Название | Handbuch des Strafrechts |
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Автор произведения | Jörg Eisele |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811449664 |
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Im Rahmen von § 227 StGB ist umstritten, ob die schwere Folge aus dem Verletzungserfolg resultieren muss oder aber auch aus der Verletzungshandlung folgen kann.[176] Die Rechtsprechung bejaht den Zusammenhang bereits dann, wenn der Tod allein auf die Gefährlichkeit der Handlung zurückzuführen ist, z.B. wenn sich beim Zuschlagen mit der Waffe versehentlich ein tödlicher Schuss löst.[177] Dies wird zum einen mit dem Wortlaut der Norm begründet, da die in Abs. 1 genannte „Körperverletzung“ begrifflich den Körperverletzungserfolg sowie die Körperverletzungshandlung einschließe. Zum anderen wird auf den Klammerzusatz (§§ 223–226a StGB) in der Norm verwiesen, der die Versuchsregeln einschließt,[178] bei denen der Erfolgseintritt gerade nicht vorausgesetzt wird. Diese Auffassung hat zur Folge, dass auch eine Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs gemäß §§ 223 Abs. 1, 2, 22, 23 Abs. 1, 227 StGB denkbar ist (versuchtes Grunddelikt, Eintritt der schweren Folge).[179] Ein Großteil der Literatur[180] folgt hingegen der Ansicht der früheren Rechtsprechung[181] und sieht den gefahrspezifischen Zusammenhang nur dann als gegeben an, wenn der Tod auf dem verursachten Körperverletzungserfolg beruht (sog. Letalitätstheorie). Diese Auffassung verweist auf die hohe Strafdrohung, die eine restriktive Auslegung gebiete, sowie darauf, dass der Schutz vor lebensbedrohenden Verletzungshandlungen bereits von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gewährleistet sei. Auch sei der Wortlaut der Norm nicht eindeutig hinsichtlich der Anknüpfungsmöglichkeit auch an die Körperverletzungshandlung.[182]
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Subjektiv setzt § 227 StGB hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge (wenigstens) Fahrlässigkeit voraus, § 18 StGB.[183] Im Rahmen der Fahrlässigkeit spielt in der Regel lediglich die Vorhersehbarkeit des Eintritts der schweren Folge eine Rolle, da die Sorgfaltspflichtverletzung bereits in der Begehung des Grunddelikts zu sehen ist.[184] Die Körperverletzung mit Todesfolge kann auch durch ein Unterlassen in Garantenstellung verwirklicht werden.[185] Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich, dass erst durch das Unterlassen der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen oder erheblich erhöht wird.[186] Unterbleibt beispielsweise eine ärztlich gebotene Behandlung nach einer durch den*die Täter*in fahrlässig herbeigeführten Überdosis an Drogen beim Opfer und verschlechtert sich dessen Zustand weiterhin, so ist das Grunddelikt durch Unterlassen gemäß §§ 223 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB verwirklicht. Mündet der sich verschlechternde Zustand im Tod des Opfers, so genügt dies nach neuerer Rechtsprechung zur Bejahung des gefahrspezifischen Zusammenhangs im Rahmen von § 227 StGB. Es reicht also, wenn der*die Garant*in in einer ihm*ihr vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, der dann zum Tod der zu schützenden Person führt.[187]
e) Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)
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§ 231 StGB stellt die Beteiligung an einer Schlägerei und an einem Angriff mehrerer gesondert unter Strafe. Damit soll zum einen Beweisschwierigkeiten begegnet werden, die sich bei der Rekonstruktion einzelner Verletzungshandlungen innerhalb derart dynamischer Geschehensabläufe ergeben können. Zum anderen wird der Gefährlichkeit und der besonderen Eskalationsgefahr von Schlägereien bzw. Angriffen von mehreren Rechnung getragen.[188] Der Tatbestand setzt das Vorliegen einer Schlägerei, also einer Auseinandersetzung mit gegenseitigen Körperverletzungen zwischen mindestens drei Personen,[189] oder eines von mehreren verübten Angriffs voraus, worunter die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines*einer Dritten zielende Einwirkung von mindestens zwei Personen verstanden wird.[190] Beteiligung i.S.v. § 231 StGB ist nicht technisch als Täterschaft und Teilnahme (§ 28 Abs. 2 StGB) zu verstehen, sondern bedeutet vielmehr die örtliche Mitwirkung. Daher genügt jede physische oder psychische Teilnahme am Tatort.[191] Im subjektiven Tatbestand ist mindestens Eventualvorsatz notwendig.
