Название | Der Hafen meiner Träume |
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Автор произведения | Eberhard Schiel |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847615163 |
Peters Mutter hat ein Einsehen mit ihrem Jungen. Sie schreibt an die Westverwandtschaft, ob sie von drüben nicht ein Koffer-Radio schicken könnten. Ihr Peter hat solche Sehnsucht nach Westmusik. Frau Demmin ist eine hilfsbereite Frau. Sie holt ihrem Peter das Fahrrad aus dem Keller, sie fragt ihn, ob er sonst noch irgendwelche Wünsche hätte, und so. Wenn er aus der Schule eine schlechte Zensur nach Hause bringt, sind die Lehrer daran schuld. Mein Freund Peter lebt sorgenfrei. Nun kriegt Peti auch noch das gewünschte Koffer-Radio, eine tragbare Musik, leicht zu bedienen. Frau Demmin erteilt ihm die Ausgeh-Erlaubnis, nach dem Abendbrot noch ein Stündchen mit dem neuen Koffer-Radio von Nordmende spazieren zu gehen. Uwe und ich dürfen ihn begleiten. Peter stolziert stracks über den Weidendamm zum UT-Kino in die Frankenstraße. Dort ist an der Frontseite des Gebäudes ein dickes Stromkabel angebracht. Aha, sagt Peter. Hier stellen wir uns auf. Er schaltet das Radio ein, dreht an der Scheibe, ich höre Radio Luxemburg. Einwandfreier Empfang. Ohne Schwankung. Es ist genau 20.45 Uhr. Eine halbe Stunde Cliff Richard und Elvis Presley. Wir stehen wie angewurzelt, wie vor einem Tempel. Viele Leute gehen an uns vorbei. Sie kommen vom letzten Hiddensee-Dampfer, von der Wasserstraße, der Heilgeiststraße, der Langenstraße und unteren Frankenstraße, etliche wollen in die Abend-Vorstellung zum UT. Echt stark. Uwe sagt, Peter, wir sind stolz auf dich. So viel Publikum. Ja, sagt er trocken. Hoffentlich ist kein Lehrer dabei. Nein, es ist kein Lehrer dabei, dafür ein paar Mädchen. Peter macht ihnen schöne Augen. Das kann er. Ein Mädchen bleibt stehen. Sie bestaunt das Radio. Und schaut verliebt zu Peter. Sie sagt, ich heiße Ethel. Schöner Name, sage ich. Ethel, das klingt irgendwie jüdisch. Oh, sagt sie, du kennst Dich aus in Mädchennamen? Laß ab, meine Gute. Ich mache mir keine Hoffnungen. Alle wollen sie nur den Peter mit den traurigen Augen. Das kennt man doch, haben es x-mal erlebt. Wir sind zweite Wahl, der Uwe und ich. Wir nehmen, was übrig bleibt, und Peter zieht immer den Hauptgewinn. So wird es Morgen auch wieder laufen, wenn wir uns mit Ethel und ihren Freundinnen auf dem Rummel treffen. Ich muß mir was einfallen lassen, womöglich eine Heldentat vollbringen, ansonsten geht mir Ethel durch die Lappen.
In der Nacht stehe ich am Marterpfahl, umringt von einem Stamm der Apachen. Sie wollen mich töten. Warum? Was hab` ich verbrochen? Ich höre die Anklage, alles auf Indianisch, ich verstehe kein Wort. Sie verstehen mich nicht, und ich verstehe sie nicht. Häuptling Rotes Auge straft mich deswegen ab. Er wirft mir einen vernichtenden Blick zu, zieht schon an der Sehne seiner Armbrust, kneift das Auge zu, da kommt im letzten Moment Old Shatterhand angeritten. Er ruft: Halt! Was macht ihr da. Kämpft ihr neuerdings gegen Feiglinge? Das ist doch ein armes Würstchen aus Stralsund. Seht Euch doch nur seine dünnen Beine an, und die schwachen Arme. Keine Muskeln, nur schlotternde Knie. Der wiegt noch nicht mal 50 Kilo. Er zittert vor Angst. Bindet ihn sofort los. Ein Apache kämpft nicht gegen Kinder und Feiglinge. Old Shatterhand blinzelt mir zu. Die Indianer binden mich tatsächlich los, weil ich ein Feigling bin. Ein schwerer Schlag gegen meine Ehre. Aber was soll man machen. Sie sind in der Überzahl. Ich trotte gesenkten Hauptes an den Rothäuten vorbei. Wie ein verprügelter Coyote.
