Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
– Liebe Schwester, antwortete der Greis, es ist sehr freundlich von dir, dass du meinen Sohn entschuldigst. Die Signora wird uns den Gefallen tun und sich gewisse Dinge nicht zu sehr befremden lassen, die wir ihr morgen mitteilen wollen, ohne Rückhalt und mit dem Vertrauen, das uns Porporas Adoptivtochter, bald hoffe ich sagen zu dürfen die Freundin unseres Hauses, einflößt.
Es war die Stunde, wo alles sich zurückzog und das Haus war so regelmäßigen Gewohnheiten unterworfen, dass, wenn die beiden jungen Mädchen länger bei Tische geblieben wären, die Bedienten, als wahre Maschinen, ihnen, glaube ich, die Stühle weggenommen und die Lichter ausgelöscht haben würden, ohne sich um ihre Anwesenheit zu bekümmern. Übrigens sehnte sich Consuelo nach Ruhe, und Amalie führte sie in das geschmackvoll und behaglich eingerichtete Zimmer, welches sie dicht neben dem ihrigen für sie bereit hielt.
– Ich hätte große Lust mit Ihnen noch ein Stündchen oder zwei zu verplaudern, sagte sie zu ihr, sobald das Stiftsfräulein, das sich’s nicht nehmen ließ, die Honneurs des Zimmers zu machen, sich entfernt hatte. Es verlangt mich, Sie von allem in Kenntnis zu setzen, was hier vorgeht, ehe Sie die wunderliche Wirtschaft im Hause miterdulden müssen. Aber Sie sind so ermüdet, dass Sie wahrscheinlich nichts sehnlicher wünschen, als sich niederzulegen.
– Lassen Sie sich dadurch nicht hindern, Signora! sagte Consuelo. Meine Glieder sind zerschlagen, es ist wahr, aber mir brennt der Kopf dergestalt, dass ich sicherlich die ganze Nacht nicht werde schlafen können. Sprechen Sie daher so lange es Ihnen gefällt, nur bedinge ich mir aus, dass Sie deutsch sprechen, das wird mir gleich als Unterricht dienen; denn ich sehe wohl, dass dem Herrn Grafen das Italienische nicht recht geläufig ist und der Signora Canonica noch weniger.
– Wir wollen einen Akkord machen, sagte Amalie. Sie legen sich ins Bett, um Ihre armen zerschlagenen Gliedmaßen auszuruhen. Unterdeß werde ich ein Nachtkleid anziehen und meine Kammerfrau zu Bett schicken. Ich komme dann wieder und setze mich an Ihr Kopfkissen, und wir schwatzen deutsch, bis wir schläfrig werden. Wollen Sie?
– Von Herzen gern, erwiderte die neue Gouvernante.
8.
– Sie müssen wissen, meine liebe … sagte Amalie, als sie sich zu der verabredeten Unterhaltung in Stand gesetzt hatte. Aber da fällt mir erst ein, dass ich Ihren Namen nicht weiß, setzte sie lächelnd hinzu. Es wäre Zeit die Titel und Zeremonien unter uns zu verbannen. Sie müssen mich künftig Amalie nennen, und ich nenne Sie …
– Ich habe einen sonderbaren Namen, der schwer auszusprechen ist, entgegnete Consuelo. Mein herrlicher Lehrer Porpora hieß mich, als er mich hierher schickte, den seinigen annehmen, wie das bei Gönnern oder zwischen Lehrern und ihren bevorrechteten Schülern Brauch ist; ich teile also von nun an mit dem großen Sänger Hubert die Ehre, mich nach Porpora zu nennen: wie er Porporino, heiße ich Porporina; aber der Kürze halber nennen Sie mich, wenn Sie wollen, ganz einfach Nina.
– Gut, also unter uns Nina! sagte Amalie. Jetzt hören Sie zu, ich habe Ihnen eine ziemlich lange Geschichte zu erzählen, und wenn ich nicht ziemlich hoch in die Vergangenheit hinaufsteige, so können Sie das, was in diesem Hause vorgeht, unmöglich verstehen.
