Название | Homo Faber / Хомо Фабер. Книга для чтения на немецком языке |
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Автор произведения | Макс Фриш |
Жанр | Прочая образовательная литература |
Серия | |
Издательство | Прочая образовательная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 978-5-9925-0641-9 |
Mehr war nicht zu erfragen.
„Du“, sagte er, „das ist eine beschissene Sache, scheint mir, wenn ich jetzt nicht abtausche.“
Wir spielten immer lustloser.
Wie man später erfuhr, warteten damals acht Helikopter der US-Army an der mexikanischen Grenze auf die behördliche Bewilligung, uns zu holen.
Ich putzte meine Hermes-Baby.
Herbert las.
Es blieb uns nichts als Warten.
Was Hanna betrift:
Ich hätte Hanna gar nicht heiraten können, ich war damals, 1933 bis 1935, Assistent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich, arbeitete an meiner Dissertation (Über die Bedeutung des sogenannten Maxwell’schen Dämons) und verdiente dreihundert Franken im Monat, eine Heirat kam damals nicht in Frage, wirtschaftlich betrachtet, abgesehen von allem anderen. Hanna hat mir auch nie einen Vorwurf gemacht, dass es damals nicht zur Heirat kam. Ich war bereit dazu. Im Grunde war es Hanna selbst, die damals nicht heiraten wollte.
Mein Entschluss, eine Dienstreise einfach zu ändern und einen privaten Umweg über Guatemala zu machen, bloß um einen alten Jugendfreund wiederzusehen, fiel auf dem neuen Flugplatz in Mexico-City, und zwar im letzten Augenblick; ich stand schon an der Schranke, nochmals Händeschütteln, ich bat Herbert, seinen Bruder zu grüßen von mir, sofern Joachim sich überhaupt noch an mich erinnerte – dazu wieder der übliche Lautsprecher: Your attention please, your attention please, es war wieder eine Super-Constellation, all passengers for Panama – Caracas – Pernambuco, es ödete mich einfach an, schon wieder in ein Flugzeug zu steigen, schon wieder Gürtel zu schnallen, Herbert sagte:
„Mensch, du musst gehen!“
Ich gelte in beruflichen Dingen als äußerst gewissenhaft, geradezu pedantisch, jedenfalls ist es noch nicht vorgekommen, dass ich eine Dienstreise aus purer Laune verzögerte, geschweige denn änderte – eine Stunde später flog ich mit Herbert.
„Du“, sagte er, „das ist flott von dir!“
Ich weiß nicht, was es wirklich war.
„Nun warten die Turbinen einmal auf mich“, sagte ich, „ich habe auch schon auf Turbinen gewartet – nun warten sie einmal auf mich!“
Natürlich ist das kein Standpunkt.
Schon in Campeche empfing uns die Hitze mit schleimiger Sonne und klebriger Luft, Gestank von Schlamm, der an der Sonne verwest, und wenn man sich den Schweiß aus dem Gesicht wischt, so ist es, als stinke man selbst nach Fisch. Ich sagte nichts. Schließlich wischt man sich den Schweiß nicht mehr ab, sondern sitzt mit geschlossenen Augen und atmet mit geschlossenem Mund, Kopf an eine Mauer gelehnt, die Beine von sich gestreckt. Herbert war ganz sicher, dass der Zug jeden Dienstag fährt, laut Reiseführer von Düsseldorf, er hatte es sogar schwarz auf weiß – aber es war, wie sich nach fünfstündigem Warten plötzlich herausstellte, nicht Dienstag, sondern Montag.
Ich sagte kein Wort.
Im Hotel gibt es wenigstens eine Dusche, ein Handtuch, das nach Campfer riecht wie üblich in diesen Gegenden, und wenn man sich duschen will, fallen die fingerlangen Käfer aus dem schimmligen Vorhang – ich ersäufte sie, doch kletterten sie nach einer Weile immer wieder aus dem Ablauf hervor, bis ich sie mit der Ferse zertrat, um mich endlich duschen zu können.
Ich träumte von diesen Käfern.
Ich war entschlossen, Herbert zu verlassen und am andern Mittag zurückzufliegen, Kameradschaft hin oder her —
Ich spürte wieder meinen Magen.
