Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer

Читать онлайн.
Название Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
Жанр
Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783754957998



Скачать книгу

zu erschöpft.

      Vors.: Dann wollen wir Ihre weitere Vernehmung morgen fortsetzen.

      Fräulein Staudinger (Berlin) bekundete alsdann als Zeugin: Die Zimmermann habe ihr erzählt, daß sie Knitelius viel Geld gebe.

      Oberkellner Königsegge vom »Café Maxime« in Berlin bekundete, daß er den Angeklagten im »Café Maxime« oftmals in Gesellschaft des Nitter und verschiedener zweifelhafter Persönlichkeiten gesehen habe.

      Am fünften Verhandlungstage erregte die Aussage des Privatdetektivs Dinger (Berlin) großes Aufsehen. Der Zeuge bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Ich war mit Nitter zusammen in dem Detektivbureau Grützmacher in Berlin. Ich habe Nitter und den Angeklagten, der sich Turban nannte, oftmals zusammen gesehen. Ich wußte, daß der wirkliche Name des Turban Knitelius war. Es war mir bekannt, daß Knitelius und Nitter oftmals Reisen nach außerhalb unternahmen. Sie waren in Frankfurt, Zürich, Braunschweig, Breslau usw. und »drehten dort Dinger«. Wenn sie zurückkamen, hatten beide gewöhnlich viel Geld. Sobald das Geld knapp wurde, verschwanden sie wieder aus Berlin. Nitter hatte stets »Tandelzeug« in der Tasche. Ich sagte ihm einmal, du scheinst verhältnismäßig wenig bei deinen Fahrten zu verdienen. Nitter versetzte: Du kannst doch nicht verlangen, daß der zweite Mann ebensoviel verdient wie der erste. Sobald Knitelius aus Berlin verschwunden war, war auch Nitter nicht in Berlin. Einige Wochen vor dem Magdeburger Morde sagte mir Nitter: Wir wollen eine Reise nach Magdeburg unternehmen und in eine Apotheke einbrechen, wir müssen Gift haben; in Berlin ist in dieser Beziehung nichts zu machen. Nitter stand vollständig unter dem Einfluß von Knitelius, sie hingen wie »Kletten« zusammen. Nitter sagte mir einmal auf meine Vorhaltungen: Ich bin gezwungen, mich dem Willen des Knitelius vollständig zu unterwerfen. Er hat mir gedroht, wenn ich mit ihm breche, dann schießt er mich über den Haufen.

      Knitelius sprang auf und rief in größter Entrüstung: Das ist frech gelogen.

      Vors.: Verhalten Sie sich ruhig, Angeklagter.

      Zeuge: Ich stehe hier unter meinem Eide und habe absolut kein Interesse, etwas Unwahres zu bekunden. Nitter sagte mir: Wenn Knitelius mich ansieht, dann muß ich alles machen, was er mir befiehlt.

      Vors.: Halten Sie Nitter für geistig normal?

      Zeuge: Ich halte Nitter noch heute nicht für geistig normal. Nitter hatte einmal eine schlimme Hand. Wir rieten ihm, er solle zum Arzt gehen, er tat das aber nicht. Augenscheinlich hatte er sich bei einem Einbruch mit dem Bohrer die Hand verletzt.

      Vors.: In welchen Lokalen verkehrten Knitelius und Nitter?

      Zeuge: Im »Café Westminster«, »Café Opera«, »Café Maxime«, »Café Viktoria«, kurz überall, wo in Berlin die feinere Verbrecherwelt verkehrt. Wenn den beiden das Geld klamm wurde, sagte Knitelius zu Nitter: »Edwin, wir wollen wieder auf die Fahrt gehen.«

      Vert.: Woraus entnehmen Sie, daß Knitelius mit Nitter Einbrüche machte?

      Zeuge: Wenn Nitter mit Knitelius aus Berlin verschwand, hatten beide wenig Geld. Wenn sie zurückkamen, hatten sie eine Menge »blauer Lappen« in der Tasche. Wenn man außerdem in Betracht zieht, daß sie beide »Tandelzeug« in der Tasche trugen, dann liegt es doch klar auf der Hand, daß sie Einbrüche unternommen hatten.

      Vors.: Weshalb wurde Nitter von Grützmacher entlassen?

      Zeuge: Weil befürchtet wurde, daß Nitter über kurz oder lang bestraft werden würde, es war aber Grundsatz im Grützmacherschen Bureau, nicht bestrafte Leute zu beschäftigen.

      Angekl.: Der Chef des Grützmacherschen Bureaus, Herr Grützmacher, ist selbst mit zwei Jahren Zuchthaus bestraft.

      Zeuge: Das ist ganz nebensächlich. Vert.: Nebensächlich ist das keineswegs, und zwar um so weniger, da Sie soeben bekundet haben: Es war Grundsatz des Grützmacherschen Bureaus, nicht bestrafte Leute zu beschäftigen.

