Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Sie war ungehindert und furchtlos seit ungefähr fünf Minuten darin fortgegangen, als sie hinter sich ein leichtes Geräusch zu hören glaubte. Es war vielleicht Zdenko, welcher zurückkam und wieder seinen Weg nach dem Schreckenstein nahm. Aber sie hatte den Vorsprung und verdoppelte ihre Schritte, um nicht von diesem gefährlichen Reisegefährten eingeholt zu werden. Er konnte nicht vermuten, dass sie vor ihm war. Er hatte keine Ursache sie zu verfolgen, und während er sich die Zeit damit vertriebe, dachte sie, seine Klagelieder und seine endlosen Geschichten vor sich hinzusingen und zu murmeln, würde sie ihr Ziel erreichen und sich unter Albert’s Schutz stellen können.
Allein das Geräusch, das sie gehört hatte, nahm zu und klang allmählich wie von brausendem, arbeitendem und fortschießendem Wasser. Was war geschehen? Hatte Zdenko ihr Vorhaben gemerkt? hatte er die Schleuse geöffnet, um sie daran zu verhindern und sie in der Flut zu begraben? Aber er hätte das doch nicht tun können, ohne selbst hindurch zu sein, und er war ja hinter ihr.
Diese Betrachtung war durchaus nicht beruhigend. Zdenko war fähig, sich dem Tode lieber zu weihen, und sich mit ihr zu ertränken, als dass er sie Albert’s Versteck entdecken ließe. Indessen hatte Consuelo kein Wehr, keine Schleuse, nicht einen Stein, der das Wasser aufhalten und dann wieder freilassen konnte, auf ihrem Wege gefunden. Dieses Wasser hätte nur vor ihr sein können und das Geräusch kam von hinter ihr. Es wuchs inzwischen, wurde gewaltig, kam mit Donnertosen näher.
Jetzt erst – schreckliche Entdeckung! – nahm Consuelo wahr, dass der Kanal, anstatt zu steigen, sich senkte, anfangs sanft abschüssig, nun aber immer jäher. Die Unglückliche hatte den Weg verfehlt. In ihrer Eile und bei dem dichten Dampf, welcher aus der Tiefe der Cisterne aufstieg, hatte sie eine zweite, weit größere Wölbung, der, welche sie gewählt hatte, gerade gegenüber, nicht bemerkt.
Sie war in den Kanal geraten, welcher dem Wasser des Brunnens zum Abzug diente. Zdenko, der aus dem entgegengesetzten Wege zurückging, hatte ruhig die Schleuse geöffnet; das Wasser schoss im Bogen in die Cisterne ein und hatte diese schon bis zu der Höhe des Abflusses angefüllt; es ergoss sich jetzt in den Kanal, wo Consuelo in tödlichem Entsetzen vorwärts eilte.
Bald musste dieser Kanal, welcher dazu eingerichtet war, das Wasser abzuleiten, welches dem Brunnen auf der anderen Mündung reichlicher zuströmte, als es Abfluss hatte, sich ganz mit Wasser füllen.
In einem Augenblick, in einem Nu, musste der Gang überschwemmt sein, und er senkte sich immer schneller zu Abgründen hinab, denen das Wasser zustürzte.
Die noch tropfende Decke zeigte genugsam, dass ihn die Flut ganz ausfüllte, dass keine Erlösung möglich war, und dass die Beschleunigung ihrer Schritte die Unglückliche nicht vor dem wild dahertobenden Strome retten würde.
Die Luft wurde schon durch die heransausende Wassermasse zusammengepresst. Eine erstickende Hitze hemmte den Atem und tötete nicht minder als die Angst und die Verzweiflung.
Jetzt schlug das Gebrüll der losgelassenen Flut dicht an Consuelo’s Ohr, jetzt spritzte jacher Schaum, der traurige Verbote der Woge auf das Pflaster nieder und kam dem unsicheren und häufig aufgehaltenen Tritte des verlorenen Schlachtopfers zuvor.
