Название | Des Meisters Bartel verlorener Ring |
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Автор произведения | Thomas Spyra |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847657354 |
»Das tut mir leid. Aber immer diese selbstherrlichen Pfarrherren. Vor Gott ist doch jeder Mensch gleich. Zumindest hat dies auch der Dr. Luther in seinen Schriften geschrieben. Ich weiß sowieso nicht wer dies entscheiden soll, ob der katholische oder der evangelische Glaube der Richtige ist. Jedenfalls steht davon in der Bibel nichts drin. Ich halte nichts von den Kirchen. Jeder kann direkt zu seinem Gott beten, so jedenfalls haben wir das in Nürnberg gemacht.«
»Ach, ihr seid ein Freigeist, gar ein Ketzer. Lasst das aber nicht unseren Pfarrer, den Herrn Dekan Johann Georg Speier, hören. Es wurde zwar vom Rat im letzten Jahr ein Erlass herausgegeben, dass die Pfarrer in ihren Reden nicht mehr auf andere Religionen schimpfen dürfen, jeder Mensch solle gleichbehandelt werden, aber von Ketzern steht da nichts drin. Er lässt euch bei solchen Reden mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen. Früher wärt ihr dafür bereits auf den Scheiterhaufen gekommen. Auch hier bei uns, bei den Evangelischen.«
»Nein, ich sag dies ja auch nur zu euch, ich denke ihr seid eine moderne, aufgeschlossene Frau.«
Wie er später erfuhr, hatte man in Windsheim erst vor rund 120 Jahren die letzten 25 Frauen als Hexen verbrannt.
Abrupt stand sie auf.
»Ihr könnt in der Werkstatt unten schlafen, aber macht kein Licht wegen der Nachbarn! Gute Nacht.« Schnell verschwand sie nach oben.
»Gute Nacht! Und nochmals vielen Dank, dass ich bei euch übernachten darf.«
»Ja, ja, ist schon recht so, morgen früh nach dem Garaus-Läuten, ich hoffe ihr wisst, was das ist, gehen wir erst einmal in die Kirche.«
»Ja, ich weiß, was das ist, das Ende der Nacht. In Nürnberg gilt die gleiche Zeit. Hier gehen die Uhren halt ein bisschen anders«, setzte er schmunzelnd hinzu.
Dies war eine Anspielung auf die besondere Zeiteinteilung, die es nur noch in den Reichsstädten Nürnberg, Regensburg, Rothenburg, Schwabach und Windsheim gab.
Die sogenannte Große Uhr oder auch Nürnberger Uhr war im Mittelgiebel des Rathauses in Windsheim unterhalb der astronomischen Uhr installiert worden.
Hierbei wurde der ganze Tag in 24 gleich lange Stunden eingeteilt. Die Arbeitszeit, das ist gleich die Tageszeit, dauerte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Je nach Jahreszeit änderte sich aber die Anzahl der sogenannten hellen und dunklen Stunden. Am Ende der Nacht und am Ende des Tages wurde dann jeweils zum Ausgang groß geläutet - den Garaus. Danach fing man wieder bei Null zu zählen an. Zur Sommersonnenwende waren es dann 16 Stunden Tag und 8 Stunden Nacht; zur Wintersonnenwende genau umgekehrt. Es gab genaue Tabellen, eingeteilt in die Tagleng und die Nachtleng, damit der Glöckner wusste, wie er läuten sollte.
Und so läutete die Glocke jetzt im Herbst auch sechsmal zum Mittag und nicht wie in den meisten anderen Ortschaften zwölfmal.
Als er auf seiner Wanderschaft nach Nürnberg kam, hatte er am Anfang immer Probleme mit dieser eigentümlichen Zeitrechnung aus der alten Zeit. Alle anderen Städte und Dörfer hatten schon auf die neue Zeit umgestellt.
Christoph stolperte nach unten. Viel konnte er nicht sehen im fahlen Mondschein. Es war eine schöne große Werkstatt mit direktem Ausgang zur Gasse. Hier konnte die Kundschaft hereinkommen und dem Meister mit seinen Gesellen bei der Arbeit zusehen. Müde bettete er sich auf einen Haufen mit alten Kleidern und schlief sofort ein.
Anna Maria konnte lange nicht einschlafen. Sie dachte viel über ihr Leben nach. War das alles? Mit 43 Jahren alles vorbei? Wie soll es weiter gehen? Noch etwas mehr als ein halbes Jahr und sie musste eine Entscheidung treffen, wohin sollte sie?
War schon ein fescher Mann, da unten in der Werkstatt. Vielleicht etwas jünger als sie, zu jung? Wie hatte der Stadtschreiber zu ihr gesagt: »Oder ihr findet einen neuen Mann.«
War das die Lösung? War das Gottes Fügung? Aber ich kann ihn doch nicht einfach fragen - oder? Sie kam zu keinem Ergebnis. Was sagen die Kinder, die Nachbarn. Ach was soll´s. Morgen nach der Kirche frage ich ihn. Ich hoffe, er bleibt noch so lange.
