Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

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Название Unternehmenssanierung, eBook
Автор произведения Guido Koch
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Год выпуска 0
isbn 9783811464056



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      Auch soll durch ein Gruppen-Koordinationsverfahren (Art. 61 ff. EuInsVO) eine effektive und abgestimmte Sanierung ermöglicht werden. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei der Koordinationsverwalter ein, dessen Aufgabe primär darin besteht, Empfehlungen auszusprechen und Maßnahmen in Form eines Koordinationsplanes gegenüber den Insolvenzverwaltern der einzelnen Verfahren vorzuschlagen.

      74

      Der Weg des Gesetzgebers bei der Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Sanierung von Unternehmen hat mit der Einführung des ESUG eine bemerkenswerte Wegmarke erreicht. Das ESUG ist, trotz aller Kritik und Verbesserungsmöglichkeiten in der Praxis angekommen und hat die Spielräume für die Unternehmenssanierung erweitert. Mit der Einführung des präventiven Restrukturierungsrahmens, der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und weiteren maßgeblichen Änderungen der Insolvenzordnung, insbesondere der Eigenverwaltung, ist dem deutschen Gesetzgeber nicht nur ein echter Durchbruch zu einem wettbewerbsfähigen Sanierungsstandort in Deutschland gelungen, sondern er hat auch gezeigt, dass er, wenn sich Nachbesserungsbedarf ergibt, handelt. Das stimmt bei allen Unsicherheiten der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen optimistisch. Als Wermutstropfen bleibt, dass es dem Bund wiederum nicht gelungen ist, die Länder von Sinn und Notwendigkeit einer Konzentration der Insolvenzfälle bei einer geringeren Anzahl von Gerichten und einer gezielten Schulung der Richter zu überzeugen. Beim StaRUG, ein kleiner Erfolg, hat dies aber zumindest funktioniert. Wünschen wir uns, dass der Bund dennoch an dieser Stelle beharrlich bleibt.

2. Kapitel Determinanten einer Unternehmenskrise

      1

      In der Betriebswirtschaftslehre wird oft davon ausgegangen, dass ein Unternehmen auf unbestimmte Zeit existiert. Unternehmen werden vielfach als „unsterblich“ angesehen.[1] Indes zeigen die jährlichen Insolvenzstatistiken, dass objektiv betrachtet auch die Existenz von Unternehmen endlich ist. Im Jahr 2018 registrierte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform 19 900 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland.[2] Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Unternehmens beträgt in Deutschland etwa 16 Jahre.[3]

      2

      Einer Unternehmensinsolvenz geht in aller Regel eine Unternehmenskrise[4] voraus, die Betrachtungsschwerpunkt dieses Beitrags ist. Eine Unternehmenskrise lässt sich analog zur Medizin gut mit einem Krankheitsverlauf bei einem Menschen vergleichen. Die Erkrankung wird durch Krankheitsursachen hervorgerufen. Krankheitsursachen bzw. Krisenursachen werden im ersten Abschnitt dieses Beitrags erläutert. Hierzu werden im Folgenden Erkenntnisse aus der empirischen Krisenursachenforschung zur Entstehung von Unternehmenskrisen erläutert.

      3

      Wenn Krankheitssymptome auftreten, wird die Krankheit durch den hinzugezogenen Arzt diagnostiziert. Wie eine Krankheit in der Regel nicht plötzlich ausbricht, so entsteht auch eine Unternehmenskrise ganz selten plötzlich: Der Weg in die Krise ist zumeist ein dynamischer Prozess.

      4

      Im Krankheitsverlauf eines Menschen zeigen sich Symptome als typische negative Auswirkungen einer Krankheit. Auch eine Unternehmenskrise ist anhand von „Symptomen“, z.B. anhand von negativ zu beurteilenden Kennzahlenmustern mit ansteigenden Insolvenzwahrscheinlichkeiten, erkennbar. Wird die Unternehmenskrise indes nach einer entsprechenden Diagnose adäquat bekämpft (therapiert), kann die Unternehmenskrise als Ergebnis der „therapeutischen“ Maßnahmen letztlich positive Auswirkungen haben, z.B. eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit.

