Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
– Meine liebe Signora, sagte sie, indem sie sich anschickte, sie zu bedienen, Sie müssen sich darauf gefasst machen, hier unerhörte, unerklärliche, oft unerträgliche und manchmal grausige Dinge zu erleben; wahre Romanenabenteuer, die Ihnen niemand glauben würde, dem Sie sie erzählen wollten und die Sie sich werden auf Ehre verpflichten müssen, in ewiges Stillschweigen zu begraben.
Als die Baronin so sprach, öffnete sich langsam die Tür, und hereintrat das Stiftsfräulein Wenceslawa, mit ihrem Höcker, mit ihrem eckigen Gesicht und in ihrer strengen Tracht, mit dem Ordensstrick, den sie niemals ablegte. Sie gab sich eine so mächtig freundliche Miene, wie noch nie wieder seit dem denkwürdigen Tage, an welchem die Kaiserin Maria Theresia auf der Rückreise aus Ungarn huldvoll geruht hatte, in Riesenburg mit ihrem Gefolge eine Stunde zu rasten und ein Glas Gewürzwein zu sich zu nehmen. Sie schritt auf Consuelo zu, die, bestürzt und erstaunt, sie mit verstörtem Auge ansah und vor ihr aufzustehen vergaß, machte zwei tiefe Knixe, richtete an sie zuvörderst eine deutsche Rede, die so wohl gesetzt war, dass sie sie lange eingeübt haben musste, und trat sodann näher, um sie auf die Stirn zu küssen. Das arme Mädchen, das starrer als eine Bildsäule dasaß, glaubte den Kuss des Todes zu empfangen und lispelte, nahe daran in Ohnmacht zu fallen, ein unverständliches Wort des Dankes.
Als das Stiftsfräulein aus dem Saale gegangen war, denn sie hatte bemerkt, dass ihre Gegenwart die Reisende mehr befangen machte als ihr lieb war, brach Amalie in ein lautes Gelächter aus.
– Sie haben, will ich wetten, geglaubt, sagte sie zu ihrer Gefährtin, den Geist der Königin Libussa zu sehen? Aber beruhigen Sie sich. Diese gute Stiftsdame ist meine Tante, die langweiligste und die beste der Frauen.
Kaum hatte sich Consuelo von diesem Schreck erholt, als sie große Reiterstiefel hinter sich trappen hörte. Ein schwerer, abgemessener Schritt erschütterte den Fußboden und ein Gesicht so aufgeblasen, rot und viereckig, dass die stämmigen Bedienten schmächtig und blass daneben aussahen, zog schweigend durch den Saal und verschwand durch die große Tür, welche die Bedienten ehrfurchtsvoll öffneten. Neuer Schauder Consuelo’s, neues Gelächter Amaliens.
– Dieser hier, sagte sie, ist der Freiherr von Rudolstadt, der größte Jäger, der größte Schläfer und der beste der Väter. Er hat eben seinen Nachessensschlaf im Salon beendet. Mit dem Glockenschlag Neun steht er aus seinem Großvaterstuhl auf, ohne deswegen wach zu sein: er geht durch diesen Saal, sieht aber nichts und hört nichts, steigt immer im Schlafe die Treppe hinauf, legt sich nieder ohne von sich zu wissen, und wacht mit dem Tage auf, so munter, flink und rüstig wie der jüngste Manm um seine Hunde, Pferde und Falken zur Jagd in Bereitschaft zu setzen.
Kaum war sie mit dieser Erklärung fertig, als der Kaplan durch den Saal ging. Auch er war wohlbeleibt, aber untersetzt und blass wie ein Wassersüchtiger. Das beschauliche Leben sagt diesen derben slavischen Naturen nicht zu, und die Corpulenz dieses heiligen Mannes war krankhaft. Er begnügte sich die beiden Damen tief zu grüßen, sagte einem der Bedienten leise ein paar Worte und entfernte sich auf demselben Wege, den der Freiherr genommen hatte.
Sogleich begab sich der alte Hans mit noch einem von jenen Automaten, die Consuelo nicht voneinander unterscheiden konnte, so sehr hatten sie alle dasselbe stämmige und schwerfällige Wesen, in den Salon. Consuelo, die sich nicht f mehr stark genug fühlte, um sich zu stellen, als ob sie äße, wendete sich um, und verfolgte die Bedienten mit den Augen. Aber ehe diese die Tür, welche hinter ihr lag, erreicht hatten, zeigte sich auf der Schwelle eine neue Erscheinung, noch ergreifender als alle vorigen.
Es war ein junger, hochgewachsener Mann, von edler Gesichtsbildung, aber erschreckender Blässe, schwarz gekleidet vom Kopf bis zu den Füßen und einen reichen Samtpelz mit Marderbesatz umgeschlagen, den eine goldene Spange auf der Schulter festhielt. Sein langes rabenschwarzes Haar fiel in Unordnung auf seine bleichen Wangen nieder, die ein seidenweicher, sich natürlich kräuselnder Bart zum Teil verdeckte.
Er winkte gebieterisch mit der Hand, dass die Bedienten, welche ihm entgegenkamen, zurückwichen, und sich wie von seinem Blick gebannt in unbeweglicher Stellung entfernt hielten. Dann zum Grafen Christian gewendet, der ihm auf dein Fuße folgte, sagte er mit wohlklingender Stimme und dem edelsten Ausdruck:
– Ich versichere Ihnen, Vater! dass ich nie so ruhig war. Etwas Großes hat sich in meinem Geschicke zugetragen, und der Friede des Himmels ist auf unser Haus herabgekommen.
– Möge dich Gott erhören, mein Kind! antwortete der Greis, die Hand ausstreckend wie zum Segnen. Der junge Mann neigte sein Haupt tief unter die Hand seines Vaters; dann wendete er sich mit sanfter, heiterer Miene und schritt bis in die Mitte des Saales, berührte mit der Fingerspitze schwach lächelnd die Hand, welche ihm Amalie reichte, und sah Consuelo starr ein paar Sekunden an. Unwillkürlich von Ehrfurcht ergriffen machte Consuelo mit niedergeschlagenen Augen ihm eine Verbeugung. Aber er erwiderte ihren Gruß nicht und fuhr fort, sie anzustarren.
– Diese junge Dame, sagte das Stiftsfräulein zu ihm, ist …
Er unterbrach sie aber durch eine Gebärde, welche zu sagen schien: – Sprich nicht, unterbrich nicht den Lauf meiner Gedanken.
Sodann drehte er sich um, ohne irgend ein Zeichen von Überraschung oder Anteil und schritt langsam durch die große Tür hinaus.
– Meine liebe Demoiselle, sagte das Stiftsfräulein, Sie müssen entschuldigen …
– Tante, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, sagte Amalie, aber Sie sprechen mit der Signora deutsch.
– Verzeihung, gute Signora, antwortete Consuelo auf italienisch, ich habe als Kind vielerlei Sprachen gesprochen, denn ich war viel