12.
O meine Mutter! schrie sie, öffne mir deine Arme! O Anzoleto, ich habe dich geliebt! Mein Gott, entschädige mich in einem bessern Leben.
Kaum hatte sie so in Todesangst, zum Himmel geschrien, als sie strauchelt und an ein unerwartetes Hindernis stößt. O göttliche Barmherzigkeit! Es ist eine schmale steile Treppe, welche an der einen Wand des Ganges in die Höhe führt; von Furcht und Hoffnung beflügelt klimmt sie hinan.
Das Gewölbe hebt sich über ihrem Haupte; der Strom kommt, peitscht die Treppe, welche Consuelo noch gerade Zeit gehabt hat zu ersteigen, verschlingt die untersten zehn Stufen, sprüht empor bis an den Knöchel des behänden Fußes, welcher vor ihm flieht, und nachdem er das Gewölbe, das Consuelo soeben verlassen, bis an den Keil gefüllt hat, stürzt er sich hinab in die Nacht, und schießt mit fürchterlichem Donner in ein tiefes Becken ein, auf welches der kleine Söller hinabschaut, den das heldenmütige Kind auf den Knien und in der Dunkelheit erreicht hat.
Denn ihr Licht ist erloschen. Ein wütender Windstoß war dem Einbruche der Wassermasse vorangegangen. Auf der obersten Stufe ist Consuelo zusammengesunken; bis dahin hatte sie der Trieb des Lebens aufrecht erhalten. Sie weiß nicht, ob sie gerettet, oder ob dieses Toben des Wassersturzes ein neues Unheil ist, das sie bedroht, ob dieser kalte Regen, welcher bis zu ihr hinaufsprüht und ihr Haar benetzt, die eisige Hand des Todes ist, die sich nach ihrem Haupte ausstreckt.
Indessen füllt sich der Behälter nach und nach, bis zur Höhe von anderen Ableitungswegen, welche noch tiefer in die Eingeweide des Beckens hinab den reichen Erguss der Quelle tragen. Der Lärm erstirbt, der Dampf lässt nach, ein tiefes Murmeln, mehr wohlklingend als schrecklich, verbreitet sich durch die Grotten.
Mit zitternder Hand hat Consuelo ihre Kerze mühsam wieder angezündet. Ihr Herz schlägt noch heftig gegen die Brust, aber ihr Mut belebt sich wieder. Sie fällt aufs Knie, dankt Gott und ihrer Mutter. Nun untersucht sie den Ort, an welchem sie sich befindet und lässt das schwankende Licht ihrer Laterne über die umgebenden Gegenstände gleiten.
Eine weite von der Natur gebildete Grotte überwölbt eine Schlucht, in welche die entfernte Quelle des Schreckenstein ihr Wasser entsendet, das sich endlich im Schoße des Berges verliert. Diese Schlucht ist so tief, dass man das hinabgestürzte Wasser nicht mehr wahrnimmt, und dass ein Stein, den man hineinwirft, zwei Minuten rollt und untertauchend einen Schall gibt, als ob eine Kanone abgeschossen würde. Der Wiederhall der Grotte wiederholt ihn lange und noch länger währt das schaurige Geklatsch des unsichtbaren Wassers, als ob man das Gebell der höllischen Meute hörte.
An einer der Wände dieser Grotte klimmt ein schmaler, schwieriger Fußsteig, aus dem Felsen gehauen, hart am Rande des Abgrunds hin und verliert sich in einem neuen finsteren Gange, der keine Spur der Menschenhand mehr aufweist, sich jedoch von dem Wasserlaufe und seinem Falle abwendet und aufwärts zu höher gelegenen Orten führt.
Das ist der Weg, den Consuelo nehmen muss. Es gibt keinen anderen: das Wasser hat den, auf welchem sie gekommen ist, versperrt und gänzlich ausgefüllt. Es ist unmöglich, Zdenko’s Rückkehr in der Grotte abzuwarten.