Название | Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band |
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Автор произведения | Hugo Friedländer |
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Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754957998 |
Nitter: Ich war eines Tages in Posen und ging auf einem großen schönen Platz spazieren; ich begab mich in ein großes Café. Am Nebentisch von mir saßen ein Herr und zwei junge Damen. Ich kokettierte mit den Damen. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) Nachdem ich das Café verlassen hatte, kam der Herr aus dem Café hinter mir her und schlug mich mit einem Stock an die Kinnlade. Ich war ganz perplex und zog meinen geladenen Revolver. Ich sagte: Ich verlange Ihren Namen, was veranlaßt Sie, mich zu schlagen? Sie haben die Damen im Café belästigt, versetzte der Herr. Er machte Miene, mich noch einmal zu schlagen. Ich hielt dem Herrn den Revolver vors Gesicht und sagte: Machen Sie, daß Sie fortkommen, oder ich schieße! Ich habe aber nicht geschossen. Der Lärm lockte eine große Anzahl Leute und einen Schutzmann herbei. Der Schutzmann stellte auf meinen Antrag die Personalien des Herrn und auch meine Personalien fest. Ich gab meine Personalien richtig an. Der Herr nannte sich Kaufmann Thürmer aus Posen. Ich sagte zu dem Schutzmann: Verhaften Sie den Herrn, ich werde die Bestrafung beantragen. Der Schutzmann sagte: Lassen Sie das doch. Der Herr ist Pole. Hier in Posen kommen derartige Sachen fast täglich vor. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)
Vors.: Sie haben Herrn Baum gesagt: Sie haben in Posen einen Herrn in die Beine geschossen.
Nitter: Das war Renommisterei.
Vors.: Herr Baum, hielten Sie die Erzählung des Nitter, daß er in Posen einen Mann in die Beine geschossen habe, für Renommisterei?
Zeuge: Nitter war so aufgeregt, daß ich es nicht für Renommisterei hielt.
Auf weiteres Befragen bekundete Baum Knitelius und ein junger Herr namens Paul Scholz hätten ebenfalls einige Nächte bei ihm gewohnt. Paul Scholz war etwa 28 Jahre alt und hatte mit Knitelius große Ähnlichkeit.
Fräulein Martha Baum und der 17jährige Willi Baum (Kinder des Vorzeugen) bestätigten im allgemeinen die Bekundungen ihres Vaters, sie wußten aber auch nichts Näheres über den Paul Scholz anzugeben.
Der Angeklagte Knitelius bemerkte: Er habe zwei Tage und Nächte in Breslau bei Baum gewohnt, um Pfandscheine zu verkaufen. Nitter habe ihm den Scholz mit dem Bemerken: Herr Paul Scholz, Berlin, Breslau, vorgestellt. (Heiterkeit.) Etwas Näheres könne er über Paul Scholz nicht angeben.
Vors.: Nitter, war dieser Paul Scholz etwa der »schwarze Artur«?
Zeuge: Nein.
Kriminalkommissar Becker (Offenbach): Die Familie Knitelius erfreut sich in Offenbach eines guten Rufes. Der Vater ist seit langem tot. Ich halte es für ausgeschlossen, daß die Mutter jemals imstande war, dem Sohn eine monatliche Unterstützung von 200 bis 250 Mark zu geben. Seit mehreren Jahren lebt die Mutter in geradezu kümmerlichen Verhältnissen, sie ist kaum imstande, die Steuern zu bezahlen. Knitelius verkehrte in den verrufensten Spelunken und hat ganz besonders mit verrufenen Halbweltdamen viel verkehrt. In Frankfurt a.M. stand Knitelius im Rufe eines Zuhälters und Einbrechers. Er stand auch im Verdacht, an einem Einbruchsdiebstahl in einem Frankfurter Juwelierladen beteiligt gewesen zu sein. Die Mutter hatte sich im September 1909 einen Paß nach Brasilien bestellt. Sie sagte: Ihr Geschäft sei infolge des Verdachts, der gegen ihren Sohn schwebe, sehr zurückgegangen. Sie habe auch die vielen Haussuchungen satt; deshalb habe sie beschlossen, das Geschäft zu verkaufen und nach Brasilien auszuwandern. Die Frau hat ihren Plan aber nicht ausgeführt.
Angekl.: Das Geschäft meiner Mutter besteht 35 Jahre und hat früher einen sehr schönen Gewinn abgeworfen. Daß das Geschäft infolge der vielen bei meiner Mutter vorgenommenen Haussuchungen zurückgegangen ist, ist sehr erklärlich.
Ein Kriminalwachtmeister aus Offenbach bestätigte die Bekundung des Vorzeugen. Knitelius verkehrte in Kreisen von Zuhältern, Falschspielern und so weiter.