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Zusätzlich fordert § 231 StGB den Eintritt einer objektiven Strafbarkeitsbedingung (§ 231 Abs. 1 a.E. StGB), auf die sich also der Vorsatz nicht beziehen muss.[192] Danach ist das tatbestandsmäßige Handeln nur dann strafbar, wenn bei der Schlägerei oder dem Angriff entweder ein Mensch zu Tode gekommen oder eine schwere Körperverletzung i.S.d. § 226 StGB eingetreten ist. Zwischen Schlägerei oder Angriff und der schweren Folge muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, allerdings nicht zwischen der individuellen Beteiligung des*der jeweiligen Beteiligten und der schweren Folge.[193] Die Strafbarkeitsbedingung muss nicht durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden sein; es genügt, wenn sie durch eine wegen Notwehr gerechtfertigte Handlung eingetreten ist.[194] Die objektive Strafbarkeitsbedingung schränkt den ansonsten im Hinblick auf die pönalisierte Tathandlung erheblich ausgeweiteten Anwendungsbereich des Tatbestandes deutlich ein.
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Umstritten ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligung an der Schlägerei stattfinden muss. Nach überwiegender Auffassung ist § 231 StGB auch dann verwirklicht, wenn sich die beteiligte Person noch vor Eintritt der schweren Folge vom Tatort entfernt, da es ausschließlich auf die Kausalität der Schlägerei als „Gesamtgeschehen“ ankomme.[195] Demnach genügt es für die Strafbarkeit, dass die Beteiligung einen Beitrag zur Gefährlichkeit bzw. zur Eskalationsgefahr geleistet hat.[196] Nach Ansicht der Rechtsprechung soll eine tatbestandsmäßige Beteiligung aber auch dann noch stattfinden können, wenn die schwere Folge bereits eingetreten ist.[197] Dies ist indes kaum mit dem Schuldgrundsatz zu vereinbaren.[198] Schließlich kann die Beteiligung nicht mehr zur Verursachung der schweren Folge beitragen, wenn diese bereits vorliegt.[199]
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Nach § 231 Abs. 2 StGB entfällt eine Strafbarkeit nach Abs. 1, wenn eine Person an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne dass es ihr vorzuwerfen ist. Die dogmatische Einordnung der nichtvorwerfbaren Beteiligung ist umstritten. Einige Stimmen in der Literatur sehen in Abs. 2 lediglich einen klarstellenden Hinweis des Gesetzgebers auf das mögliche Eingreifen von Rechtfertigungs- (siehe unten Rn. 87 ff.) und Entschuldigungsgründen.[200] Die überwiegende Ansicht sieht hierin allerdings einen atypischen Strafbarkeitsausschluss, der bei Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen bereits den Tatbestand entfallen lässt.[201]
f) Weitere Tatbestände (§§ 225, 226a, 229 StGB)
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Eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB liegt vor, wenn der Körperverletzungserfolg durch fahrlässiges Handeln herbeigeführt worden ist. Es muss also eine Sorgfaltspflichtverletzung ursächlich dafür geworden sein, dass ein anderer Mensch in seiner Gesundheit beschädigt oder körperlich misshandelt worden ist.[202] Für die Bestimmung der im Einzelfall gebotenen Sorgfalt werden die in der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze herangezogen.[203] So kann etwa das unbeaufsichtigte Herumlaufenlassen eines Hundes eine Sorgfaltspflichtverletzung i.S.v. § 229 StGB darstellen.[204] Der Tatbestand des § 229 StGB ist insbesondere wegen des Straßenverkehrs (vgl. dazu noch Rn. 74) von erheblicher praktischer Relevanz. Zudem kommt ihm dort Bedeutung zu, wo vorsätzliches Handeln nicht mit der hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden kann. Gemäß § 230 Abs. 1 S. 1 StGB wird die fahrlässige Körperverletzung ebenso wie die einfache Körperverletzung nur bei Vorliegen eines Strafantrags verfolgt, es sei denn, es besteht