Am nächsten Morgen wache ich mit Bauchschmerzen auf. Der Traum vom feigen Hanseaten liegt mir noch schwer im Magen. Ich will aber kein Feigling sein. Ich suche nach einem Plan, der mich zum Helden macht. Auf einmal die Erleuchtung. Ja, das ist es. Auf dem Rummel ziehe ich eine Show ab, die sich gewaschen hat. Uwe und Peter werden den Mund aufsperren. Das hätte ich von Punne nicht gedacht, werden sie sagen. Ich höre nämlich neuerdings auf den Namen Punne. Meine Mutter sagt Bübi zu mir, mein Cousin Charly sagt Charly zu mir, seine Mutter nennt mich Buba, Peters Schwester sagt Schilli zu mir, und Peters Vater sagt Schieli. Mir egal, wie sie mich rufen, Hauptsache ich bin kein Feigling. Also, los auf den Rummel. Da warten drei fesche Mädchen auf uns. Punkt 15 Uhr sollen wir an der Losbude Karo-As sein. Wir sind pünktlich. Da stehen sie auch schon. Ethel trägt einen Pferdeschwanz, in den sie ein buntes Niki-Tuch hinein gebunden hat. Sehr schick. Dazu ihr verführerisches Lächeln. Zum Anbeißen. Ich begrüße die jungen Fräuleins mit Handschlag, führe sie zum Kettenkarussell, sage, steigt ein, diese Runde geht auf meine Rechnung. Sie schauen sich verwundert an. Wir besetzen sechs Sitze hintereinander. Vor mir nimmt Ethel Platz. Die Fahrt geht los. Das Karussell dreht sich. Ich greife in der ersten Kurve nach Ethels Sitz, ziehe ihn an mich heran, steuere sie in den Himmel hinein. Sie kreischt vor Lust. Ich nicke ihr zu. Macht Spaß, nicht? Da passiert es. Bei der nächsten Einkreisung. Die Fliehkraft hebt mich aus dem Sattel. Ich rutsche durch die Kette, die Beine hängen frei in der Luft, meine Hände halten krampfhaft den Stuhl meiner Angebeteten fest. Ethel schreit auf. Der Besitzer des Karussells zieht die Notbremse. Wir landen auf der Plattform. Einige Zuschauer sind entsetzt, andere feixen, einer meint, das ist vielleicht ein Angeber, will seinem Mädchen imponieren und legt dabei eine Bruchlandung hin. Der Chef des Karussells schimpft mich auch aus. Du verdammter Bengel, sagt er. Laß Dich hier nicht wieder blicken. Ethel ist sauer. Sie will nun überhaupt nichts mehr von mir wissen. Man ist eben bei ihr unten durch. Sie läuft direkt Peter in die Arme, wird von ihm getröstet, ich haue ab. Peter und Ethel sind für einige Monate ein Paar, aber dann hat Peter herausgekriegt, daß die Ethel auch mit anderen Jungens flirtet. Nun ist die Welt wieder in Ordnung. Unser Trio bleibt zusammen.
7. Kapitel: Zeitungsschau mit einem Maikäfer
Heute ist ein blöder Tag. Ich sitze allein in der Mansarde. Vor mir liegen die Schulhefte. Ich komme nicht weiter mit dem Aufsatz, in dem man beweisen soll, daß die Kunst zu den Waffen gerechnet werden muß. Die Deutsch-Lehrerin, Fräulein Mittelstädt, hat uns das Thema eingebrockt. Ich kann damit nichts anfangen. Wir haben auf dem Hühnerberg schon allerhand Waffen ausprobiert, angefangen vom Katapult über den Flitzbogen bis hin zum Blarohr, aber mit der Kunst haben wir noch nie gefochten. Nun so etwas. Nur, weil der deutsche Arbeiterdichter Erich Weinert, der die Kunst als Waffe versteht, nicht auf dem Hühnerberg gewohnt hat. Ich schiebe das Deutschheft zur Seite, öffne das Fenster, stelle das Radio an und höre aus Protest Westmusik. Damit locke ich einen Maikäfer an. Er fliegt, ohne das Herein abzuwarten, gleich auf den Tisch. Ich schaue ihn mir genauer an, bestimme seinen Dienstgrad, salutiere, denn es ist ein Kaiser. Ihm ist es draußen zu kalt geworden. Das Thermometer zeigt nur 10 Grad an. Ja, was macht Seine Majestät denn hier. Er nimmt das Neue Deutschland als Wanderweg an. Mein Bruder liest nämlich neuerdings das Zentralorgan der SED. Er braucht es, wir noch nicht, und der geflügelte Kaiser interessiert sich auch dafür. Er krabbelt über die Titelseite. Gestatten, Majestät, daß ich Majestät bei der Zeitungsschau begleite, sage ich zum hohen Tier. Ich darf meinem Wunsch Ausdruck verleihen, Majestät, daß Majestät nicht all zu sehr erschrecken über die Sprache, die in diesem Organ zum Ausdruck gebracht