböhmisch und ein wenig ketzerisch gehalten.
– Ich bin schlimmer als ketzerisch und schlimmer als böhmisch, erwiderte Amalie lachend, ich bin ein wenig ungläubig und rebellisch ganz und gar. Ich hasse jede Art von Herrschaft, geistlich oder weltlich, und ich protestiere ganz im Stillen gegen Österreich, welches von allen Bonnen die steifste und frömmlerischste ist.
– Und Graf Albert ist eben so ungläubig? Hat auch er den französischen Geist? Sie passen wohl in diesem Falle trefflich für einander!
– Ach! wir passen nicht im mindesten für einander, und da sind wir nun nach allen meinen notwendigen Umschweifen gerade bei dem Punkte angelangt, wo ich von ihm zu reden habe.
Mein Onkel, Graf Christian, hatte von seiner ersten Frau keine Kinder. Im vierzigsten Jahre heiratete er zum zweiten Male und erhielt von dieser Frau fünf Söhne, welche alle starben und zwar eben so wie ihre Mutter, an einer Krankheit, die mit ihnen geboren war, einem beständigen Schmerz und sozusagen Fieber im Gehirne. Diese zweite Frau war von reinem böhmischen Blute, und, wie man sagt, außerordentlich schön und klug. Ich habe sie nicht gekannt. Sie werden ihr Bildnis in einem Leibchen mit Edelsteinen und Scharlachmantel im großen Saale sehen. Albert sieht ihr wundersam ähnlich. Er war der sechste und letzte ihrer Söhne, der einzige, der ein Alter von dreißig Jahren erreicht hat, und auch nicht ohne Mühe; denn ohne dem Anscheine nach krank zu sein, hat er doch harte Proben durchzumachen gehabt und merkwürdige Symptome von Krankheit des Gehirnes lassen noch immer für sein Leben fürchten. Unter uns, ich glaube nicht, dass er es über diese unglückliche