Gesammelte Werke. George Sand

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения George Sand
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962816148



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die Sek­ti­rer ih­rer Zeit hin­ter­las­sen ha­ben, bricht er noch mit Macht her­vor. Den­je­ni­gen, wel­che sich in Zei­ten der Um­wäl­zung von den ein­ge­führ­ten Sit­ten frei ma­chen wol­len, weil sie de­ren Ver­fal­len­heit und Geist­lo­sig­keit er­kannt ha­ben oder füh­len, wird ge­mein­lich der Vor­wurf ge­macht, dass sie sich von der Sit­te über­haupt eman­ci­pie­ren und jeg­li­ches Ge­setz und Band von sich wer­fen wol­len; die­ser Kunst­griff ist so leicht zu er­sin­nen und so leicht zu hand­ha­ben, dass es für­wahr kein Wun­der ist, ihn in den äl­tes­ten Zei­ten schon eben­so an­ge­wen­det zu se­hen, wie wir ihn noch jetzt alle Tage ge­gen die, wel­che sich wi­der Gel­ten­des er­klä­ren, im Brau­che fin­den. Des­sen­un­ge­ach­tet wird es in den ge­schlos­se­nen Krei­sen de­rer, de­nen es um wahr­haf­te Be­frei­ung, d. h. um Ein­set­zung ei­ner dem mensch­li­chen Geis­te ge­mä­ßen Le­bens­ord­nung wirk­lich zu tun ist, viel­leicht im­mer auch Sol­che ge­ben, die sich von al­lem Maße be­frei­en und ein­zig ih­rer Will­kür fröh­nen wol­len. Die­se Knech­te ih­rer Lust spie­len in der Ge­schich­te kei­ne Rol­le und sind gar nicht der Be­trach­tung wert; kaum in der Zeit ih­res Da­seins ge­lingt es ih­nen eine vor­über­ge­hen­de Auf­merk­sam­keit der Mit­le­ben­den zu er­re­gen, wie wir das noch in un­se­ren Ta­gen ge­se­hen ha­ben. Man darf da­her an­neh­men, dass die schänd­li­chen Las­ter und Sit­ten­lo­sig­kei­ten, wel­che ei­ni­gen Sek­ten von den kirch­li­chen Schrift­stel­lern ih­rer Zeit auf­ge­bür­det wur­den, zum größ­ten Teil ge­ra­de­zu er­lo­gen und er­fun­den sind, und zwar für das Auge des heu­ti­gen For­schers un­ge­schickt ge­nug er­fun­den, weil die Er­fin­der nichts an­de­res auf­zu­brin­gen wuss­ten als ge­nau die al­ten Sün­den, wel­che der Alex­an­dri­ner Cle­mens den Sek­ti­rern sei­ner Zeit, d. h. des zwei­ten Jahr­hun­derts nach Chr. zur Last legt. So­gar der Name, wel­chen ein an­de­rer al­ter Schrift­stel­ler Theo­do­ret, auf je­nen Cle­mens ver­wei­send, den er­wähn­ten Sek­ti­rern gibt, der Name Ada­mi­ten wird im 14. und 15. Jahr­hun­dert in Böh­men wie­der auf­ge­wärmt, um die, wel­che man da­mit brand­markt, des Stran­ges, des Schwer­tes, des Schei­ter­hau­fens de­sto wür­di­ger dar­zu­stel­len.8

