Название | Des Meisters Bartel verlorener Ring |
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Автор произведения | Thomas Spyra |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847657354 |
Ein Thema über Menschenfurcht und Gottesfurcht, über das sich recht gut predigen ließ, noch dazu an so einem Tag. Nach einigen Luther-Liedern setzte der Dekan Johann Georg Neubauer noch einmal eine Predigt aus Römer 1, 16 und 17 drauf:
»Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.« Das Evangelium als Kraft Gottes.«
Die Gemeinde sang daraufhin einige Lieder begleitet von Pauken und Trompeten und anschließend wurde das heilige Abendmahl gefeiert.
Es dauerte wieder einmal viel zu lang. Nach drei Stunden wurden fast alle etwas unruhig. Von sieben Uhr bis acht Uhr läuteten dann alle Glocken der Stadt.
Albrecht beschwerte sich bei seiner Mutter, dass das Geläute viel zu laut sei, ihm tue schon sein Kopf weh. Zugegeben, es war schon ein gewaltiges Gwerch, aber schön war´s doch.
Zu Mittag fand ein großes Festgelage auf dem Markt statt. Die Ratsherren hatten für alle Bratwürste und Bier gestiftet. Der Brauer hatte dafür ein besonderes Festbier gebraut, etwas billiger. Wahrscheinlich leichter als sonst, heller.
Auch der pompöse Ratssaal, sonst für das einfache Volk geschlossen, konnte heute besichtigt werden. Der Stadtschreiber und die Wache achteten sorgsam darauf, dass niemand etwas anfasste.
An der Stirnwand hing auch das ungefähr zweieinhalb mal viereinhalb Nürnberger Ellen große Bild von Andreas Herneisen, dem bekannten Nürnberger Maler, dass die Stadtväter sich 1601 für acht Gulden gekauft hatten. Der Hilfspfarrer Engelein erklärte jedem der es sehen wollte anhand der Bilder den evangelischen Glauben. Hier war auch darauf zu sehen, dass sich der Windsheimer Vertreter in Augsburg ganz hinten eingereiht hatte.
Das Bild war der ganze Stolz der Windsheimer Bürgerschaft. Zeigte es doch, dass auch die kleine Reichsstadt am großen Weltgeschehen teilgenommen hatte.
Christoph schüttelte den Kopf, was für ein Aufwand. Viele der ehrbaren Meister und Gesellen hatten bis zum Abend ein bisschen zu tief in den Becher geschaut. Christoph, der sich zu den befreundeten Meistern gesellt hatte, musste sich erzählen lassen, was die Windsheimer in den letzten 200 Jahren alles durchgemacht hatten.
Man hatte sich damals auf die Seite der anderen Reichsstädte geschlagen und war auch sehr schnell evangelisch geworden. Die kleine Stadt trat an der Seite der großen und mächtigen Stadt Nürnberg dann auch dem Schmalkaldischem Bund bei. Damit waren sie im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen, besonders auch in dem großen 30 Jahre währenden Krieg immer wieder von kaiserlichen katholischen Truppen oder evangelischen Bündnistruppen bedroht. Die meisten Soldaten machten keinen Unterschied, ob man Feind oder Freund war. Hauptsache sie wurden ausreichend versorgt.
Gott sei Dank war die Stadt nie richtig geplündert worden. Meist konnte der Rat die Windsheimer Bürger durch Zahlung einer etwas größeren Summe an Silber davon verschonen. Daher sagt man heute noch, dass viele der Generäle und Offiziere von der Silbernen Kugel getroffen wurden.
Auch Gustav Adolf, der schwedische König, welcher für die Evangelischen kämpfte, zog mehrmals mit seinen Truppen vorbei und verlangte Unterstützung für die gerechte evangelische Sache. Dies bedeutete, die Stadt musste sich immer wieder freikaufen und Einquartierungen hinnehmen, was sie nur durch die Hilfe der reichen Stadt Nürnberg schaffte.
In den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts wütete dann auch noch der Schwarze Tod in der Stadt und im Umland. Teilweise starben täglich zwischen 60 und 70 Personen. Wegen der durchziehenden Truppen fielen einige Ernten aus. Es gab fast nichts mehr zu essen. Und das Wenige, was es noch gab, fraßen die Soldaten.
Die Menschen waren schwach und sehr anfällig für Krankheiten. Nur so lässt es sich erklären, dass so viele der Pest zum Opfer fielen.