Ich lag splitternackt – Es stank die ganze Nacht. Auch Herbert lag splitternackt – Campeche ist immerhin noch eine Stadt, eine Siedlung mit elektrischem Strom, so dass man sich rasieren konnte, und mit Telefon; aber auf allen Drähten hockten schon Zopilote, die reihenweise warten, bis ein Hund verhungert, ein Esel verreckt, ein Pferd geschlachtet wird, dann flattern sie herab… Wir kamen gerade hinzu, wie sie hin und her zerrten an einem solchen Geschlamp von Eingeweide, eine ganze Meute von schwarzvioletten Vögeln mit blutigen Därmen in ihren Schnäbeln, nicht zu vertreiben, auch wenn ein Wagen kommt; sie zerren das Aas anderswohin, ohne aufzufliegen, nur hüpfend, nur huschend, alles mitten auf dem Markt. Herbert kaufte eine Ananas.
Ich war entschlossen, wie gesagt, nach Mexico-City zurückzufliegen. Ich war verzweifelt. Warum ich es nicht tat, weiß ich nicht.
Plötzlich war’s Mittag —
Wir standen draußen auf einem Damm, wo es weniger stank, aber um so heißer war, weil schattenlos, und aßen unsere Ananas, wir bückten uns vornüber, so tropfte es, dann über die Steine hinunter, um die zuckerigen Finger zu spülen; das warme Wasser war ebenfalls klebrig, nicht zuckerig, aber salzig, und die Finger stanken nach Tang, nach Motoröl, nach Muscheln, nach Fäulnis unbestimmbarer Art, so dass man sie sofort am Taschentuch abwischte. Plötzlich das Motorengeräusch! Ich stand gelähmt. Meine DC-4 nach Mexico-City, sie flog gerade über uns hinweg, dann Kurve aufs offene Meer hinaus, wo sie im heißen Himmel sich sozusagen auflöste wie in einer blauen Säure – Ich sagte nichts.
Ich weiß nicht, wie jener Tag verging.
Er verging —
Unser Zug (Campeche–Palenque–Coatzacoalcos) war besser als erwartet: Eine Dieselmaschine und vier Wagen mit air-condition, so dass wir die Hitze vergaßen, mit der Hitze auch den Unsinn dieser ganzen Reise.
„Ob Joachim mich noch kennt?“
Ab und zu hielt unser Zug auf offener Strecke in der Nacht, man hatte keine Ahnung wieso, nirgends ein Licht, nur dank eines fernen Gewitters erkannte man, dass es durch Dschungel geht, teilweise Sumpf, Wetterleuchten hinter einem Geflecht von schwarzen Bäumen, unsere Lokomotive tutete und tutete in die Nacht hinaus, man konnte das Fenster nicht öffnen, um zu sehen, was los ist… Plötzlich fuhr er wieder: dreißig Stundenkilometer, obschon es topfeben ist, eine schnurgerade Strecke. Immerhin war man zufrieden, dass es weiterging.
Einmal fragte ich:
„Warum sind sie eigentlich geschieden?“
„Weiß ich nicht“, sagte er, „sie wurde Kommunistin, glaube ich —“
„Drum?“
Er gähnte.
„Ich weiß es nicht“, sagte er, „es ging nicht. Ich habe nie danach gefragt.“
Einmal, als unser Zug neuerdings hielt, ging ich zur Wagentür, um hinauszuschauen. Draußen die Hitze, die man vergessen hatte, eine feuchte Finsternis und Stille. Ich ging aufs Trittbrett hinunter, Stille mit Wetterleuchten, ein Büffel stand auf dem schnurgeraden Geleise vor uns, nichts weiter. Er stand wie ausgestopft, weil vom Scheinwerfer unserer Lokomotive geblendet, stur. Sofort hatte man wieder Schweiß auf der Stirne und am Hals. Es tutete und tutete. Ringsum nichts als Dickicht. Nach einigen Minuten ging der Büffel (oder was es war) langsam aus dem Scheinwerfer, dann hörte ich Rauschen im Dickicht, das Knicken von Ästen, dann ein Klatschen, sein Platschen im Wasser, das man nicht sah —
Dann fuhren wir wieder.
„Haben sie denn Kinder?“ fragte ich.
„Eine Tochter —“
Wir richteten uns zum Schlafen, die Jacke unter den Nacken, die Beine gestreckt auf die leeren Sitze gegenüber.
„Hast du sie gekannt?“
„Ja“, sagte ich, „warum?“ Kurz darauf schlief er —
Beim Morgengrauen noch immer Dickicht, die erste Sonne über dem flachen Dschungel-Horizont, viel Reiher, die in weißen Scharen auflatterten vor unserem langsamen Zug, Dickicht ohne Ende, unabsehbar, dann und wann eine Gruppe indianischer Hütten, verborgen unter Bäumen mit Luftwurzeln, manchmal eine einzelne Palme, sonst meistens Laubhölzer, Akazien und Unbekanntes, vor allem Büsche,