      Frei­heit, ein­zi­ges Klein­od un­se­res Geis­tes, ein­zi­ges Licht, das uns die Nacht die­ses trau­ri­gen, schmer­zen­vol­len Da­seins er­hel­len kann, Stern nach dem wir pil­gern, wann wird dein Tag der ban­gen­den Welt auf­gehn? So oft du dich in ihr ver­herr­lich­test, so oft du sieg­test, ha­ben al­so­gleich die Men­schen dei­ne Waf­fen, dein glän­zen­des Rüst­zeug selbst zu neu­en Ket­ten um­ge­schmie­det und die Knecht­schaft är­ger denn zu­vor ge­macht oder wer­den las­sen. Komm end­lich, komm und woh­ne un­ter uns in Wahr­heit! »Se­het in das Feld, es ist zur Ern­te weiß!« rief Je­sus von Na­za­reth. »Gott ist Geist, und die ihn an­be­ten, müs­sen ihn im Geist und in der Wahr­heit an­be­ten. Ihr wis­set nicht was ihr an­be­tet. Aber es kommt die Zeit, dass ihr we­der auf den Ber­gen, noch in Je­ru­sa­lem an­be­tet, es kommt die Zeit, dass die wahr­haf­ti­gen An­be­ter an­be­ten wer­den im Geist und in der Wahr­heit.« Und sie­he! es kam die Zeit, dass die sich wahr­haf­ti­ge An­be­ter nann­ten, in Kir­chen und Ka­pel­len, auf Grä­bern und vor Kreu­zen und Bil­dern und in Rom an­be­te­ten, und dass nie­mand wuss­te was er an­be­te­te, we­der die ge­führ­ten Blin­den noch die Blin­den­füh­rer selbst. Das pha­ri­säi­sche We­sen, von wel­chem das Chris­ten­tum, in­son­der­heit Pau­lus Be­frei­ung ver­kün­digt hat­te, war in ei­ner neu­en und, weil sie geis­ti­ger aus­ge­schmückt und ver­brei­te­ter, all­ge­mei­ner zum Ge­setz ge­macht und mehr mit Ge­walt auf­ge­nö­tigt war, ge­fähr­li­che­ren, heil­lo­se­ren Wei­se ein­ge­ris­sen, als es je­mals un­ter den Ju­den hat­te herr­schen kön­nen. »Ge­het hin«, sprach Je­sus, »und tau­fet alle Welt und leh­ret alle Hei­den! Leh­ret sie, dass kein Un­ter­schied des Vol­kes und der Per­son gilt, dass alle Men­schen Men­schen sind, schul­dig als Brü­der brü­der­lich zu le­ben, und dass sich alle mit mir eins be­wei­sen wer­den, wenn sie ein­an­der Lie­be be­wei­sen, denn dar­an will ich er­ken­nen, dass ihr mei­ne Jün­ger seid, so ihr Lie­be un­ter ein­an­der habt.« Und sie gin­gen hin und lehr­ten alle Völ­ker, dass man alle Lie­be ha­ben und üben kön­ne und doch nicht se­lig sei, wo­fern man nicht die mensch­li­che Ver­nunft und den Glau­ben an das ewig Wah­re und sei­ne Macht beu­ge un­ter die Sat­zun­gen ei­ner pri­vi­le­gier­ten Klas­se und ih­res Ober­haupts, des Bi­schofs zu Rom. Die Schran­ken, wel­che die Völ­ker im Al­ter­tu­me von­ein­an­der trenn­ten, wa­ren ge­fal­len; aber sie hat­ten nun neue Schran­ken auf­ge­rich­tet, zwi­schen de­nen, die sich Chris­ten soll­ten nen­nen dür­fen, weil sie sich den Be­stim­mun­gen der kirch­li­chen Ob­rig­keit un­ter­war­fen, und de­nen, wel­che, wenn sie sich auch Chris­ten nen­nen woll­ten, doch den Grund ih­res Hei­les in der in­ne­ren Of­fen­ba­rung des Geis­tes such­ten. Die­se letz­te­ren sind die Sek­ti­rer, die Hä­re­ti­ker, die Ket­zer, die Ver­damm­ten, die nicht des Da­seins Wür­di­gen, die dem Teu­fel, dem sie die­nen, Aus­zu­lie­fern­den, mit Schan­de und mit schau­der­vol­lem Tod zu Stra­fen­den.

