Название | Des Meisters Bartel verlorener Ring |
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Автор произведения | Thomas Spyra |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847657354 |
»Seid doch nicht so streng, wir waren doch alle einmal jung und kennen so was, zum Glück können wir es uns doch leisten noch ein zweites Bier zu bestellen«, meinte sein Freund Krauß.
»Man muss den jungen Pferden schon zeigen, wo´s lang geht. Notfalls auch mit der Peitsche«, setzte Franz Jakob Merklein, der seit einigen Jahren Zunft-und Bürgermeister war, hinzu.
»Ich hab´s bestimmt und dabei bleibt es auch! Albrecht kommt für einen Tag nach der Schule zu euch und wird jede ihm zugewiesene Arbeit ausführen. Ich denke das reicht für den angerichteten Schaden«, schloss Bäumer die Diskussion.
Der Sonnenwirt brachte selbst die neuen Bierkrüge, setzte sich zu ihnen, und alle nahmen zufrieden einen tiefen Schluck von dem kühlen, dunklen Bier.
»Morgen zu Himmelfahrt, nach der Kirche, muss ich nach Rothenburg. Der Stadtrat hat mir den Auftrag erteilt genauso neumodische Uniformen für die Stadtwache anzufertigen, wie sie jetzt auch bei den Wachen in Nürnberg, Rothenburg und Dinkelsbühl üblich sein sollen. Aus dünnerem Stoff, nicht so dick wie unsere Uniformen, damit unsere Soldaten nicht mehr so schwitzen. Dass ich nicht lache, die Kerle sollen weniger Bier trinken, dann wird´s ihnen auch nicht so schnell warm«, setzte der Zeugmachermeister die Unterhaltung fort.
Von allen Türmen riefen die Glocken zu Mittag, Zeit für ein ordentliches Mahl. Die Freunde bezahlten, verabschiedeten sich, und schlenderten nach Hause.
»Bum, bum, bumdabum, bum bum ....«, hörten sie die Trommel rufen.
Der Knecht vom Wagnermeister kam ihnen ganz aufgeregt entgegengelaufen und brüllte: »Schnell schickt die Buben nach Hause, die Werber kommen.«
Die Männer rannten eilig nach Hause und nahmen ihre Kinder mit. Merklein, der einige Häuser weiter wohnte als die Bäumers, schimpfte noch:
»Seit wir dem Kaiser Soldaten geben müssen, nimmt das überhand, ständig ziehen die Werber vorbei und unser feiner Herr Oberrichter, der von Keget, lässt die auch noch rein, wahrscheinlich bekommt er für jeden Soldaten, den die Stadt stellt, ein Handgeld.«
»Beruhige dich, daran kannst du doch nichts ändern«, meinte Johann Georg zu ihm. Aber sein Freund hatte ja recht, dachte er bei sich.
»Warum kann man da nichts ändern?«, fragte ihn sein Sohn.
»Seit der Verabschiedung der Reichskriegsverfassung 1681 legen sich alle Herren, auch die mit den kleinsten Gebieten, eine stehende Armee zu. Das heißt, es gibt nun immer Soldaten, auch im Frieden. Selbst die Bürgermiliz in unserer Stadt Windsheim hat sich zwei Fahnenhaufen, einen Roten und einen Blauen, zu je zwei Hauptmannschaften, zugelegt. Du weißt ja auch, dass wir zwei Fähnriche, 10 Korporale und einen Stadtmajor haben. Im Rathaus gibt es sogar eine extra Kriegsstube, in der auch der Muster-Schreiber Quartier hat. Hier wird dann festgelegt, wie sich die Einwohner im Kriegsfall zu verhalten haben, und zu welchem Haufen sie gehören. Wir gehören zur blauen Fahne.«
»Muss da jeder hin?«
»Bei Krieg ja, aber im Frieden lässt du dich besser nicht mit dem Muster-Schreiber oder einem der Offiziere ein, sonst haben sie dich gleich am Schlafittchen. Wenn fremde Werbeoffiziere kommen, und wenn sie noch so schön trommeln, rennst du so schnell wie möglich ins Haus und lässt dich nicht mehr sehen, bis sie weg sind. Hast du einmal das Handgeld genommen, kann dir keiner mehr helfen. Dann musst du in den Krieg, oder irgendwo für einen fremden Herrn dienen und deinen Kopf hinhalten.«
Schnell schlossen sie hinter sich das große Hoftor.
Am nächsten Morgen richtete Johann Georg schon vor dem Kirchgang den Wagen her. Der neue Wagen war sein ganzer Stolz. Da hatte sich doch der Wagnermeister Strampfer schon etwas Besonderes einfallen lassen. Die Seitenwände waren aus Weiden geflochten. An sechs Stangen, die seitlich in Ösen gesteckt werden konnten, ließ sich eine Plane gegen den Regen darüber spannen. Freilich taugte dies nicht zum Mistfahren oder für andere grobe Arbeit. Aber er konnte es sich leisten einen zweiten Wagen, in dem man zusätzliche Bretter zum Sitzen einschieben konnte, anzuschaffen. Und heute sollte es zum ersten Mal weiter weggehen. Eine Tagesreise von Windsheim bis nach Rothenburg und zurück. Es wird bestimmt spät werden, dachte er. Ich muss noch mit der Wache am Rothenburger Tor reden, damit diese später noch aufmacht. Das wird ein Festausflug. Die ganze Familie freute sich schon darauf.
