Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма

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Название Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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murrt hier?« rief Billot; »sicherlich ist es kein Vater. Mir, der ich mit euch spreche, sind gestern zwei Menschen in meinen Armen getötet worden; seht ihr Blut auf meinem Hemd, seht!«

      Und er deutete auf seine gerötete Weste und sein blutiges Hemd mit einer Bewegung von Erhabenheit, welche die Versammlung elektrisierte.

      »Gestern,« fuhr Billot fort, »gestern habe ich mich beim Palais-Royal und bei den Tuilerien geschlagen, und dieser Knabe hat sich auch geschlagen; doch dieser Knabe hat weder Vater noch Mutter, und überdies ist er beinahe ein Mann.«

      Und er deutete auf Pitou, der sich in die Brust warf.

      »Heute,« fuhr Billot fort, »werde ich mich abermals schlagen; doch niemand soll sagen: die Pariser waren nicht stark genug gegen die fremden Soldaten, und sie haben die Kinder zu Hilfe gerufen.«

      »Ja! ja!« schrieen von allen Seiten Stimmen von Weibern und Soldaten. »Er hat recht. Kinder! geht hinein, geht hinein!«

      »Oh! meinen Dank! meinen Dank! lieber Herr,« murmelte der Vorsteher, der die Hände von Billot durch das Gitter zu fassen suchte.

      »Und unter Allen hüten Sie besonders Sebastian gut,« sagte dieser.

      »Mich, mich hüten? ich sage Ihnen, daß man mich nicht hüten wird,« rief der junge Mensch, bleich vor Zorn, während er sich in den Händen der Diener des Hauses, die ihn wegführten, sträubte. »Lassen Sie mich hinein,« sprach Billot, »ich übernehme es, ihn zu beruhigen.«

      Die Menge trat auf die Seite. Der Pächter zog Ange Pitou nach sich und drang in den Hof des College ein.

      Schon bewachten drei bis vier Soldaten und ein Dutzend anderer Männer die Thüren und verschlossen jeden Ausgang für die aufrührerischen jungen Leute.

      Billot ging gerade auf Sebastian zu, nahm die weißen feinen Händchen des Knaben in seine großen, schwieligen Hände und sagte zu ihm:

      »Sebastian, erkennen Sie mich nicht mehr?«

      »Nein.«

      »Ich bin Billot, der Pächter Ihres Vaters.«

      »Ich kenne Sie, mein Herr.«

      »Und diesen Jungen,« fuhr er, auf seinen Gefährten deutend, fort, »kennst du ihn?«

      »Ange Pitou?« fragte der Knabe.

      »Ja, Sebastian, ja, ich, ich.«

      Und Pitou fiel weinend vor Freude seinem Milchbruder und Studienkameraden um den Hals.

      Aber ohne sich zu erheitern, sagte der Knabe:

      »Nun! – hernach?«

      »Hernach?  . . . Wenn man dir deinen Vater genommen hat, so werde ich ihn dir zurückgeben; ich, hörst du wohl?«

      »Sie?«

      »Ja, ich! ich! und alle diejenigen, welche dort mit mir sind. Was Teufels! wir haben es gestern mit den Österreichern zu thun gehabt, und wir haben ihre Patrontaschen gesehen.«

      »Zum Beweise dient, daß ich eine besitze,« sagte Pitou.

      »Nicht wahr, wir werden seinen Vater befreien?« rief Billot, sich an die Menge wendend.

      »Ja, ja!« brüllte die Menge, wir werden ihn befreien,

      Sebastian schüttelte den Kopf.

      »Mein Vater ist in der Bastille,« sprach er schwermütig.

      »Nun?« rief Billot.

      »Nun, man nimmt die Bastille nicht,« erwiderte der Knabe.

