Die Sozialdemokratie. Karl Glanz

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Название Die Sozialdemokratie
Автор произведения Karl Glanz
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783750231153



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      Mit der Erkenntnis Otto Bauers, dass nun mal nicht beides zu haben sei, Mieterschutz und privater Wohnungsbau, machten die Sozialisten aus der Not eine Tugend. Sie nutzten die kurz davor erreichte Steuerhoheit von Wien um mit der so genannten “Breitnersteuer“, die vor allem das begüterte Bürgertum traf, einen beispiellosen kommunalen Wohnungsbau zu finanzieren.

      Die Gemeindebauwohnungen selbst wurden mit getrennt begehbaren Zimmern geplant, die eine bestmögliche private Nutzung der einzelnen Räume erlaubte. Privater Wohnraum wird also immer mehr als Fluchtort vor der ständigen Definition der eigenen Rolle und des Selbst gegenüber Fremden. Mit den Gemeindebauten wurde versucht, Nachbarschaft als heile Gegenwelt zur Unterdrückung der industrialisierten Arbeitswelt der Wiener ArbeiterInnen zu schaffen. Während dies in der Zwischenkriegszeit bedeutete, dass relativ homogene Gruppen ein lokales “Wir“ herausbilden konnten, bedeutet es heute, dass die gemischten Gruppen mit unterschiedlichen Funktionen kaum aufeinander zugehen werden, sich auf ihre Privatheit beziehen. So wird heute Nachbarschaft wohl von vielen eher als beengende soziale Kontrolle gesehen, weniger jedoch als wünschenswerte Gemeinschaft. Dieses Phänomen wird sichtbar am Beispiel der WohninspektorInnen: “Die Wohninspektoren, als Vollzugsorgane der Gemeinde Wien, achteten bei ihren regelmäßigen Kontrollen auf den ‚pfleglichen Umgang’ der Stiegenhäuser, der Höfe und der Grünanlagen. Aber auch der neue Privatbereich der Arbeiter selbst, die Wohnungen war Gegenstand einer permanenten Kontrolle durch die Gemeinde. Das Selbstverständnis, mit dem die Bewohner dieser neuen Wohnungen diese Kontrolle zulassen, lässt auf einen noch unsicheren Umgang mit diesem neuen Wert der ‚Privatheit’ schließen“.

      “Wiener Wohnen“ ist die Wohnhäuserverwaltung der Stadt Wien. Mit der Ausgliederung aller Liegenschaften der Wiener Gemeindebauten mit ihren 220 000 Wohnungen und den Grünanlagen in die Privatgesellschaft “Wiener Wohnen“ hat die Rathaus-SP die Rahmenbedingungen geschaffen, um das legale Abzocken der ArbeiterInnen in den Gemeindebauten zu ermöglichen.

      Unter der Regie heutigen Rathaus-SP macht die “Wiener Wohnen“-Kapitalgesellschaft das Wohnen in den Gemeindebauten zu einem ausgesprochenen “Luxus“. Die Mieten in den Gemeindewohnungen fressen im Schnitt 45 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der ArbeiterInnen auf. Bei den niedrigen Einkommen der Alleinerziehenden, PensionistInnen, Teilzeit- und atypisch Beschäftigten liegt die Miete der Gemeindewohnungen weit über 60 Prozent des Einkommens.

      Im Jahr 1962 betrug die Miete einer 80m²-Gemeindewohnung bei einem durchschnittlichen Nettoverdienst von 1600 Schilling um die 200

      Schillinge; das macht 13 Prozent vom Einkommen aus. Im Jahr 2008, beträgt die Miete für die gleiche Gemeindewohnung, bei einem Einkommen von 1050 Euro, über 560 Euro. Das sind in dieser Wohnungskategorie über 53 Prozent. Es sind 185.000 Menschen betroffen, die zwei Drittel ihres Nettoeinkommens der Gesellschaft “Wiener Wohnen“ überlassen müssen. Heute sind die Mieten noch höher, nicht zuletzt müssen die MieterInnen diese unsagbar unnötige und teilweise recht tragbare Renovierung der Häuser zahlen, die bis zu € 100.- pro Monat kostet und das in einem Zeitraum von 10 Jahren.

      Tausende Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, müssen sich Monat für Monat um Unterstützungsgelder anstellen und darum betteln, dass sie sich den „Luxus“ Wohnen leisten können. Seit der Gründung der Gesellschaft “Wiener Wohnen“ sind Verarmung und Obdachlosigkeit in Wien sprunghaft und unübersehbar angestiegen. Die Zahlen hierfür werden nicht veröffentlicht, um dem Image der Wiener SP nicht zu schaden.

      Auch die Gewinne von „Wiener Wohnen“ werden geheim gehalten. In die

      Geschäfte mit dem gehorteten Kapital ist nur ein kleiner Kreis der Wiener Sozialdemokratie eingeweiht.

      Die Renditemöglichkeiten steigen nur langsam. Freifinanzierter privater Wohnungsbau findet eigentlich nur im Hochpreis Segment statt. ArbeiterInnenwohnungen werden, wie schon vor dem Krieg, alleine von der öffentlichen Hand gebaut, diesmal aus den Mitteln der Wohnbauförderung finanziert. Neben dem Gemeindebau werden auch Genossenschaftswohnungen gebaut.

      Als stellvertretende Eigentümerin der größten Wohnungsgesellschaft gibt die Wiener SP den Ton an, wenn es um die Profite am Wohnungsmarkt geht. Folglich ist sie mit ihrer Gesellschaft “Wiener Wohnen“ für die Steigerung der Mieten und die explosionsartige Gewinne der Hauseigentümer verantwortlich.

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      Als "Rotes Wien" wird die Zeit von 1918 bis 1934 bezeichnet, als die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs bei den Wahlen zu Landtag und Gemeinderat wiederholt die absolute Mehrheit erreichte. 1923 löste Karl Seitz Jakob Reumann als Wiener Bürgermeister ab und begann mit dem berühmten sozialen Modernisierungsprojekt für die österreichische Hauptstadt. Die sozialdemokratische Kommunalpolitik dieser Jahre war geprägt von umfassenden sozialen Wohnbauprojekten und von einer Finanzpolitik, die neben dem Wohnbau auch umfangreiche Reformen in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik unterstützen sollte. Das "Rote Wien“ endete 1934, als Bürgermeister Karl Seitz infolge des österreichischen Bürgerkrieges seines Amtes enthoben und verhaftet wurde und die aus der Christlich sozialen Partei (CS) hervorgegangene Vaterländische Front (VF) auch in Wien die Macht übernahm. Für die Anklage wegen "Hochverrats“ gab es allerdings keine Beweise. Aus Protest gegen das autoritäre Regime führte Seitz nun bis nach 1938 öffentliche "Spaziergänge“ gemeinsam mit der Wiener Bevölkerung durch. 50 Jahre nach Gründung der Sozialistischen Partei trat die Schwäche des Staates, gegen den der österreichische Sozialismus seinen Kampf zu führen hatte, verdankte er zeitweilig seine außerordentlichen Möglichkeiten und Erfolge; aber die in Etappen vor sich gehende Zersetzung, Auflösung, Zerbröckelung dieses Staates hatte zur Folge, dass jede der großen Leistungen des österreichischen Sozialismus in einer Katastrophe des Staates unterging, die den österreichischen Sozialisten ihren bis bisherigen Kampfboden entzog und sie immer wieder zwang, auf neuem Boden mit neuen Problemen zu ringen, neue Aufgaben zu bewältigen. Sie entwickelte sich in den 1890 Jahren überaus schnell. Sie wurde in den Stürmen des Wahlrechtskampfes zu einer großen Partei. Aber ihr Aufstieg war eine Teilerscheinung der vor sich gehenden Demokratisierung des öffentlichen Lebens, die das alte Österreich Unterwühlen und sprengen musste. Denn dieses alte Österreich hat nur bestehen können, solange nur Feudaladel und Großbürgertum auf der Bühne des öffentlichen Lebens agierten; es wurde durch die Machtkämpfe der acht der Dynastie unterworfenen Nationen Zerrissen und zersprengt, sobald mit den Massen die Nationen selbst die Bühne der Geschichte betraten. Die österreichische Sozialdemokratie, die deutsche und tschechische, polnische und ukrainische, italienische und südslawische Arbeiter in ihren Reihen vereinigte, stand seit der Mitte der 1890er Jahre dem aufgewühlten Nationalismus der klein- und mittelbürgerlichen Massen der im wildesten nationalen Kampfe gegeneinander ringenden Nationen des Habsburgerreichs gegenüber. Dass sie allein die Proletarier aller Nationen des Reiches in einer Partei zusammenzuhalten vermochte, während das Bürgertum durch die nationalen Gegensätze zerrissen und zerklüftet war, war eine Quelle ihrer Kraft und ihres Stolzes. Dass sie allein den Machtkämpfen der Nationalisten aller Nationen des Reiches ein Programm der Lösung der nationalen Probleme durch die Freiheit aller entgegenzusetzen vermochte, war eine werbende Tat. Dieser ihrer außerordentlichen Stellung innerhalb des Reiches verdankte die Partei ihren Sieg im Wahlkampf. Aber diese ihre außerordentliche Stellung vermochte sie nicht dauernd zu behaupten. In der Atmosphäre der sich von Jahr zu Jahr verschärfenden nationalen Kämpfe drangen nationalistische Stimmungen und Strömungen auch in die Arbeiterklasse ein.

      So war der österreichische Sozialismus im Jahre 1918 vor eine ganz neue Aufgabe gestellt. Das Reich, auf dessen Boden er sich entwickelt hatte, bestand nicht mehr. Die Probleme des alten Reiches, um die er gerungen hatte, waren mit dem Zerfall des alten Reiches verschwunden. In einem zu furchtbarem wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess verurteilten Kleinstaat hatte der österreichische Sozialismus Aufgaben ganz anderer Art zu lösen. Er hat die junge Republik gegründet und durch die Lebensgefahren ihrer Anfänge hindurchgeführt. Durch den Aufbau der Volkswehr in den Anfängen, des Schutzbundes in den späteren Jahren der Republik hat er die Arbeiterklasse mit dem Geist revolutionärer Wehrhaftigkeit erfüllt. Er