Dame ohne König. Sigrid Ellenberger

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Название Dame ohne König
Автор произведения Sigrid Ellenberger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847652700



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einen kleinen Anflug von Stolz. Und Glück.

      Ja, nach sehr langer Zeit war ich wieder glücklich. Und das hatte nichts mit einem Mann zu tun. Na ja, nicht direkt!

      18 Uhr 30 (wieder zwischen Kisten und Kästen)

      Ich machte mich, zu Hause angekommen, sofort daran, den „Müllberg“ zu studieren, eine Zeitung, in der man vom Partner bis zum Trödel alles fand. Ich beschloss, mir einen eigenen PC und die dazugehörigen Übersetzungsprogramme zu kaufen, möglichst gebraucht.

      Im „Müllberg“ gab es allerhand Auswahl an Computern und Zubehör. Für mich hörten sich die meisten davon an, als wären es spanische, nein, chinesische Dörfer. Ich war zwar seit ein paar Jahren nicht mehr in der Arbeitswelt zuhause, hatte aber den Eindruck, man hätte mich direkt in ein neues Jahrtausend gebeamt. Wie in „zurück in die Zukunft“.

      Da bot doch jemand einen „AMD 64x2 Dual core Prozessor 4600 2x2, 2 GB Arbeitsspeicher, 1 Terra Festplatte (konnte man die verspeisen wie eine Schlachtplatte?), CD und Key (wer war das?) sind auch dabei. Wer möchte bekommt AS Rockboard dazu (macht der auch Pop-Musik?) mit ner 257 MB Geforce Grafickarte (Druckfehler?) 2x2 GB Arbeitzspeicher.

      Oh Mann, da hätte Deutschunterricht auch nicht geschadet! Gab es beim „Müllberg“ keine Lektoren? Ich fragte mich, ob das nicht eine falsche Sparmaßnahme war!

      Oder hier: da gab es ein Nichtrauchergerät! War es denn wichtig, dass der PC nicht an Lungenkrebs verendete?

      Vielleicht sollte ich mich doch an einen Fachmarkt meines Vertrauens wenden, um mich ausführlich beraten zu lassen.

      Mir graute heute schon davor, diese komplizierten Geräte auch noch bedienen zu müssen. Ich beschloss, eine Nacht über dieses Problem zu schlafen und meine Aufmerksamkeit zunächst auf die Immobilienangebote zu lenken.

      Entweder war ich bis zu diesem Zeitpunkt etwas weltfremd oder aber die Welt hatte sich um mich herum in den klausbegleiteten Jahren wirklich um Jahrtausende verändert.

      Im „Müllberg“ fand ich unter der Rubrik „Vermietung 4 und mehr Zimmer“ - zwei Kinderzimmer, ein Arbeitszimmer, mein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer – wir brauchten also mehr als vier Zimmer:

      „Jugendstil-Beletage, 190 m², 5 Zi., Balkon, Parkettböden, Fahrräder können im Hof abgestellt werden. € 2.500,- + NK € 300,--, Prov.: € 5950,--, Kaution: 2MM.“

      Nicht Jahresmiete, nein, Monatsmiete. Bei diesen Preisen konnte man sich selbstverständlich kein Auto mehr leisten und fuhr Rad.

      Nein, wollte ich nicht innerhalb des nächsten halben Jahres in die Privatinsolvenz schlittern, musste ich wohl oder übel weiter suchen.

      „Für den besonderen Anspruch: 7 Zi., Küche, Bad, Gäste-WC, 200 m², Terrasse, Garten, Garage, Buchenparkett. € 2.490,--“. Preise in Euro, nicht etwa in chinesischen Yen und das alles pro Monat!

      Wieso blieb ich immer an solchen Anzeigen hängen, wo doch Parkett gar nicht gut für Robert war. Beziehungsweise: Robert gar nicht gut für Parkettböden.

      Ich schickte einen Seufzer gen Himmel. Durfte das denn wahr sein? Meine aktuelle Hochrechnung, darin war ich schneller als ARD und ZDF, besagte, dass mein Erspartes maximal sechs Monate reichen würde. Über diese Tatsache musste ich auch erst eine Nacht schlafen. Wer, um alles in der Welt, konnte bei diesen Aussichten auch nur ein Auge zu tun?

      Beim Zuschlagen der Zeitung fiel mein Blick auf die Rubrik „Vermietung Wohngemeinschaften“.