      Der Geist im Men­schen aber ruht und un­ter­wirft sich nicht. Knech­tet, bin­det ihn, er wird sich selbst be­frei­en, und sei­ne Ket­ten tri­um­phie­rend, Qual und Tod ver­ach­tend, mit Ge­walt zer­rei­ßen. Durch wel­che äu­ßer­li­chen Um­stän­de auf­ge­rüt­telt er aus dem Schla­fe er­wa­che, gleich­viel! er­wa­chen muss er, ihn ewig schla­fend fest zu ban­nen ist un­mög­lich. Ob ihn zu­erst das lie­der­li­che Le­ben und der Stumpf­sinn de­rer, die sich Hü­ter des Hei­lig­tums nen­nen, ent­rüs­te und em­pö­re und er von da aus wei­ter fra­ge nach ih­rem Rech­te und dem Grun­de und Ur­sprun­ge ih­rer Ty­ran­nei, ob er durch sein Be­dürf­nis, al­les was ist zu er­ken­nen, sei­nen Wahr­heits­durst, den Trieb, die ihm ein­woh­nen­de Kraft zu brau­chen, an­ge­spornt, die Leh­ren, die man ihm ver­kauft, zu prü­fen sich ge­drun­gen füh­le, und ob er den Frie­den, dem er nach­jagt, mit den Übun­gen die man ihm auf­er­legt hat, nicht er­zwin­gend, sich aus in­ne­rer Nö­ti­gung sel­ber den Ret­tungs­weg zu su­chen un­ter­fan­ge, oder ob er nur sich selbst er­grei­fend, sei­nen ewi­gen Ur­sprung und sein ewi­ges Recht, sei­ne Macht und Frei­heit ah­nend, sich ge­gen den Zwang und die Ge­walt, die ihm der frem­de Geist an­tut, stolz und un­ge­dul­dig auf­leh­ne: es ist gleich­viel; in al­len die­sen For­men tritt der Trieb ei­ner Neu­ge­stal­tung des geis­ti­gen Le­bens schon früh, schon im 11. Jahr­hun­dert, so weit wir be­stimm­te Kun­de ha­ben, und si­cher­lich noch frü­her auf. Die lan­gen Auf­zäh­lun­gen der ein­zel­nen ket­ze­ri­schen Leh­ren zahl­lo­ser Sek­ten, wie sie uns kirch­li­che Schrift­stel­ler über­lie­fert ha­ben, und wie wir sie in bi­schöf­li­chen und päpst­li­chen Er­las­sen fin­den, sind von we­ni­gem Be­lang, weil sie meist nur das ent­hal­ten, was die Sek­ti­rer an kirch­li­chen Ge­set­zen und Leh­ren ver­war­fen, oder was man ih­nen an Un­sitt­lich­kei­ten, um sie dem Vol­ke ver­hasst zu ma­chen, ent­we­der ein­zel­ne Un­ge­bühr als Schuld der gan­zen Rich­tung an­rech­nend oder ge­ra­de­zu nach ur­al­ten Mus­tern er­dich­tend, auf­ge­bür­det hat. Da heißt es im­mer wie­der, dass die Ab­trün­ni­gen die Bil­der­ver­eh­rung, die Hei­li­gen­an­ru­fung, die Ze­re­mo­ni­en, den äu­ße­ren Got­tes­dienst, das Kreuz­ma­chen, die Hei­lig­keit der Sa­kra­men­te, die Vor­rech­te des Pries­ter­stan­des ver­wür­fen; tiefer in das We­sen der Leh­re, in sitt­li­che Fra­gen dringt es schon ein, wenn wir er­fah­ren, dass sie die Tau­fe miss­ach­tet, das Abend­mahl für ein blo­ßes Erin­ne­rungs­zei­chen und die Ehe für kein der Kir­che zu­zu­wei­sen­des In­sti­tut er­klärt hät­ten; und wenn uns end­lich ge­sagt wird, dass