Kriminalschutzmann Pfeiffer (Frankfurt am Main): Knitelius hatte in Frankfurt keine Beschäftigung. Trotzdem führte er ein nobles Leben und verkehrte in den feinsten Cafés. Er bewegte sich in sehr verrufener Gesellschaft, insbesondere in den Kreisen der verrufenen Halbwelt. Er wohnte mit einem Mädchen namens Zimmermann zusammen, das stark im Verdacht stand, gewerbsmäßige Unzucht zu treiben. Knitelius behauptete, er unterhalte die Zimmermann vollständig, er habe eine Vergolderei in Offenbach und verdiene dabei viel Geld. Es wurde aber festgestellt, daß Knitelius nur bei seiner Mutter im Geschäft war. Die Zimmermann gab zu, von Knitelius nicht unterhalten zu werden, bestritt aber, dem Knitelius Geld gegeben zu haben. Jedenfalls stand Knitelius in dringendem Verdacht, bei der Zimmermann Zuhälterdienste zu leisten, er konnte aber nicht überführt werden.
Kriminalpolizei-Wachtmeister Milke (Frankfurt a. M;): In Frankfurt a.M. wurde einmal des Nachts in einem Juwelierladen ein Einbruchsdiebstahl verübt, Knitelius stand im Verdacht, an dem Einbruch beteiligt gewesen zu sein. Ich wurde beauftragt, Knitelius zu verhaften. Als ich mit noch zwei Beamten des Morgens bei Knitelius erschien, lag er noch zu Bett. Er war sehr erschrocken, sprang aus dem Bette, kleidete sich an und wollte aus einem Tischkasten einen geladenen Revolver herausziehen. Er wurde aber daran gehindert und der Revolver von uns beschlagnahmt.
Vors.: Hat er gedroht, auf Sie zu schießen?
Zeuge: Nein. Er sagte: Wenn ich sofort gewußt hätte, daß Sie Kriminalbeamter sind, dann wäre etwas anderes passiert. Ich fragte, was er gemacht hätte. Knitelius antwortete: »Ich hätte alsdann mich erschossen.« Wir haben auch in Offenbach Haussuchung gehalten. Wir fanden bei der Mutter im Keller ein Loch, das sich vorzüglich als Versteck gestohlener Waren eignete. Von anderen Verbrechern wurde uns mitgeteilt, Knitelius sei Zuhälter und ein ganz gefährlicher Verbrecher. Ein Nachweis, daß Knitelius an dem Einbruch in den Juwelierladen beteiligt war, ließ sich nicht führen.
Hofbüchsenmacher Loesche (Magdeburg) bekundete als Sachverständiger: Die Browningpistole sei eine sehr gefährliche Waffe. Sie treffe sicher und habe den Vorzug vor dem Revolver, daß der Schuß nur ein Geräusch, aber keinen lauten Knall verursache. Der Sachverständige zeigte den Geschworenen die Zusammensetzung der Browningpistole. Die in der Hirsch-Apotheke gefundene Hülse entstamme zweifellos einer Browningpistole.
Vors.: Wir wollen uns jetzt schlüssig machen, ob Nitter zu vereidigen ist.
Staatsanwalt Schütte: Nitter kommt zweifellos als Mittäter in Betracht; ich beantrage daher, den Zeugen nicht zu vereidigen.
Vert. R.-A. Boré: Ich beantrage, den Zeugen zu vereidigen. Wenn der Herr Staatsanwalt Nitter für den Mittäter gehalten hätte, dann würde er ihn wegen Mordes angeklagt haben. Da dies nicht geschehen ist, muß dieser Verdacht nicht bestanden haben. Es liegt mithin kein gesetzlicher Grund vor, Nitter unvereidigt zu lassen.
Vors.: Nitter, der Gerichtshof wird sich jetzt schlüssig machen, ob Sie zu vereidigen sind. Der Herr Staatsanwalt beantragt, Sie unvereidigt zu lassen, der Herr Verteidiger, Sie zu vereidigen. Ich frage Sie nun, wenn der Gerichtshof beschließt, Ihre Vereidigung vorzunehmen, könnten Sie Ihre Aussage mit gutem Gewissen beschwören?
Nitter: Wenn ich jetzt etwas anderes sage, dann wird man mir das ja auch nicht glauben.
Vors.: Es handelt sich nicht darum, was Ihnen geglaubt wird, sondern ob Sie bereit sind, Ihre Aussage zu beschwören. Sie wissen, daß auf Meineid eine Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren steht.
Nitter: Wenn ich einen Eid leiste, dann werden die Herren Geschworenen den Eid doch für einen Meineid halten.
Vors.: Sie weichen immer aus. Ob die Herren Geschworenen der Ansicht sind, daß Sie einen Meineid geleistet haben, braucht Sie nicht zu kümmern. Beantworten Sie die Frage: Sind Sie bereit, Ihre Aussage zu beschwören?
Nitter: Das kann ich nicht, denn ich bin überzeugt, sobald ich geschworen habe, wird der Herr Staatsanwalt sofort die Anklage wegen Meineids gegen mich erheben, da eine große Anzahl Zeugen das Gegenteil beschworen haben.
Vors.: