Die Grundlagen der Arithmetik. Frege Gottlob

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Название Die Grundlagen der Arithmetik
Автор произведения Frege Gottlob
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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Apriori mit dem Analytischen zusammenfällt. So sagt er25, dass die Algebra ihre Vortheile einer viel höhern Kunst, nämlich der wahren Logik entlehne. An einer andern Stelle26 vergleicht er die nothwendigen und zufälligen Wahrheiten mit den commensurabeln und incommensurabeln Grössen und meint, dass bei nothwendigen Wahrheiten ein Beweis oder eine Zurückführung auf Identitäten möglich sei. Doch diese Aeusserungen verlieren dadurch an Gewicht, dass Leibniz dazu neigt, alle Wahrheiten als beweisbar anzusehen27: »… dass jede Wahrheit ihren apriorischen, aus dem Begriff der Termini gezogenen Beweis hat, wiewohl es nicht immer in unserer Macht steht, zu dieser Analyse zu kommen.« Der Vergleich mit der Commensurabilität und Incommensurabilität richtet freilich doch wieder eine für uns wenigstens unüberschreitbare Schranke zwischen zufälligen und nothwendigen Wahrheiten auf.

      Sehr entschieden im Sinne der analytischen Natur der Zahlgesetze spricht sich W. Stanley Jevons aus28: »Zahl ist nur logische Unterscheidung und Algebra eine hoch entwickelte Logik.«

      § 16. Aber auch diese Ansicht hat ihre Schwierigkeiten. Soll dieser hochragende, weitverzweigte und immer noch wachsende Baum der Zahlenwissenschaft in blossen Identitäten wurzeln? Und wie kommen die leeren Formen der Logik dazu, aus sich heraus solchen Inhalt zu gewinnen?

      Mill meint: »Die Lehre, dass wir durch kunstfertiges Handhaben der Sprache Thatsachen entdecken, die verborgene Naturprocesse enthüllen können, ist dem gesunden Menschenverstande so entgegen, dass es schon einen Fortschritt in der Philosophie verlangt, um sie zu glauben«.

      Gewiss dann, wenn man sich bei dem kunstfertigen Handhaben nichts denkt. Mill wendet sich hier gegen einen Formalismus, der kaum von irgendwem vertreten wird. Jeder, der Worte oder mathematische Zeichen gebraucht, macht den Anspruch, dass sie etwas bedeuten, und niemand wird erwarten, dass aus leeren Zeichen etwas Sinnvolles hervorgehe. Aber es ist möglich, dass ein Mathematiker längere Rechnungen vollführt, ohne unter seinen Zeichen etwas sinnlich Wahrnehmbares, Anschauliches zu verstehen. Darum sind diese Zeichen noch nicht sinnlos; man unterscheidet dennoch ihren Inhalt von ihnen selbst, wenn dieser auch vielleicht nur mittels der Zeichen fassbar wird. Man ist sich bewusst, dass andere Zeichen für Dasselbe hätten festgesetzt werden können. Es genügt zu wissen, wie der in den Zeichen versinnlichte Inhalt logisch zu behandeln ist, und wenn man Anwendungen auf die Physik machen will, wie der Uebergang zu den Erscheinungen geschehen muss. Aber in einer solchen Anwendung ist nicht der eigentliche Sinn der Sätze zu sehen. Dabei geht immer ein grosser Theil der Allgemeinheit verloren, und es kommt etwas Besonderes hinein, das bei andern Anwendungen durch Anderes ersetzt wird.

