Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

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Название Unternehmenssanierung, eBook
Автор произведения Guido Koch
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Год выпуска 0
isbn 9783811464056



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nach § 270b InsO. Tendenziell werden auch mehr Verfahren nach § 270a InsO im eröffneten Verfahren als Eigenveraltungsverfahren fortgeführt (61,87%) als Verfahren nach § 270b InsO (54,33 %). Auch die Rate der Beendigung von Verfahren durch Aufhebung nach einem bestätigten Insolvenzplan (§ 258) InsO ist bei § 270a InsO-Verfahren (23,9 %) deutlich geringer als bei § 270b InsO-Verfahren (41 %).[34]

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      Der Evaluationsbericht kommt zusammenfassend zu der Einschätzung, dass die neu geschaffenen Verfahrensmöglichkeiten überwiegend positiv aufgenommen wurden. So wurde das Insolvenzplanverfahren mit seinem erweiterten Anwendungsbereich ebenso begrüßt wie die durch das ESUG geschaffene Möglichkeit, in die Rechte von Gesellschaftern einzugreifen. Das Kernziel des ESUG, der Ausbau des Anwendungsbereichs des Insolvenzplans, wurde erreicht. In der Praxis wird der Insolvenzplan als relevanter wahrgenommen. Als wichtige Maßnahmen in Insolvenzplänen werden an erster Stelle Anteilsübertragungen an einen Erwerber genannt, dann Kapitalschnitte und erst an dritter Stelle die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap). Der Debt-Equity-Swap wurde nur wenig genutzt.[35] Das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO hat dagegen trotz der positiven Akzeptanz des ESUG die Erwartungen nicht erfüllt. Das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) wurde – wie schon dargelegt – weniger häufig in Anspruch genommen. Die Praxis ist skeptisch, ob das Schutzschirmverfahren – wie eigentlich beabsichtigt – zu einer früheren Insolvenzantragstellung führt. Vorteile des Schutzschirmverfahrens gegenüber der vorläufigen Eigenverwaltung (z.B. keine Veröffentlichungspflicht im eröffneten Verfahren, der Name „Schutzschirmverfahren“, Wahl des eigenen Sachwalters und einfache Begründung von Masseverbindlichkeiten) werden nicht so hoch gewichtet. Die Praxis scheint eher die Nachteile (vermeintlich höhere Kosten und Zeitdruck zur Vorlage des Insolvenzplans innerhalb von drei Monaten) zu sehen.[36]

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      Das Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht hat im Rahmen einer Studie festgestellt, dass eine nachhaltige Sanierung im Eigenverwaltungsverfahren besser gelingt als in einem Regelinsolvenzverfahren. In 45 % der in der Studie untersuchten Eigenverwaltungsverfahren wurde ein eingereichter Insolvenzplan bestätigt und das Unternehmen damit erhalten. 66 % der befragten Unternehmen gaben an, dass ihnen das Unternehmen nach Durchführung des Verfahrens noch vollständig gehört. Nur 34 % hatten ihr Unternehmen verloren.[37] Zudem ist die Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass in Eigenverwaltungsverfahren eine deutlich höhere Quote für ungesicherte Gläubiger erzielt werden kann, mehr Arbeitsplätze erhalten werden und die Verfahrensdauer wesentlich kürzer ist.[38]

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      Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Eigenverwaltungsverfahren weiterhin nur einen kleinen Teil der in Deutschland durchgeführten Insolvenzverfahren ausmachen. Die Praxis ist überwiegend nicht der Ansicht, dass Eigenverwaltungsverfahren zu häufig in dafür nicht geeigneten Situationen oder bei nicht geeigneten Schuldnern angeordnet werden. Unabhängig davon unterstützt die Praxis Forderungen nach klar definierten Mindestanforderungen („Eigenverwaltungswürdigkeit“) oder Ablehnungsgründen und vereinfachten Möglichkeiten zur Aufhebung des Verfahrens.[39] Zum Zeitpunkt der Befragung sah die Praxis kein Bedürfnis für die Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens, sondern ein solches eher als weitere Option neben den insolvenzlichen Verfahrensarten.[40]