      5

      Auf die Therapie, also die Behandlung der Krankheit bzw. die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen für die Unternehmenskrise (Unternehmenssanierung) wird in diesem Beitrag nicht eingegangen.[5]

      6

      In den Rn. 11–47 werden zunächst die Grundlagen von Unternehmenskrisen erläutert. Zunächst wird der Begriff der „Unternehmenskrise“ definiert und typische Verläufe von Unternehmenskrisen werden vorgestellt. Gegenstand der Rn. 48–81 sind die Krisenursachen. Hier werden die in empirischen Studien identifizierten Krisenursachen erläutert. Krisen sind zumeist sehr komplexe Prozesse. Krisen können durch die verschiedensten Sachverhalte ausgelöst werden, die einander u.U. verstärken oder auch abschwächen und daher nicht unmittelbar als Krisenursachen erkannt werden (können).

      7

      In den Rn. 82–231 werden die Methoden zur Krisenfrüherkennung charakterisiert und erläutert. Hierbei wird zwischen Bottom-up- und Top-down-Ansätzen zur Krisenfrüherkennung unterschieden.

      8

      

      Bei den Bottom-up-Ansätzen sind die operativen und die strategischen Ansätze zu unterscheiden, die die Ursachen einer Unternehmenskrise im operativen bzw. strategischen Entscheidungsfeld auszumachen suchen. Die Balanced Scorecard wird als Instrument zur Integration von operativen und strategischen Ansätzen vorgestellt.

      9

      

      Beim Top-down-Ansatz sind die Jahresabschlüsse Ausgangspunkt zur Ermittlung von Unternehmenskrisen. Daher wird vor allem auf die Jahresabschlussanalyse eingegangen. Denn der Jahresabschluss eines Unternehmens umfasst sämtliche Geschäftsvorfälle eines Unternehmens im Geschäftsjahr und spiegelt daher alle Wirkungen von krisenauslösenden Sachverhalten. Er ist zudem, falls er durch eine Abschlussprüfung geprüft ist, eine objektive Informationsbasis und ermöglicht, mit hoher Zuverlässigkeit eine Unternehmenskrise sowie deren Krisensymptom-Muster frühzeitig zu erkennen. Leser, die vor allem an Instrumenten zur Früherkennung von Unternehmenskrisen interessiert sind, seien auf die Rn. 82–231 verwiesen. Diese sind auch ohne eine Lektüre der Rn. 11–81 verständlich.

      10

      In den Rn. 232–259 werden die Auswirkungen einer Krise auf das Unternehmen erläutert. Hier sind die psychologischen Auswirkungen einer Krise der Betrachtungsschwerpunkt. Zum einen werden die negativen Auswirkungen einer Unternehmenskrise auf die Unternehmenskultur und die daraus resultierenden Krisenverstärkungen betrachtet und zum anderen die Gefahren, die sich aus einer Früherkennung einer Krise ergeben können, dass nämlich Früherkennung der Krise zu einer „self-fulfilling prophecy“ werden könnte. In den Rn. 260–269 werden die Erkenntnisse kurz zusammengefasst.

II. Grundlagen von Unternehmenskrisen

      11

      Die individuellen Ziele eines jeden erwerbswirtschaftlichen Unternehmens lassen sich auf die beiden zentralen finanziellen Unternehmensziele zurückführen, nämlich mit dem Unternehmen „Geld verdienen“ (Renditeziel) und das Unternehmen als „Verdienstquelle sichern“ (Risikoziel) zu wollen. Beide finanziellen Teilziele lassen sich zu dem langfristigen Oberziel „Sicherung des Fortbestands des Unternehmens“ zusammenfassen. Unternehmenskrisen sind den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Situationen. Sie machen die Erreichung der beiden