Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer

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Название Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
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Год выпуска 0
isbn 9783754957998



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Da kam eine alte Dame ins Café und machte dem Knitelius eine furchtbare Szene. Knitelius bat mich, mich zu entfernen. Das tat ich auch sofort. Einige Male habe ich auch Nitter in Gesellschaft des Knitelius gesehen. Ich sagte, ich kann den Menschen nicht leiden. Knitelius bemerkte: Nitter ist eine rothaarige Bürste. (Heiterkeit.) Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden sagte die Zeugin: Sie habe am 27. Oktober 1908 den Angeklagten zum letztenmal in Berlin gesprochen. Seit dieser Zeit habe sie ihn erst hier wieder auf der Anklagebank gesehen.

      Vors.: Hat Ihnen der Angeklagte seit dem 27. Oktober 1908 jemals geschrieben?

      Zeugin: Nein.

      Vors.: Hat er Ihnen jemals irgendein Lebenszeichen gegeben?

      Zeugin: Nein, niemals.

      Vors.: Hatte er Ihnen geschrieben, wenn er früher verreist war?

      Zeugin: Jawohl.

      Vors.: Oft?

      Zeugin: Ja.

      Vert.: Sie sollen dem Angeklagten einmal zu Weihnachten einen Tausendmarkschein geschenkt haben?

      Zeugin (entrüstet): So etwas wäre mir niemals in den Sinn gekommen, ich habe nicht 1000 Mark zu verschenken.

      Vert.: War es vielleicht eine geringere Summe?

      Zeugin: Nein. Ich habe nichts zu verschenken.

      Vert.: Hat Sie der Angeklagte oftmals schwer mißhandelt?

      Zeugin: Er hat mich vielfach geschlagen. Das geschah zumeist aus Eifersucht.

      Vert.: Sie sollen bisweilen den Angeklagten auch geschlagen haben?

      Zeugin: Ich habe mich allerdings einmal gewehrt, und zwar recht kräftig. (Große allgemeine Heiterkeit.)

      Angekl.: Fräulein Bethge kam mit einem Messer auf mich zu, ich flüchtete mich deshalb in ein Zimmer und riegelte mich ein.

      Vors. Hatte der Angeklagte eine besondere Veranlassung, Sie zu schlagen?

      Zeugin: Einige Male schlug er mich, weil ich mit Herrn v.P. spazierengegangen war. Ich bemerke ausdrücklich: Meine Beziehungen zu Herrn v.P. waren nur freundschaftliche. Herr v.P. hat mich vielfach in eindringlichster Weise vor dem Angeklagten gewarnt.

      Vors.: Diese Warnungen waren aber vergebens?

      Zeugin: Allerdings.

      Vert.: Sie waren in den Angeklagten sehr verliebt?

      Zeugin: In der letzten Zeit liebte ich ihn nicht mehr, da er gar zu brutal war.

      Hierauf wurde Rittergutsbesitzer v.P. als Zeuge vernommen: Ich habe Fräulein. Bethge auf der Bühne in Berlin gesehen und interessierte mich sehr für sie. Ich habe jedoch niemals schmutzige Beziehungen zu der jungen Dame gehabt. Ich wollte sie in der Hauptsache vor Knitelius schützen. Ich schlug ihr daher vor, ein Jahr aus Berlin fortzugehen, damit sie sich Knitelius aus dem Kopf schlage. Fräulein Bethge war aber nicht zu bewegen, von Knitelius zu lassen. Daß ich mich mit Knitelius geduzt habe, ist eine Lüge. Ebenso ist es unwahr, daß ich dem Knitelius 10000 Mark für Überlassung des Fräulein Bethge angeboten habe. Knitelius hat mir geschrieben, er wolle Fräulein Bethge freigeben, wenn er 10000 Mark erhalte. Da ich ihm das Geld selbstverständlich nicht gab, hat er mir verschiedene Erpressungsbriefe geschrieben, die ich an das Berliner Polizeipräsidium gesandt habe. Knitelius schrieb mir außerdem, daß ich mich des Bruches des Ehrenworts schuldig gemacht habe. Er werde mir die Knochen kaputt schlagen und dafür sorgen, daß ich des Königs Rock werde ausziehen müssen. Ich bemerke, daß ich damals in keinem Militärverhältnis mehr stand.

      Vert.: Haben Sie dem Fräulein Bethge einmal 1000 Mark geschenkt?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: Fräulein Bethge, haben Sie diese Summe oder einen Teil davon dem Angeklagten geschenkt?

      Zeugin: Nein, der Angeklagte hat mir aber einige hundert Mark davon gewaltsam fortgenommen.