– Ich bin ganz Ohr, sagte die neue Porporina.
– Sie wissen gewiss ein wenig von der böhmischen Geschichte, liebe Nina! sagte die junge Baronin.
– Ach nein! antwortete Consuelo, ich bin, wie Ihnen mein Lehrer doch wohl geschrieben hat, ganz ohne alle Kenntnisse; ich weiß höchstens ein wenig von der Geschichte der Musik, aber von der böhmischen Geschichte weiß ich ebensowenig wie von irgend einer anderen Geschichte der Welt.
– Wenn das ist, entgegnete Amalie, so will ich Ihnen in wenigen Worten das Nötigste sagen, was Sie durchaus wissen müssen, um meine Erzählung zu verstehen. Vor dreihundert Jahren und darüber war das unterdrückte und erstorbene Volk, in dessen Mitte Sie sich jetzt versetzt sehen, ein großes, kühnes, unbeugsames, heldenmütiges Volk. Es hatte dazumal freilich auch fremde Herren und einen Glauben, den es nicht recht begriff und den man ihm mit Gewalt auflegen wollte. Unzählige Mönche sogen es aus, ein grausamer und ausschweifender König missbrauchte seine Gewalt und verscherzte alle Liebe seiner Untertanen. Ingrimm und tiefer Hass gärten im Stillen und eines Tages brach der Sturm offen aus; die fremden Herren wurden verjagt, der Glaube wurde reformiert, die Klöster wurden geplündert und geschleift, der Trunkenbold Wenceslas wurde vom Throne gestoßen und in ein Gefängnis gesperrt. Das Signal zum Aufstande hatte die Hinrichtung zweier kühnen Gelehrten, welche die Mysterien des katholischen Glaubens untersuchen und aufklären wollten, des Johannes Huß und des Hieronymus von Prag, gesehen, die ein Concilium vor sich lud, verdammte und verbrennen ließ, obgleich ihnen ihr Leben und die Freiheit sich zu verantworten verbürgt worden war. Eine solche Treulosigkeit und Schandtat regte die stolze Nation heftig auf, dass ein blutiger Krieg ausbrach, der viele Jahre über Böhmen und einen großen Teil Deutschlands wütete. Dieser Vertilgungskampf wurde der Hussitenkrieg genannt. Gräuliche und unzählbare Verbrechen wurden von beiden Seiten begangen. Die Sitten waren damals in der ganzen Welt roh und grausam. Sie wurden es durch Parteigeist und religiösen Fanatismus noch mehr und Böhmen wurde der Schrecken von Europa. Ich will Ihre Einbildungskraft, die durch den Anblick dieses wilden Landes schon aufgeregt ist, nicht durch eine Schilderung der Gräuel, welche verübt wurden, noch mehr erhitzen. Von der einen Seite nichts als Mord, Brand, Pest, Scheiterhaufen, Verheerungen, Kirchenschändung, Mönche und Nonnen verstümmelt, aufgehängt, in siedendes Pech geworfen; von der anderen Seite nichts als zerstörte Städte, verwüstete Länder, Verrätereien, Meineide, Grausamkeiten, Hussiten tausendweise in die Bergwerke geschickt, Abgründe mit ihren Leichen ausfüllend und die Erde mit ihrem und ihrer Feinde Gebein bedeckend. Diese schrecklichen Hussiten waren lange unüberwindlich; noch jetzt sprechen wir ihren Namen nur mit Grauen aus und dennoch flößt uns ihr Patriotismus, ihre Standhaftigkeit, ihre Unerschrockenheit, ihr Heldenmut ein geheimes Gefühl von Bewunderung und Stolz ein, welches junge Gemüter wie das meinige manchmal nur mit Mühe verbergen können.
– Und warum es verbergen? fragte Consuelo in Unschuld.
– Weil Böhmen nach