Ingénue. Александр Дюма

Читать онлайн.
Название Ingénue
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

Sie von mir zu verlangen?«

      »Oh! mein Herr, ich hätte von Ihnen zu verlangen, daß Sie es mir dictiren, nachdem Sie es mir recitirt haben?«

      »Ihnen?«

      »Ja, mir.«

      »Wozu?«

      »Ei! um es zu den Noten meiner dritten Ausgabe zu setzen . . . Jeder an seinem Platze, mein Herr; das Ganze ist, daß man sich Gerechtigkeit widerfahren läßt. Ich habe keine andere Prätension, als die, in der Literatur das zu sein, was der Schleifstein in der Messerschmiede ist: ich schneide nicht, ich mache schneiden.«

      Florian kniff sich in die Lippen: er hatte es mit einem mächtigen Gegner zu thun; er sprach indessen:

      »Und nun, mein Herr, um ein Ende zu machen: wenn ich Ihnen sagte, in dem Artikel, den Sie mir zu widmen die Güte gehabt, sei Etwas gewesen, was mir mißfallen?«

      »In meinem Artikel Etwas, was Ihnen mißfallen? Unmöglich! er hat nur drei Zeilen.«

      »Es ist dennoch so, Herr von Rivarol.«

      »Oh! wahrhaftig? . . . Wäre es im Geiste?«

      »Nein.«

      »Wäre es in der Form?«

      »Nein.«

      »In was denn?«

      »Es ist im Grunde.«

      »Oh! wenn es der Grund ist, das geht mich nichts an, Herr von Florian, das geht Champcenetz, meinen Mitarbeiter, an, der auf- und abgehend dort mit der Nase von Métra plaudert. Ihr Diener, Herr von Florian!«

      Wonach Herr von Rivarol wieder ruhig zu schreiben anfing.

      Florian schaute seine zwei Freunde an, und diese bedeuteten ihm mit den Augen, er müsse sich als geschlagen betrachten und es folglich hierbei bewenden lassen.

      »Ah! mein Herr,« sagte Florian, »Sie sind entschieden ein Mann von Geist, und ich nehme meinen Viervers zurück.«

      »Ach! mein Herr,« rief Rivarol mit einer komisch verzweifelten Miene, »es ist zu spät!«

      »Wie so?«

      »Ich habe ihn in meinen Tabletten aufgezeichnet, und es ist schon, als ob er gedruckt wäre; doch wollen Sie einen andern, so werde ich mir ein Vergnügen daraus machen, Ihnen denselben an der Stelle des Ihrigen anzubieten.«

      »Einen andern? und immer über denselben Gegenstand?«

      »Ja, ganz frisch diesen Morgen mit der Post angekommen; er ist an mich, so wie an Champcenetz adressirt: ich kann also in seinem Namen und in meinem darüber verfügen. Es ist ein junger picardischer Advocat, Namens Camille Desmoulins, der bis jetzt nur dies gemacht hat, aber verspricht, wie Sie sehen werden.«

      »Ah! ich höre, mein Herr.«

      »Zum Verständniß der Sache müssen Sie wissen, mein Herr, daß gewisse Neidische mir und Champcenetz den Adel streitig machen, wie sie Ihnen das Genie streitig machen. Sie begreifen wohl, daß dies dieselben sind. Sie sagen, mein Vater sei Wirth in Bagnols gewesen, und die Mutter von Champcenetz Haushälterin, ich weiß nicht wo. Nachdem dies vorausgestellt ist, hören Sie meinen Viervers, der durch die Erklärung, die ich Ihnen gegeben, nur gewinnen kann:

      Au noble hôtel de la Vermine

      On est, logé très proprement:

      Rivarol y fait la cuisine,

      Et Champcenetz, l'appartement.11

      »Sie sehen, mein Herr, der erste bildet ein bewunderungswürdiges Seitenstück zum zweiten, und verkaufte ich den einen ohne den andern, so wäre der, den ich behielte, unvollständig.«

      Man konnte einem solchen Manne nicht länger grollen. Florian reichte ihm folglich eine Hand und Rivarol nahm sie mit dem seinen Lächeln und dem leichten Blinzeln der Augen, was nur ihm eigenthümlich.

      In demselben Momente entstand um Métra und in der Gegend des Baumes von Krakau eine Bewegung, welche die Ankunft einer wichtigen Nachricht bezeichnete.

      Die drei Freunde folgten dem von der Menge, die sich unter den Linden zusammenschaarte, gegebenen Impulse und ließen Rivarol sich wieder an seine Notizen machen, die er mit derselben Gleichgültigkeit, als ob er allein gewesen wäre, fortsetzte.