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      Die Umsetzung der Ergebnisse der ESUG Evaluation erfolgten zeitgleich mit der Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens durch Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) am 1.1.2021. Im Rahmen des SanInsFoG (siehe auch gleich Ziffer 4.) wurden wesentliche Änderungen in der Insolvenzordnung eingeführt, insbesondere wurde der Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren nachjustiert und sowohl das Eigenverwaltungsverfahren als auch das Insolvenzplanrecht angepasst. Das SanInsFoG verfolgt das Ziel, Anreize für eine rechtzeitige und konsequente Vorbereitung und Einleitung von Sanierungen zu schaffen. Der in der Anordnung der Eigenverwaltung liegende Vertrauensvorschuss soll nur gewährt werden, wenn das Eigenverwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorbereitet worden ist, bevor es zu dem mit einer akuten Zahlungsunfähigkeit verbundenen Handlungsdruck kommt. Darüber hinaus werden verschiedene bislang ungeregelte Einzelfragen geregelt, wie z.B. die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten (§ 270c Abs. 4 InsO n.F.) und die Haftung der Geschäftsleiter während eines (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahrens (§ 276a Abs. 2 und 3 InsO n.F.).[41]

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      Die Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens und die Frage, wie die diesbezüglichen europarechtlichen Vorgaben (Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20.6.2019) in deutsches Recht umgesetzt werden, traten aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 vorübergehend in den Hintergrund. Gleiches galt für die in der Sache bereits abgeschlossene, aber noch nicht mit einer entsprechenden Gesetzesänderung beantwortete Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011 (ESUG).

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      Mit dem Ziel, zum einen diese beiden Vorhaben abzudecken und zum anderen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die durch die Covid-19-Pandemie bedingte Sondersituation weitere Anpassungen des Sanierungs- und Insolvenzrechts erforderlich macht, veröffentlichte das BMJV am 19.9.2020 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Bereits am 9.11.2020 veröffentlichte daraufhin die Bundesregierung einen auf dem Referentenentwurf aufbauenden Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Am 17.12.2020 hat der Bundestag schließlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung angenommen (SanInsFoG). Das SanInsFoG wurde am 29.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl 2020, Teil I, S. 3256). Kern des SanInsFoG ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG).[42]

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      Das SanInsFoG trat überwiegend bereits zum 1.1.2021 in Kraft. Ausgenommen hiervon sind im Wesentlichen nur die Regelungen zur Veröffentlichung von Restrukturierungsverfahren. Die entsprechenden Vorschriften (§§ 84 ff. StaRUG) treten erst am 17.7.2022 in Kraft. Mit Inkrafttreten der überwiegenden Teile des SanInsFoG und mithin des StaRUG zum 1.1.2021 soll sichergestellt werden, dass insbesondere die von der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen, die z.B. nur buchmäßig überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind, von den im Gesetz vorgesehenen Erleichterungen profitieren und von der Möglichkeit einer außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindenden Restrukturierung Gebrauch machen können.

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      Seit dem 26.6.2017 gilt für alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks eine reformierte Fassung der EuInsVO (VO (EU) Nr. 2015/848). Sie ersetzt die bisherige seit 2002 geltende Fassung (VO (EG) Nr. 1346/2000).

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      Die Neuregelungen spiegeln aktuelle Entwicklungen des Insolvenzrechts wider und sollen für eine effizientere Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren sorgen. Inhaltlich enthält die reformierte EuInsVO Neuerungen zur gerichtlichen Zuständigkeit, erstmalige Regelungen bzgl. Konzerninsolvenzverfahren und ergänzende Regelungen im Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren.

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      Im Folgenden werden wesentliche Änderungen der EuInsVO kurz dargestellt.


- Erweiterung des Anwendungsbereiches; Durch den Vorschlag des Rates wurde die Verordnung auch auf natürliche Personen und Verfahren in Eigenverwaltung ausgeweitet.
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