      § 17. Man kann trotz aller Herabsetzung der Deduction doch nicht leugnen, dass die durch Induction begründeten Gesetze nicht genügen. Aus ihnen müssen neue Sätze abgeleitet werden, die in keinem einzelnen von jenen enthalten sind. Dass sie in allen zusammen schon in gewisser Weise stecken, entbindet nicht von der Arbeit, sie daraus zu entwickeln und für sich herauszustellen. Damit eröffnet sich folgende Möglichkeit. Statt eine Schlussreihe unmittelbar an eine Thatsache anzuknüpfen, kann man, diese dahingestellt sein lassend, ihren Inhalt als Bedingung mitführen. Indem man so alle Thatsachen in einer Gedankenreihe durch Bedingungen ersetzt, wird man das Ergebniss in der Form erhalten, dass von einer Reihe von Bedingungen ein Erfolg abhängig gemacht ist. Diese Wahrheit wäre durch Denken allein, oder, um mit Mill zu reden, durch kunstfertiges Handhaben der Sprache begründet. Es ist nicht unmöglich, dass die Zahlgesetze von dieser Art sind. Sie wären dann analytische Urtheile, obwohl sie nicht durch Denken allein gefunden zu sein brauchten; denn nicht die Weise des Findens kommt hier in Betracht, sondern die Art der Beweisgründe; oder, wie Leibniz sagt29, »es handelt sich hier nicht um die Geschichte unserer Entdeckungen, die verschieden ist in verschiedenen Menschen, sondern um die Verknüpfung und die natürliche Ordnung der Wahrheiten, die immer dieselbe ist.« Die Beobachtung hätte dann zuletzt zu entscheiden, ob die in dem so begründeten Gesetze enthaltenen Bedingungen erfüllt sind. So würde man schliesslich eben dahin gelangen, wohin man durch unmittelbare Anknüpfung der Schlussreihe an die beobachteten Thatsachen gekommen wäre. Aber die hier angedeutete Art des Vorgehens ist in vielen Fällen vorzuziehen, weil sie auf einen allgemeinen Satz führt, der nicht nur auf die grade vorliegenden Thatsachen anwendbar zu sein braucht. Die Wahrheiten der Arithmetik würden sich dann zu denen der Logik ähnlich verhalten wie die Lehrsätze zu den Axiomen der Geometrie. Jede würde in sich eine ganze Schlussreihe für den künftigen Gebrauch verdichtet enthalten, und ihr Nutzen würde darin bestehen, dass man die Schlüsse nicht mehr einzeln zu machen braucht, sondern gleich das Ergebniss der ganzen Reihe aussprechen kann30. Angesichts der gewaltigen Entwickelung der arithmetischen Lehren und ihrer vielfachen Anwendungen wird sich dann freilich die weit verbreitete Geringschätzung der analytischen Urtheile und das Märchen von der Unfruchtbarkeit der reinen Logik nicht halten lassen.

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      1

      Sämmtliche Werke, herausgegeb. von Hartenstein, Bd. X, 1 Thl. Umriss pädagogischer Vorlesungen § 252, Anm. 2: »Zwei heisst nicht zwei Dinge, sondern Verdoppelung« u. s. w.

      2

      K. Fischer, System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre, 2. Aufl. § 94.

      3

      Studien über Association der Vorstellungen. Wien 1883.

      4

      Lehrbuch der Arithmetik und Algebra.

      5

      Ich will damit natürlich nicht einen neuen Sinn hineinlegen, sondern nur das treffen, was frühere Schriftsteller, insbesondere Kant gemeint haben.

      6

      Wenn man überhaupt allgemeine Wahrheiten anerkennt, so muss man auch zugeben, dass es solche Urgesetze giebt, weil aus lauter einzelnen Thatsachen nichts folgt, es sei denn auf Grund eines Gesetzes. Selbst die Induction beruht auf d

1

Sämmtliche Werke, herausgegeb. von Hartenstein, Bd. X, 1 Thl. Umriss pädagogischer Vorlesungen § 252, Anm. 2: »Zwei heisst nicht zwei Dinge, sondern Verdoppelung« u. s. w.

2

K. Fischer, System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre, 2. Aufl. § 94.

3

Studien über Association der Vorstellungen. Wien 1883.

4

Lehrbuch der Arithmetik und Algebra.

5

Ich will damit natürlich nicht einen neuen Sinn hineinlegen, sondern nur das treffen, was frühere Schriftsteller, insbesondere Kant gemeint haben.

6

Wenn man überhaupt allgemeine Wahrheiten anerkennt, so muss man



<p>25</p>

Baumann a. a. O. Bd. II., S. 56; Erdm. S. 424.

<p>26</p>

Baumann a. a. O. Bd. II., S. 57; Erdm. S. 83.

<p>27</p>

Baumann a. a. O. Bd. II., S. 57; Pertz, II., S. 55.

<p>28</p>

The principles of science. London 1879. S. 156.

<p>29</p>

Nouveaux Essais, IV, § 9; Erdm. S. 360.

<p>30</p>

Es ist auffallend, dass auch Mill a. a. O. II. Buch, VI. Cap. § 4 diese Ansicht auszusprechen scheint. Sein gesunder Sinn durchbricht eben von Zeit zu Zeit sein Vorurtheil für das Empirische. Aber dieses bringt immer wieder Alles in Verwirrung, indem es ihn die physikalischen Anwendungen der Arithmetik mit dieser selbst verwechseln lässt. Er scheint nicht zu wissen, dass ein hypothetisches Urtheil auch dann wahr sein kann, wenn die Bedingung nicht wahr ist.