      Er that dies jedoch nicht, ohne auf einen Blick von Champcenetz, der besagen wollte; »Was gibt es?« durch einen Blick geantwortet zu haben, welcher bedeutete: »Noch nichts für diesmal.«

       III

      Die Neuigkeitsliebhaber

      Métra, den Rivarol genannt hatte, und der, wie gesagt, mit Champcenetz plauderte, hatte sich zu einem der wichtigsten Menschen dieser Zeit gemacht.

      Geschah dies durch seinen Geist? Nein; sein Geist war mittelmäßig. Durch seine Geburt? Nein; er gehörte dem Bürgerthum an. Durch die übermäßige Länge seiner Nase? Nein, auch nicht.

      Es geschah durch seine Neuigkeiten.

      Métra war der vorzugsweise Mann der Neuigkeiten: unter dem Titel Corresponcdance secréte ließ er – errathen Sie, wo? . . . in Neustadt am Ufer des Rheins, – ein Journal alle Pariser Neuigkeiten enthaltend erscheinen.

      Wer wußte das wahre Geschlecht des Chevalier oder der Chevaliére d'Eon, dieses Menschen, dem die Regierung den Befehl gegeben, sich an Weiberkleider zu halten, und der das Kreuz des St. Ludwigs-Ordens an seinem Halstuche trug?

      Métra.

      Wer erzählte in ihren kleinsten Einzelheiten, und als ob er denselben beigewohnt hätte, die fantastischen Soupers des berühmten Grimod de la Reyniére, welcher einen Augenblick die Casserole mit der Feder vertauschend so eben die Parodie des Songe d'Athalie geschrieben hatte?

      Métra.

      Wer durchschaute das Räthsel der Excentricitäten des Marquis von Brunoy, des excentrischsten Menschen jener Zeit?

      Métra.

      Die Römer, wenn sie sich auf dem Forum begegneten, fragten einander drei Jahrhunderte hindurch: Quid novi fert Africa? (Was bringt Africa Neues?) Die Franzosen fragten sich drei Jahre lang: »Was sagt Métra?«

      Es gibt gewisse Perioden im Leben der Nationen, während welcher eine seltsame Unruhe sich eines ganzen Volkes bemächtigt: das ist so, wenn dieses Volk allmälig unter seinen Füßen den Boden weichen fühlt, auf dem in den abgelaufenen Jahrhunderten ruhig seine Voreltern gegangen sind; es glaubt an eine Zukunft, denn wer lebt, hofft; doch außer dem, daß es nichts in dieser Zukunft unterscheidet, so düster ist sie, fühlt es noch, daß ein dunkler, tiefer, unbekannter Abgrund zwischen der Zukunft und ihm ist.

      Dann wirft es sich in die unmöglichen Theorien; dann liegt es der Aufsuchung unfindbarer Dinge ob; dann sucht es, wie jene Kranken, die sich so verzweifelt fühlen, daß sie die Aerzte fortjagen und die Quacksalber rufen, die Heilung nicht in der Wissenschaft, sondern im Empirismus, nicht in der Wirklichkeit, sondern im Traume. Denn um dieses ungeheure Chaos zu bevölkern, wo der Schwindel herrscht, wo das Licht fehlt, – nicht, weil es nicht geboren worden, sondern weil es stirbt, – erscheinen die Männer der Mysterien, wie Swedenborg, der Graf von Saint-Germain, Cagliostro; Jeder bringt seine Entdeckung, eine unerhörte, unerwartete, fast übernatürliche Entdeckung: Franklin die Elektricität; Montgolfier die Luftschifffahrt; Mesmer den Magnetismus. Dann begreift die Welt, so blind und so schwankend sie ist, daß sie einen Schritt gegen die himmlischen Mysterien gemacht hat, und das hochmüthige Menschengeschlecht hofft eine Stufe der Leiter, welche zu Gott führt, erstiegen zu haben!

      Wehe dem Volke, das diese Zerrungen fühlt, denn diese Zerrungen sind die ersten Schauer des Revolutionsfiebers! es naht für dasselbe die Stunde der Umgestaltung; ohne Zweifel wird es aus dem Kampfe glorreich und auferstanden hervorgehen, doch es wird während einer Todesnoth, wo es Blut geschwitzt, sein Leiden, seine Schädelstätte und sein Kreuz gehabt haben.

      Dies war der Zustand der Geister in Frankreich in der Zeit, zu der wir gekommen sind.

      Jenen Vögeln ähnlich, welche in großen Flügen fortbrausen, welche



<p>11</p>

Im edlen Gasthause zum Ungeziefer

wohnt man sehr reinlich!

Rivarol besorgt dort die Küche

und Champcenetz die Wohnung.