      Zeuge: Herr Grützmacher lebt gewissermaßen schon längst im Ruhestand, wir haben mit ihm nichts zu tun. Chefin ist Frau Grützmacher, Geschäftsführer Herr Krumme.

      Vert.: Sie standen doch mit der Berliner Kriminalpolizei in Verbindung?

      Zeuge: Jawohl.

      Vert.: Haben Sie der Kriminalpolizei von den verbrecherischen Plänen des Nitter und Knitelius Mitteilung gemacht?

      Zeuge: Ich wußte ja nicht, ob die Pläne ernst waren.

      Vert.: Aus Ihren Aussagen geht jedenfalls hervor, daß Sie die Pläne für glaubhaft hielten. Darauf kommt es an. Ganz besonders hätten Sie doch die Pflicht gehabt, von dem Plane, daß Nitter mit Knitelius nach Magdeburg fahren wollte, um in eine Apotheke einzubrechen und Gift zu stehlen, Anzeige zu machen.

      Zeuge: Ob das Gift zu verbrecherischen. Zwecken dienen sollte, wußte ich nicht. Soweit ich mich erinnere, habe ich Herrn Kriminalkommissar Klinghammer davon Mitteilung gemacht.

      Kriminalkommissar Klinghammer, aufgefordert, sich über die Aussagen Dingers zu äußern, bemerkte: Ich muß zunächst bitten, Herrn Dinger zu fragen, ob ich über meine Beziehungen zu ihm aussagen darf.

      Vors.: Dinger, wollen Sie sich hierüber äußern?

      Dinger: Soweit es mich persönlich betrifft, möchte ich, mit Rücksicht auf mein Geschäft – ich bin jetzt selbständig – dies nicht preisgegeben wissen.

      Der Verteidiger wendete ein, daß ein Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Falle nicht vorliegt.

      Klinghammer: Ich habe bereits gesagt: wir haben Leute nötig, die uns Nachrichten aus der Verbrecherwelt bringen. Das liegt im Interesse des Staates und der öffentlichen Sicherheit. Aus diesem Grunde können wir diese Leute nicht preisgeben. Ich bin mit Nitter oftmals zusammengekommen. Ich war selbstverständlich Nitter gegenüber sehr vorsichtig. Dinger hat mir mehrere Male Mitteilungen über die Pläne von Knitelius und Nitter gemacht. Ich habe auch deshalb Nachforschungen angestellt, konnte aber etwas Bestimmtes nicht erfahren; die Polizeibehörde in Frankfurt a.M. schrieb mir, ihr sei ein Einbrecher oder Hochstapler Knitelius nicht bekannt.

      Vert.: Dinger, wodurch erfuhren Sie, daß Knitelius und Nitter nach Frankfurt a.M. gefahren sind?

      Zeuge: Eines Tages kam Knitelius zu uns ins Bureau und sagte: Wir sollten Nitter bestellen, daß er ihn auf dem Anhalter Bahnhof erwarte, er wolle mit Nitter zusammen nach Frankfurt a.M. fahren. Darauf war Knitelius und Nitter auf einige Zeit aus Berlin verschwunden. Als sie zurückkamen, hatten beide viel Geld.

      Vert.: Was erhielten Sie für Ihre Mitteilungen von der Kriminalpolizei?

      Zeuge: Ich habe niemals Geld von der Kriminalpolizei erhalten. Herr Kriminalkommissar Klinghammer wollte mir immer Geld geben, ich habe es aber zurückgewiesen.

      Vert.: Welches Interesse hatten Sie, der Kriminalpolizei Mitteilungen zu machen?

      Zeuge: Das geschah aus geschäftlichem Interesse. Ich bin Detektiv, da liegt es in meinem Interesse, von der Polizei etwas zu erfahren und ihre Unterstützung zu haben. Meine Beziehungen zur Kriminalpolizei beruhten auf Gegenseitigkeit.

      Kriminalkommissar Klinghammer: Ich kann die Behauptung des Zeugen Dinger bestätigen. Ich kenne Dinger seit 1903 und habe ihn als durchaus anständigen Mann kennengelernt. Er war keineswegs ein gewöhnlicher Vigilant. Er ist überhaupt nicht als Vigilant zu bezeichnen. Auf Befragen des Verteidigers bemerkte Klinghammer: Von der Giftgeschichte habe ihm Dinger nichts mitgeteilt.

      Darauf wurde Nitter in den Saal geführt und ihm die Aussage des Dinger vorgehalten. Nitter bemerkte: Ein Laie kann doch gar nicht wissen, wo in einer Apotheke Gift aufbewahrt wird. Der Herr Provisor Schreyer hat doch außerdem gestern bekundet, daß wir augenscheinlich nach Geld gesucht haben.

      Angekl.: Wenn ich Gift haben will, dann brauche ich bloß ein Rezept zu fälschen, darauf erhalte ich Gift und Betäubungsmittel in jeder