Ein herrlicher Morgen, die Sonne lachte, obwohl es schon ziemlich kühl war, es war ja bereits später Herbst. Wahrscheinlich wird es einen frühen Winter geben.
Der Fremde hatte wieder sein Bündel geleert und teilte mit ihnen das Frühstück.
Heute war Sonntag und Markttag, Martinimarkt. Alle Glocken läuteten, riefen zum Gottesdienst. Anna Maria und Christoph stiegen gemeinsam die Treppen zum Lutherplatz hinauf.
»Ich hoffe, ihr seid auch vom rechten evangelischen Glauben, dann könnt ihr mit uns gehen, ich sage den Leuten halt, ihr seid ein entfernter Verwandter.«
»Ja freilich, und es ist schon recht so, wenn ihr es sagt. Aber am Nachmittag lade ich euch alle zu einem Marktrundgang und zu einem guten Krug Bier ein. Und dann mache ich mich auf nach Rothenburg. Ich denke, wenn ich schnell ausschreite oder vielleicht bei jemand mitfahren kann, komme ich noch vor dem Abend dort an.«
»Bei Bentheimers, drunten in der Langen Gasse, gibt es eine Postkutsche«, rief Lena dazwischen.
»Das ist mir zu teuer und ich bin es gewohnt zu laufen«, meinte Christoph.
Nach über zwei Stunden Sitzen in der Kirche tat es gut auf den Markt hinauszutreten. Der Pfarrer hatte heute über den Heiligen Martin von Tours, den Namensgeber dieses Tages, gepredigt. Vor allem soll man maßhalten und teilen, sich nicht der Völlerei hingeben. Hatte doch die Unsitte überhandgenommen das jeder, der es sich leisten konnte, eine gebratene Gans, eine Martinigans, auf den Sonntagstisch brachte.
Bestimmt lud sich aber auch der Herr Pfarrer irgendwo zum Gansessen ein.
Bei den Bäumers briet die Magd schon seit dem Morgen den gerupften Vogel in der Röhre. Die Gänse hatte Anna Maria draußen im Garten, vor der Stadtmauer, groß und fett gemästet.
Auch Lena musste ab und zu einmal hüten, dabei trieb sie die drei Gänse immer in Richtung Eisweiher, allerdings nicht bis ganz hin, sonst wollten sie nicht mehr aus dem Wasser kommen. Öfters ist ihr dies schon passiert und hier nutzte dann kein Rufen und Schreien, sie holte jedes Mal Albrecht zu Hilfe.
Anna Maria konnte zwei der gemästeten Gänse gut verkaufen und die dritte Gans gab es bei ihnen heute zu Mittag.
Das würde ein Festessen geben, besonders die Kinder freuten sich schon darauf.
Nach dem Essen gingen sie dann gemeinsam zum großen Martinimarkt. Auf allen Plätzen und in vielen Gassen priesen fahrende Händler und Bauern aus den umliegenden Dörfern ihre Waren an. Was es da nicht alles gab, alles, was das Herz begehrte. Die Städter und auch die Bauern aus dem Umland deckten sich mit dem Bedarf für den kommenden Winter ein. Natürlich wurden auch viel Tand und unnützes Zeug angeboten. Und Naschwerk für die Kinder. Es war ein buntes Treiben, und überall wurde lautstark um den Preis gefeilscht.
Am Kornmarkt hatten sich offenbar zwei Männer in die Haare bekommen, und die Stadtwache musste die Streithähne trennen. Bestimmt hatte wieder einer der Müller den Bauern um den rechten Preis betrogen. Solche Händel gingen oft für beide nicht gut aus. War das Vergehen gering, kam man mit Stadtverbot und einer ordentlichen Geldstrafe davon. Bei schweren Fällen wurden die Raufbolde dann schon mal zu Kerkerhaft verurteilt, die sie dann in dem kleinen Stadtgefängnis neben der Seekapelle abbüßen mussten.
Christoph suchte sich mit Frau Bäumer am Rande des Kornmarktes eine freie Bank aus und holte für alle einen Krug Bier. Die Kinder konnten einmal daran nippen und mussten sich sonst mit dem Wasser aus dem Brunnen zufriedengeben. Lange hielt es die Beiden sowieso nicht auf dem Platz. Es gab einfach viel zu viel zu sehen. Bartel spendierte für jeden auch noch einen Bratapfel, den ein Bauer über dem Feuer briet und feilbot.
»Setzt euch hier zu mir, ich muss mit euch reden, Herr Bartel«, forderte Anna Maria ihn auf.
Damit deutete sie direkt neben sich auf die Bank.
»Ja