Auch der Amtmann auf Hoheneck, einer Burg, die damals dem Nürnberger Burggrafen gehörte, starb in dieser schlimmen Zeit mit seiner ganzen Familie an den Folgen der Pest, und wurde in der Spitalkirche begraben. Viele Namenlose und die einfachen Bürger wurden vor der Stadt auf dem neuen Friedhof in Massengräbern bestattet. Die Einwohnerschaft der Stadt war auf ein Drittel geschrumpft. Aber dann ab den achtziger Jahren ging es, Gott sei Dank, wieder bergauf.
Endlich wieder einmal ein großes Fest. Grund zum Feiern hatten sie alle.
»Prost!« »Prost!«, schallte es von überall her. Es wurde viel getrunken, gelacht und gesungen.
Die Frauen und die Stadtwachen hatten zu tun die angetrunkenen Männer bis zum Einbruch der Dunkelheit nach Hause zu bringen.
Auch Christoph und sein Stiefsohn Albrecht stützten sich gegenseitig auf dem Nachhauseweg.
Die Nachtwache wurde sogar angewiesen den Zechern noch eine Frist, bis zu zwei Stunden nach Sonnenuntergang, zu gewähren.
Die Saat auf den Feldern stand gut. Die Ernte würde dieses Jahr besonders reich ausfallen. Der Bürger- und Zunftmeister Franz Jakobus Merklein war letzte Woche verstorben, und die Stadträte und Bürgermeister sollten einen Vorschlag für einen neuen Bürgermeister beim Inneren Rat einreichen. Die Wahl fiel auf Georg Strampfer, dem Wagnermeister in der Stadt, mit dem Meister Bartel sich inzwischen angefreundet hatte.
In seiner Werkstatt stand es sehr gut. Christoph konnte die restlichen Arbeiten vom Meister Bäumer fertigstellen und viele neue Aufträge waren dazu gekommen.
Besonders aber in seiner neuen Familie hatte er sich gut eingelebt. Lena vergötterte ihn, mit dem Knaben kam er leidlich aus. Dieser trauerte besonders seinem Vater nach, aber den wollte er ihm auch nicht ersetzten. Gut Freund wollte er ihm sein.
Albrecht hatte, wie auch seine Schwester die deutsche Schule, gleich hinter St. Kilian, nicht weit von zu Hause, besucht. Hier wurden die Kinder der Meister und Bürger unterrichtet, welche sich nicht die teuere Lateinschule leisten konnten. Die Mädchen durften nur bis zur vierten Klasse zur Schule gehen, die Buben allerdings hatten sechs Jahre Unterricht.
Der Rat der Stadt ordnete für alle Bürgerkinder bereits vor einigen Jahren die Schulpflicht an.
Besonders gute Schüler der Lateinschule bekamen manchmal sogar ein Stipendium, so wie der Sohn vom Kantor und Organisten, Georg Wilhelm Steller, der in Wittenberg Theologie studierte.
Nachdem Albrecht nun schon einige Jahre in der Werkstatt von Christoph mitgeholfen hatte, wurde es Zeit sich um eine Lehrstelle für den Jungen bei einem der Meister zu bemühen. Der Umgang mit Steinen schien das richtige zu sein für Johann Albrecht Bartel, wie der Sohn des Bäumer nun hieß, oder sollte er ihn doch selbst als Lehrling nehmen? Ich muss mich einmal mit dem Stadtmaurermeister Krauß unterhalten, überlegte sich Christoph. Der wohnte gleich hier am Kornmarkt und sie unterhielten sich öfters über ihre Kinder. Die Buben vom Krauß waren mit Albrecht zusammen zur deutschen Schule gegangen.
Seine Angetraute bereitete ihm viel Freude. Sie kamen sehr gut miteinander aus. Anna Maria verstand es Haus, Hof und Garten in Ordnung zu halten. Oft äußerte sie eigene Gedanken und gab manchmal sogar in Anwesenheit von Gästen politische Meinungen von sich. Sogenannte »gute Freunde« meinten ja, er solle seine Frau besser in Zaum halten. Es schickte sich nicht. Eine Frau hatte öffentlich keine Meinung und schon gleich gar nicht einen politischen Standpunkt zu vertreten. Aber Christoph hatte damit keine Probleme. Er war ein freiheitlich denkender Mensch und dazugehörte auch, dass jeder Mensch seine Ansicht sagen durfte, auch die Frauen. Außerdem war sie guter Hoffnung. Nun endlich. Er freute sich sehr und erhoffte sich einen Stammhalter. Anfang Dezember sollte es so weit sein, hatte sie ihm neulich abends mitgeteilt. Alles in allem, er konnte mit sich und der Welt zufrieden sein.
Anno