      »Was wolltest du dann thun, da du diese Überzeugung hattest?«

      »Ich wollte auf den Platz gehen; man wird sich dort schlagen; mein Vater hätte mich vielleicht durch das Gitter eines Fensters bemerkt.«

      »Unmöglich.«

      »Unmöglich! und warum? Ich habe eines Tages, als ich mit meinen Mitschülern spazieren ging, den Kopf eines Gefangenen am Gitter der Bastille gesehen. Wenn ich meinen Vater gesehen hätte, wie ich diesen Gefangenen sah, so hätte ich ihn erkannt und ihm zugerufen: Sei ruhig, guter Vater, ich liebe dich.«

      »Und wenn die Soldaten der Bastille dich getötet hätten?«

      »Nun! so hätten sie mich unter den Augen meines Vaters getötet!«

      »Tod und alle Teufel! Du bist ein böser Knabe, Sebastian. Du willst dich vor den Augen deines Vaters töten lassen! Du willst machen, daß er vor Schmerz in seinem Käfig stirbt, er, der nur dich auf der Welt hat, der dich so sehr liebt! Du bist offenbar ein schlimmes Herz, Sebastian!«

      Und der Pächter stieß den Knaben zurück.

      »Ja, ja, ein schlimmes Herz,« rief Pitou, in Thränen zerfließend.

      Sebastian antwortete nicht.

      Und während er in einem düstern Stillschweigen träumte, bewunderte Billot dieses edle, weiße, perlmutterartige Antlitz, das Feuerauge, den spöttischen feinen Mund, die Adlernase und das kräftige Kinn, das zugleich Adel der Seele und Adel des Blutes verriet.

      »Du sagst, dein Vater sei in der Bastille?« fragte endlich der Pächter.

      »Ja.«

      »Und warum?«

      »Weil mein Vater ein Freund von Lafayette und Washington ist; weil mein Vater für die Unabhängigkeit Amerikas mit dem Schwerte, und für die Freiheit Frankreichs mit der Feder gekämpft hat; weil mein Vater in beiden Weltteilen dafür bekannt ist, daß er die Tyrannei haßt; weil er die Bastille, wo die andern leiden, verflucht hat . . . Darum brachte man ihn dahin.«

      »Wann dies?«

      »Vor sechs Tagen.«

      »Und wo hat man ihn verhaftet?«

      »In Havre, wo er gelandet.«

      »Woher weißt du das?«

      »Ich habe einen Brief von ihm erhalten.«

      »Und man hat ihn in Havre selbst verhaftet?«

      »In Lillebonne.«

      »Auf, mein Kind! schmolle nicht mit mir und gieb mir alle Umstände an, die du weißt. Ich schwöre dir, daß ich entweder meine Knochen auf dem Platz der Bastille lasse, oder du siehst deinen Vater wieder.«

      Sebastian schaute den Pächter mit großen Augen an; und als er wahrnahm, daß er aus dem Grunde des Herzens zu sprechen schien, besänftigte er sich.

      »Nun,« sagte er, in Lillebonne hatte er Zeit gefunden, mit Bleistift folgende Worte in ein Buch zu schreiben:

      »»Sebastian, man verhaftet mich, und führt mich in die Bastille.

      »»Geduld. Hoffe und arbeite!

Lillebonne, den 7. Juli 1789.N. S.

      »»Man verhaftet mich der Freiheit wegen.««

      »»Ich habe einen Sohn im College Louis-le-Grand in Paris. Derjenige, welcher dies Buch findet, wird gebeten, es im Namen der Menschenliebe ihm zukommen zu lassen; er heißt Sebastian Gilbert.««

      »Und dieses Buch?« fragte Billot, schnaubend vor Aufregung.

      Er legte ein Goldstück hinein, umband es mit einer Schnur, und warf es durch das Fenster.

      »Und?  . . .«

      »Und der Pfarrer fand es. Er wählte unter den Gemeindeangehörigen einen kräftigen jungen Mann und sagte zu ihm:

      »»Laß zwölf Franken deiner Familie, die kein Brot hat, und mit den andern zwölf trage dieses Buch nach Paris zu einem armen Knaben, dem man den Vater genommen, weil er das Volk zu sehr liebt.««

      »Der junge Mann ist gestern Mittag hier angekommen und hat mir das Buch meines Vaters übergeben, daher weiß ich, daß mein Vater verhaftet ist.«

      »Ah! ah!« rief Billot, »das söhnt mich ein wenig mit den Pfarren aus. Leider sind sie nicht alle wie dieser; und der brave junge Mann, wo ist er?«

      »Er ist gestern Abend wieder abgegangen; er hofft seiner