Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Albert vernahm diese Rede voll Furcht und in sich gekehrt, das Gesicht in den Händen, die Knie in die Erde gebohrt.
– Rede, rede, himmlische Stimme, die ich höre und die ich nicht mehr kenne, seufzte er mit erstickten Lauten. Wenn du der Engel vom Berge bist, wenn du, wie ich glaube, die himmlische Erscheinung bist, die ich so oft auf dem Schreckensteine sah, rede, gebiete meinem Willen, meinem Bewusstsein, meiner Fantasie. Du weißt wohl, dass ich nach dem Lichte ringe, und wenn ich mich in Finsternissen verliere, dass es von der Anstrengung ist, die ich mache sie zu zerstreuen, um zu dir hindurchzudringen.
– Nur ein wenig Demut, Vertrauen, Unterwerfung unter die Ratschlüsse der den Menschen unerforschlichen Weisheit, sagte Consuelo, das ist für Sie der Weg der Wahrheit, Albert! Entsagen Sie in Ihrem Herzen, entsagen Sie mit Festigkeit, und ein für alle Male dem Gelüste, sich jenseits dieses vergänglichen Daseins, welches Ihnen auferlegt ist, einzuleben, und Sie werden wieder angenehm vor Gott, den Menschen nützlich und in Ihrem Innern ruhig werden. Stimmen Sie Ihr stolzes Schauen herab, und ohne den Glauben an die Unsterblichkeit zu verlieren, ohne an der göttlichen Güte zu verzweifeln, welche das Vergangene verzeiht und die Zukunft in ihre Hut nimmt, schaffen Sie, dass Ihr Leben fruchtbar und menschlich werde, Ihr gegenwärtiges Leben, welches Sie geringschätzen, während Sie es werthalten und sich ihm ganz mit aller Ihrer Kraft, Ihrer Entsagung und Ihrer Menschenliebe hingeben sollten. Jetzt, Albert, sehen Sie mich an, schlagen Sie frei die Augen auf. Ich bin nicht mehr Ihre Schwester, nicht mehr Ihre Mutter. Ich bin eine Freundin, die der Himmel Ihnen sendet, die er auf wunderbaren Wegen hergeführt hat, um Sie dem Hochmut und dem Wahnsinn zu entreißen. Sehen Sie mich an, und sagen Sie mir, auf Ihr Gewissen, wer ich bin und wie ich heiße.
Albert hob zitternd und scheu den Kopf empor und blickte sie noch einmal an, aber nicht so entsetzt und verwirrt als die ersten Male.
– Sie reißen mich über Abgründe, sagte er zu ihr, Sie beschämen mit eindringlichen Worten meine Vernunft, die ich, zu meinem Unglück, der der anderen überlegen wähnte, Sie heißen mich das gegenwärtige Dasein und das Menschenleben anschauen und begreifen. Um das Gedächtnis mancher Phasen meines Lebens zu verlieren, muss ich furchtbare Krisen überstehen, und um das Bewusstsein einer neuen Phase zu gewinnen, muss ich Anstrengungen machen, mich im Innern umzuwandeln, die mir tödlich sind. Wenn Sie es fordern, Namens einer Macht, die ich der meinen überlegen fühle, dass ich mein Denken in das Ihrige gieße, gehorchen muss ich: aber ich kenne dieses fürchterliche Ringen und an seinem Ziele ist der Tod. Haben Sie Erbarmen, Sie, die Sie einen mächtigen Zauber auf mich üben, helfen Sie mir, oder ich erliege. Sagen Sie mir, wer Sie sind, denn ich erkenne Sie nicht. Ich erinnere mich nicht, Sie je gesehen zu haben: ich weiß nicht, ob Sie Mann oder Weib sind, Sie stehen vor mir wie eine rätselhafte Erscheinung, deren Urbild ich vergebens in meinen Erinnerungen suche. Helfen Sie mir, denn ich fühle mich vergehen.
Bei diesen Worten wurde Albert, dessen Gesicht sich zuvor fieberhaft gerötet hatte, zum Erschrecken bleich. Er streckte die Hände nach Consuelo aus, ließ sie aber sogleich wieder fallen, um sich auf die Erde zu stützen, als ob er in unbezwinglicher Erschöpfung zusammensänke.
Consuelo, welche allmählich in das geheime Weben seiner Geisteskrankheit eindrang, fühlte sich belebt und wie begeistert von einer neuen Kraft und Klarheit. Sie ergriff seine Hände, zwang ihn aufzustehen und führte ihn zu dem Sitze neben dem Tische. Er sank darauf nieder, von unerhörter Mattigkeit befallen und beugte sich nach vorn, wie einer Ohnmacht nahe.
Das Ringen, von welchem er gesagt hatte, war nur zu wirklich. Albert besaß die Fähigkeit, seine Besinnung zusammenzufassen und die Fieberfantasien, welche sein Gehirn durchtobten, zurückzudrängen, aber er erreichte das nicht ohne Anstrengungen und Leiden, welche seinen Organismus aufrieben. Wenn die Gegenwirkung von selbst eintrat, so ging er erfrischt und gleichsam neugeboren daraus hervor, aber wenn er sie durch eine Gewalttat seines noch mächtigen Willens erzwang, so erlag sein Körper und die Starrsucht bemächtigte sich aller seiner Glieder. Consuelo begriff, was in ihm vorging.
– Albert! sagte sie zu ihm, ihre kalte Hand auf sein brennendes Haupt legend, ich kenne Sie, und das ist genug. Ich nehme Anteil an Ihrem Wohle, und das soll auch Ihnen für jetzt genug sein. Ich verbiete Ihnen, irgend eine Anstrengung zu machen, um mich zu erkennen und mit mir zu reden. Hören Sie nur mir zu, und wenn Ihnen, was ich sage, dunkel scheint, so warten Sie, dass ich mich erkläre und übereilen Sie sich nicht, den Sinn zu fassen. Ich fordre nichts von Ihnen als dass Sie sich leidend und still verhalten und alles Nachdenken gänzlich fahren lassen.
– O, wie wohl Sie mir tun! antwortete Albert. Sprechen Sie weiter, sprechen Sie immer so zu mir. Sie halten meine Seele in Ihrer Hand. Wer Sie auch sind, halten Sie sie fest und lassen Sie sie nicht entrinnen, denn sie würde gegen die Pforten der Ewigkeit rennen und zerschellen. Sagen Sie mir, wer Sie sind, sagen Sie geschwind, und wenn ich es nicht fasse, so erklären Sie es mir, denn wider Willen suche ich danach und rege mich auf.
– Ich bin Consuelo, antwortete das junge Mädchen, und das wissen Sie auch, denn unwillkürlich reden Sie mit mir in einer Sprache, die nur ich allein in Ihrer Umgebung verstehen kann. Ich bin eine Freundin, die Sie lange Zeit erwartet haben, und die Sie einst erkannten, als sie sang. Seit jenem Tage haben Sie Ihre Familie verlassen und haben sich hier verborgen. Seit jenem Tage habe ich Sie gesucht, und Sie haben mich durch Zdenko zu verschiedenen Malen rufen lassen, aber Zdenko, der Ihre Befehle zum Teil ausführte, hat mich nicht zu Ihnen führen wollen. Ich bin aber dennoch hergelangt durch viele Gefahren …
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