      Hier: „wohnen auf dem Land, studieren/arbeiten in der Stadt. Verkehrsgünstige Lage. Ich, weibl., 30 J., suche Mitbewohnerin für 4 Zi. Küche und Bad. Großer Parkplatz im Hof vorhanden. Interessiert? Ruf mich an. Tel.: 7735807 (AB beißt nicht).“

      Wer oder was war AB? Nahm dort der Hund das Telefon ab?

      Die Anzeige klang irgendwie nett. Die Formulierung erinnerte mich an Susi. So würde sie eine Anzeige aufgeben. Offen, klar, freundlich. Nett eben.

      Wohngemeinschaft mit einer Frau? Warum eigentlich nicht, auf Männer konnte ich sowieso in Zukunft verzichten. Zumindest auf eine Wohngemeinschaft mit ihnen. Und „wohnen auf dem Land“ klang sehr verlockend. In meiner Fantasie tobten schon die Mädchen mit Robert in einem schönen großen Garten und ich saß auf einer ruhigen Terrasse, trank eine Tasse Tee und ließ meinen Computer für mich übersetzen.

      19:20 Uhr (Adrenalinstoß nach Hausklingel)

      Die Hausklingel holte mich aus meinen Tagträumen. Susi und die Kinder waren von ihrem Zoobesuch mit Ausklang im Eiscafé zurück. Kein Wunder, dass die beiden beim Abendessen streikten. Susi half mir noch, die Mädchen zu baden und ins Bett zu bringen. Sie war eine wahre Weltmeisterin im Erzählen von Gute-Nacht-Geschichten.

      Als die zwei friedlich schlummerten, erzählte ich Susi von meinem Vorhaben, mir eine Wohngemeinschaft mit 30 Jahre, weiblich, anzuschauen. Sie war total begeistert.

      „Mensch, Constanze, ich erkenne dich kaum wieder. Das klingt super.“

      „Nun, eigentlich waren mir die anderen Objekte einfach zu teuer. Die konnte ich mir schlichtweg nicht leisten. Du glaubst gar nicht, wie teuer Wohnungen hier sind. Ganz zu schweigen davon, dass kein Vermieter Robert akzeptieren würde.“

      „Na, Not macht eben erfinderisch.“

      21:00 Uhr (Kinder im Traumland angekommen)

      „Das Original ist leider nicht hier, Sie müssen schon mit der vollautomatischen Sekretärin Vorlieb nehmen. Meine Chefin ist wieder einmal auf einer Baustelle unterwegs. Vielleicht hat sie auch nur vergessen, mich auszuschalten. Sagen Sie einfach, wer was von ihr möchte. Wenn Sie Glück haben, ruft sie sogar zurück.“ Piep.

      AB. Das war der Anrufbeantworter. Hätte ich ja auch gleich drauf kommen können. Diese Frau war ja wirklich eine originelle Nummer. Ich hinterließ also das WER und das WAS und meine Telefonnummer und hoffte auf Rückruf.

      Ich hatte mich gerade mit meinem Schmöker-Roman auf unsere, pardon, MEINE Couch gekuschelt, als das Telefon klingelte.

      „Spreche ich mit Constanze Holm?“

      Die Stimme machte sich nicht die Mühe, meine Antwort abzuwarten.

      „Hier ist Inge. Wiedebrecht. Aber Inge reicht. Ich denke, wir sollten „du“ sagen.“

      Aha.

      Das war sie also, die Stimme zu weibl., 30.

      „Ich bin gerade erst nach Hause gekommen, hoffentlich störe ich dich nicht. Du hast also Interesse an der Wohnung?“

      Ich öffnete gerade meinen Mund, um zu antworten, da redete sie schon weiter.

      „Am Besten kommst du einfach vorbei und schaust dir meinen Bauernhof mal an. Ist echt schön hier.“

      Bisher hatte ich zu dieser Konversation noch keine Silbe beigetragen.

      Inge redete wie ein Wasserfall!

      „Morgen bin ich den ganzen Tag zu Hause. Wenn du kommen magst, Hintere Straße 60. Du kannst es eigentlich nicht verfehlen. Was sagst du?“

      Hoppla. Ich war dran.

      „Äh – ja, gerne.“ Mehr fiel mir im Augenblick nicht ein.

      „Schön, dann also bis morgen.“

      Sie beschrieb mir den Weg und wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Anschauen kostete ja nun wirklich nur ein halbes Stündchen. Und in Anbetracht, dass ich dringend eine neue Bleibe brauchte, die ich auch bezahlen konnte, war das ein geringer Aufwand.

      21:30 Uhr (ziemlich aufgekratzt für diese Uhrzeit)

      Ich zog mich, ein Problem