Nach der Kirche, die wieder einmal viel zu lange gedauert hatte, ging er in den Stall um seine zwei prächtigen Pferde herauszuführen. Warum war der Braune heute nur so unruhig und zog das rechte hintere Bein nach. Bestimmt hatte er sich wieder etwas eingetreten, was sehr oft vorkam bei den verschmutzten Wegen. Er zog das Bein hoch und sah, dass sich sein brauner Hengst einen Dorn eingetreten hatte. Beim Versuch diesen Dorn heraus zu ziehen zuckte das Pferd vor Schmerz zusammen und schlug nach hinten aus. Der scharfe Huf traf seine Hand, ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte ihn. War seine Hand zerschmettert? Nun drückte das Pferd mit seinem Hinterteil auch seinen rechten Arm über die Deichsel. Er brüllte auf und das Pferd machte einen jähen Satz nach vorne.
»Au, auaaa! Hilfe! Hilf mir Maria, Anna Maria«, stöhnte er laut und krümmte und wand sich am Boden.
Seine Frau, die hinten am Wagen gerade die Decken für die Fahrt herrichtete, kam entsetzt angelaufen als sie die Schreie hörte.
»Was ist dir? Oh mein Gott. Schnell, lauf zum Bader«, rief sie nach hinten ihrem Sohn zu.
Eilig zog sie ihre Schürze aus, riss sie in Streifen und verband ihren Mann notdürftig. Die Hand hing nur noch wie eine blutige Masse am Arm. Hand und Arm waren mehrfach gebrochen. Der herbeigeeilte Bader flickte ihn so gut es ging zusammen.
Es war unerträglich, nach einigen großen Gläsern Obstler stöhnte er nur noch und merkte nicht mehr, wie sie ihn ins Haus trugen.
Anno 1725 - Vor dem Stadttor
Es war schon eine traurige Gesellschaft, die da zum Rothenburger Tor hinauszog. Vorne weg ein Hund, schmutzig und zottelig, schon lange nicht mehr gestreichelt. Zwei Buben zogen eine einfache Holzkarre. Gleich dahinter drei schwarz verhüllte Gestalten, der Größe nach könnten es eine Frau und zwei Kinder sein. Eine Handvoll Frauen, alle in ihre Kopftücher gehüllt, schlossen sich dahinter an. Sie geleiteten den in einer schwarzen, grob zusammengezimmerten Holzkiste liegenden und vor drei Tagen verstorbenen Schneidermeister Johann Georg Bäumer weit vor das Stadttor hinaus hinter den neuen Friedhof.
Hier mussten sie schon drei ihrer Kinder, alle tot geboren und ungetauft, verscharren. Zwei Weitere waren im Alter von ein und zwei Jahren und schon getauft, vorne im Familiengrab der Bäumers begraben worden.
Ob der Meister mit Absicht oder aus Versehen vom Rattengift getrunken hatte, wurde nie offenbar. Jedenfalls galt er als Selbstmörder und diese Menschen durften nicht mit den ehrbaren Toten auf dem Friedhof bestattet werden. Der Gehilfe des Totengräbers hatte schon eine Grube ausgehoben und schnell wurde der einfache Holzsarg hinabgelassen und polternd mit Erde zugefüllt. Keine tröstenden Worte, keine Lieder, nur das stille Gebet der Witwe mit ihren zwei Kindern, einem Bub und einem Mädchen. Schon musste die Trauergesellschaft wieder den Rückweg antreten. Der Rat der freien Reichsstadt Windsheim, und besonders der Pfarrherr, bestimmten dies so.
Zuhause angekommen setzte sich Frau Anna Maria mit ihren Kindern Lena und Albrecht an den großen Tisch in der Werkstatt, um zu besprechen, wie es weiter gehen sollte. Zum Totenmahl war keine Zeit und außerdem hatten sie auch fast nichts mehr zum Essen. Seit der Meister vor über einem Jahr beim Einspannen der Pferde den Unfall hatte und auch alle Hilfe im Spital erfolglos blieb, war Schmalhans ständiger Gast im Hause Bäumer.
Die Flickschneiderei, welche die Frau Meisterin nun gemeinsam mit ihren Kindern weiter betreiben musste, lag im Erdgeschoss des Bürgerhauses in der Rothenburger Beigasse, gleich neben dem Kornmarkt. Alle Arbeit, auf den wenigen kleinen Äckern hinter der Winterung, die ihnen gehörten, und im Garten vor der Stadtmauer rechts neben dem Rothenburger Tor, sehr günstig im Wallgraben am Gänsbrunnen gelegen, lagen nun schon seit Wochen in den Händen der Witwe, ihrer sechsjährigen Tochter und dem vierzehnjährigen