Название | Handbuch des Strafrechts |
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Автор произведения | Jörg Eisele |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811449664 |
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Subjektiv verlangt § 223 Abs. 1 StGB Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt. Der Vorsatz muss sowohl die Körperverletzungshandlung als auch den Körperverletzungserfolg umfassen.[113] Er setzt Kenntnis der Tatumstände voraus. Ziele und Motivationslage des*der Täters*Täterin sind nicht beim Vorsatz, sondern erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen.[114] Auch „wohlmeinende“ körperliche Misshandlungen oder Gesundheitsschädigungen – wie etwa erzieherische Züchtigungen oder auch die religiöse Beschneidung von Jungen – sind somit tatbestandsmäßig.[115]
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Schwierigkeiten können sich im Einzelfall bei der Abgrenzung des (bedingten) Vorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung handelt der*die Täter*in dann vorsätzlich, wenn er*sie den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht fernliegend erkennt und damit so einverstanden ist, dass die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf genommen oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihr abgefunden wird, auch wenn der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein mag. Bewusste Fahrlässigkeit hingegen liegt vor, wenn der*die Täter*in mit der als möglichen erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, der Erfolg werde nicht eintreten.[116] Um ein bedingt vorsätzliches Handeln annehmen zu können, genügt der bloße Verweis auf die Gefährlichkeit der Handlung und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts grundsätzlich nicht.[117] Ebenso müssen zum Vorsatz besondere Feststellungen getroffen werden, wenn angenommen wird, dass bei Verwendung eines ungefährlichen Gegenstandes – beispielsweise das kräftige Entgegendrücken eines Schnittbrotes mit bewirktem Umknicken eines Fingernagels – ein Verletzungserfolg billigend in Kauf genommen werde.[118] Nur bei äußerst gefährlichen Handlungen kann ausnahmsweise anhand des objektiven Geschehens auf das Vorliegen eines Verletzungsvorsatzes geschlossen werden.[119]
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Für neuerliche Diskussionen zur Frage der Feststellung des Vorsatzes haben in jüngerer Vergangenheit die sog. Raserfälle[120] gesorgt, also illegale Autorennen mit schweren Folgen für die körperliche Unversehrtheit oder sogar mit tödlichem Ausgang. Nach der Rechtsprechung kann selbst in krass gelagerten Fällen mit hochriskanten Verhaltensweisen nicht ohne weiteres von der objektiven Gefährlichkeit des Handelns auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden.[121] Mit dem im Oktober 2017 in Kraft getretenen § 315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen) hat die Diskussion an Relevanz verloren.
b) Qualifikationen wegen besonderer Gefährlichkeit (§ 224 StGB)
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Als Qualifikationstatbestand zu § 223 StGB umfasst die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB Begehungsweisen, die vom Gesetzgeber als besonders gefährlich eingeschätzt werden, da sie die Gefahr erheblicher Verletzungen bergen und/oder die Chance des Opfers beschränken, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen.[122] Zusätzlich zum Grunddelikt muss eines der in § 224 StGB enumerativ aufgelisteten Qualifikationsmerkmale erfüllt sein, wobei in der Praxis vor allem Nr. 2 und Nr. 4 besondere Bedeutung zukommt.
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Bei § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht die Tathandlung in der Beibringung von Gift oder eines anderen gesundheitsschädlichen Stoffs. Gift ist jeder organische oder anorganische Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit schädigen kann (z.B. Salzsäure oder pflanzliche oder tierische Gifte).[123] Andere gesundheitsschädliche Stoffe sind solche, die sich von selbst auf mechanisch oder thermische Weise nachteilig auf die Gesundheit auswirken können (z.B. zerstoßenes Glas oder auch Masernviren[124]).[125] Von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind auch Stoffe des täglichen Bedarfs erfasst, wie beispielsweise Speisesalz in übermäßiger Menge, wenn im Einzelfall eine konkrete Gefahr einer erheblichen Schädigung wegen des Beibringens des Stoffes angenommen werden kann.[126]
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Eine qualifizierte Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt vor, wenn die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begangen wird. Eine Waffe ist nach überwiegender Auffassung ein Gegenstand, der nach seiner Art dazu bestimmt ist, bei Menschen erhebliche Verletzungen zu verursachen.[127] Als gefährliches Werkzeug gilt jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art der Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.[128] Hierunter fallen neben recht evidenten Gegenständen, wie etwa einem Hammer oder einem Küchenmesser, auch an sich unauffällige Alltagsgegenstände, wie z.B. eine Sprühflasche mit Haushaltsreiniger[129], ein Laserpointer[130] oder aber ein Kraftfahrzeug. Bei letzteren muss indes die Werkzeugqualität gesondert geprüft werden, d.h. es ist festzustellen, ob das Fahrzeug auch tatsächlich als Werkzeug verwendet wurde.[131] Das gefährliche Werkzeug bildet bei Nr. 2 den Oberbegriff („andere gefährliche Werkzeuge“).[132] Die Differenzierung zwischen Waffe und Werkzeug ist häufig nicht von Bedeutung;[133] bei Zweifeln über die Waffeneigenschaft ist eine Wahlfeststellung zulässig.[134] „Mittels“ des Werkzeugs wird die Verletzung begangen, wenn sie durch das Werkzeug, also unter dessen zweckgerichteter Verwendung durch den*die Täter*in, verursacht wurde.[135] Nach der restriktiven Linie der Rechtsprechung erfordert dies eine unmittelbare Einwirkung des Gegenstandes auf den Körper des Opfers.[136]
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Die Körperverletzung wird mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen, wenn es sich für das Opfer um einen überraschenden Angriff handelt und der*die Täter*in hierbei seine*ihre Angriffsabsicht planmäßig verbirgt, um dadurch dem*der Gegner*in die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs und die Vorbereitung auf die Verteidigung zu erschweren.[137] Das bloße Ausnutzen des Überraschungsmoments reicht nicht aus.[138] Das planvolle „Fallenstellen“ durch Hereinbitten des Opfers in die Geschäftsräume außerhalb der Geschäftszeiten und das anschließende Alleinlassen im Büro, in welchem weitere Tatbeteiligte warten, soll aber ausreichen.[139]
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Eine Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB liegt vor, wenn der*die Täter*in