      Nitter: Als er noch Detektiv war, habe er die Bethge im Auftrag von Knitelius observiert. Er habe die Bethge in Gesellschaft mit v.P. am Anhalter Bahnhof gesehen und das Knitelius gemeldet.

      Am sechsten Verhandlungstage wurde zunächst nochmals Fräulein Elisabeth Bethge vernommen.

      Vors.: Nitter sagte gestern: Knitelius hätte zu ihm geäußert: Sage Fräulein Bethge, ich sei mit dir in Magdeburg gewesen, damit sie nicht Argwohn hat, daß ich mit einem andern Mädchen verreist war. Hätten Sie Argwohn gehabt, wenn Knitelius an zwei Abenden nicht in Berlin gewesen wäre?

      Zeugin: Nein. Knitelius ist oftmals von Berlin fortgefahren, ohne daß ich etwas davon wußte. Knitelius ist auch oftmals mit anderen Mädchen ausgegangen und gereist.

      Vors.: Es wäre Ihnen also nicht aufgefallen, wenn Knitelius an zwei Abenden nicht in Berlin gewesen wäre?

      Zeugin: Keineswegs.

      Vors.: Sie hatten auch ein Verhältnis mit einem Friseur?

      Zeugin: Ja.

      Vors.: Der hieß?

      Zeugin: Walter Andreas.

      Vors.: Hatte sich dieser Walter Andreas einen Auslandspaß verschafft?

      Zeugin: Ich glaube; es wollte einmal eine ganze Gesellschaft nach Argentinien gehen; ich sollte auch mitkommen.

      Vors.: Hat sich da die ganze Gesellschaft Auslandspässe besorgt?

      Zeugin: Ich glaube; bestimmt kann ich es nicht sagen.

      Der Vorsitzende ersuchte darauf den Kriminalkommissar Klinghammer, bei dem Berliner Paßbureau telephonisch anzufragen, ob und wann auf den Namen Walter Andreas ein Auslandspaß ausgestellt worden und ob dieser Paß ihm etwa gestohlen worden sei.

      Knitelius hat sich nämlich unter dem Namen Andreas Walter in Brasilien aufgehalten.

      Auf Befragen eines Geschworenen bemerkte Fräulein Bethge: Knitelius habe ihr von den ihr von P. geschenkten 1000 Mark 600 Mark aus ihrem unverschlossenen Koffer genommen. Sie habe deshalb sehr geschimpft. Knitelius ärgerte sich augenscheinlich, daß v.P. ihr die 1000 Mark geschenkt hatte. Knitelius habe ihr die entwendeten 600 Mark nach einiger Zeit in Berlin wiedergegeben.

      Der folgende Zeuge war Kriminalwachtmeister Richter (Berlin): Am 28. Oktober 1908 erhielt ich von dem Kriminalkommissar Weiland den Auftrag, nach Knitelius zu recherchieren. Die Photographie von Knitelius war auf dem Präsidium. Ich suchte in den feinen Cafés in Berlin, da mir bekannt ist, daß die raffinierten Verbrecher stets sehr nobel auftreten und in den feinsten Cafés verkehren. Selbstverständlich trifft die Kaffeehausbesitzer hieran keine Schuld. Ich hielt auch in der Wohnung des Nitter, der bis dahin bei seiner Mutter wohnte, Haussuchung. Die Mutter machte auf mich einen ganz vorzüglichen Eindruck. Ich hatte die Überzeugung, daß sie eine hochanständige Frau ist. Es fiel mir auf, daß unter den vorgefundenen Einbruchswerkzeugen schwere Einbruchswerkzeuge, wie sie ganz besonders die Geldschrankknacker haben, nicht vorhanden waren.

      Kellner Baum (Breslau): Ich wohne in Breslau in der Großen Feldstraße. Eines Tages mietete der hier sitzende Nitter bei mir ein Zimmer. Er wohnte etwa sechs Wochen bei mir. Er schlief gewöhnlich bis zehn Uhr vormittags und war auch mehrfach ganze Nächte weg. Wovon Nitter gelebt hat, weiß ich nicht. Er erzählte mir, er könne sehr gut Karten legen und habe damit viel Geld verdient. Die Weiber haben ihn geradezu bestürmt. Eines Tages kam Nitter sehr aufgeregt nach Hause. Er erzählte, er sei in Posen gewesen. Dort habe er mit einem Herrn ein Renkontre gehabt. Er habe den Herrn in die Beine geschossen, sei aber entkommen. Ich sagte: Sie wohnen bei mir unangemeldet. Wenn Sie jemanden erschossen haben, dann wird doch zweifellos nach Ihnen geforscht werden. Machen Sie sich keine Sorgen, sagte Nitter, es wird nichts darauf kommen, ich reise im übrigen sehr bald ab. Eines Tages wurde bekannt,