Название | Schneeflöckchen Weißröckchen |
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Автор произведения | K. Spitschka |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847643654 |
Als ich mit dem Hemd in der Hand ins Schlafzimmer kam, lag Mick nackt auf dem Bett. „Leg‘ dich nochmal zu mir Süße. Stößchen …“ Dazu bewegte er geil seine Hüften. „Geht’s dir eigentlich nur um Sex? Wieso machen wir nicht was andere Pärchen tun? Wir liegen ständig im Bett! Schon mal aufgefallen? Wir essen im Bett. Wir ficken im Bett. Wir sehen fern im Bett.“ Er grinste mich an. „Willst du mal woanders ficken?“ Ich zeigte ihm den Fuckfinger und verließ das Schlafzimmer.
Mit beleidigtem Gesichtsausdruck kam er in die Küche. Wenigstens hatte er sich angezogen. „Schnuffel! Andere Pärchen sehen sich viel öfter als wir. Manchmal bin ich zwei oder drei Wochen weg. Ist doch logisch, dass ich dann am liebsten mit dir alleine sein will. Ich brauche das! Ich denke von morgens bis abends an dich. An manchen Tagen bekomme ich schon eine Latte, wenn mich nur der Wind anbläst. Ich möchte am liebsten ständig mit dir zusammen sein. Jeden Tag. Jede Nacht. Ich liebe dich eben! Ich gehe gerne mal mit dir weg. Bummeln, shoppen oder ins Kino. Aber unsere gemeinsame Zeit ist äußerst begrenzt und wenn ich in die Polizeischule gehe, wird’s erst mal nicht besser. „Sollten wir nicht einfach wieder zusammenziehen?“
„Ganz bestimmt nicht!“, antwortete ich zu laut. „Wie jetzt? Du meinst niemals mehr?“ Schon wieder dieses trotzige Gesicht! „Mick! Kannst du mal aufhören? Wir hatten Sex und jetzt möchte ich mir mit dir ein sonniges Plätzchen suchen, eventuell einen Happen essen, Prosecco trinken, Leute treffen, all so was, klar? Du musst hier kein Drama veranstalten! Außerdem war ich die Putze, die Wäscherin und die Nutte, als wir uns diese Wohnung teilten. Du hast dich bedienen lassen und obendrein nichts zum Haushalt dazugezahlt!“
„Oh, jetzt kommt DIE alte Leier! Ich habe dich oft zu Essen eingeladen!“ Wir standen uns inzwischen wie zwei Kampfhähne gegenüber. „Ich will nicht mehr darüber reden, klar? Gehen wir?“, sagte ich leise, drehte ihm den Rücken zu, nahm meine Tasche und die Sonnenbrille und verließ das Haus. Mick lief wie ein Hündchen hinterher.
Als wir zusammenlebten hatten wir Streit ohne Ende. Ich tat die ganze Arbeit. Mick machte keinen Finger krumm. Aber das schien niemanden wirklich zu erschüttern! Bei einem Fläschchen Rotwein hatte ich mal ziemlich angeschickert meinen Freundinnen geklagt, dass Mick Freitag seine schmutzige Wäsche brachte und sie selbstverständlich Sonntags sauber und gebügelt wieder in seinen Rucksack packen wollte. Außerdem kritisiere er meine Kochkünste, zahlte nichts zum Haushalt dazu, warf überall sein Zeug hin und war beleidigt, wenn ich am Wochenende meine Tage hatte. Die lieben Mädels nannten mich ZICKE! „Wenn es möglich wäre, dir dieses Rassepferd auszuspannen, würde ich auf der Stelle einen Kochkurs belegen und meinen Zyklus auf die Wochentage verschieben!“, meinte Tina ernst. „Genauso sehe ich das auch! Prösterchen!“, lachte Marion und hob das Glas.
Ich hatte Mick gebeten, wieder bei seinen Eltern einzuziehen. Seitdem war alles prima! In der Familie und im Freundeskreis konnte man das Aufatmen förmlich hören. Micks Mutter kaufte leidenschaftlich gerne Zeug für unsere Aussteuer. Unsere Väter waren Freunde, gingen zum Fußball, trafen sich auf ein Bierchen. Mick hatte klare Pläne. Wenn die Ausbildung bei der Polizei abgeschlossen war und er in irgendeinem Präsidium seinen Dienst tun würde, sollte ich seine Frau werden. Sogar der Bauplan für unser gemeinsames Nest war bereits von der Stadt Bremen genehmigt!
Wir fuhren ohne Worte mit dem Mini in die Stadt und schlenderten durch die fabelhafte, lukullische Einkaufsmeile. Ich kaufte Antipasti, Weißbrot und Argentinischen Rotwein. Nach einem ausgiebigen zweiten Frühstück auf der Sonnenterrasse des ‚Alex‘, rief Mick einen Freund aus seinem Sportclub an, der sich spontan mit seiner Freundin zu uns gesellte. Der Nachmittag verlief noch richtig nett. Abends wollten wir auf meiner Dachterrasse essen. Mick deckte mit großem Getöse den Tisch um seine neuen guten Vorsätze zu präsentieren. Dann schaltete er den CD Player ein ohne vorher zu checken, welche Scheibe in dem Kasten lag. „Gefällt dir neuerdings alte Leute Mucke?“, spöttelte er. „Du hörst dir doch auch gerne Neil Young an, oder nicht?“, blitzte ich zurück. „Das ist politisch!“, sagte er und sah mich dabei an als würde er das ernst meinen. „Okay! Keinen Stress mehr heute!“, sagte ich. Ich stellte die Antipasti Platte auf den Tisch und schnitt Brot auf. Mick schenkte den Wein ein und warf seine Stirn in Falten. „Aber wieso hast du Depeche Mode verlassen?“ Er konnte nicht aufhören! „Ich habe die CD von Led Zeppelin seit ich mit Jackson in Ottersberg war. Led Zeppelin haben mir schon immer gefallen! In Ottersberg gibt’s so eine Art Retro Disco. Total der Hammer! Wie in dem Film ‚From dusk till down‘. Der Laden heißt Hell’s Kitchen. Ein Alice Cooper Verschnitt legt die Scheiben auf; sehr alte Scheiben! Irre! Einfach irre!“
Sehnsucht begann in mir hochzukriechen …
Mick fing an mit gebeugtem Rücken und verdrehten Augen über die Terrasse zu tanzen. „Huh, huh. Grusel! Gruuuuusel!“ Ich war genervt! „Weißt du, vielleicht kann ich mich nicht richtig ausdrücken. Lassen wir’s einfach!“
„Und was ist jetzt mit Depeche Moden?“, äffte er.
„Wann geht morgen dein Zug?“
Endlich gab er sich geschlagen. „Okay! Okay! Wieder lieb!“ Nach dem Essen, Rotwein und Bier, gingen wir ins Bett und schliefen in Löffelchenstellung ein.
Sechs
Die Wohnung ist verwüstet. Es riecht nach Kotze. Und Pisse. Das Bett ist nass. Ich bin 25 Jahre alt und total kaputt! Ich bedauere mich zutiefst!
HEUL DOCH!
Ich weiß nicht welcher Tag heute ist.
ZUR HÖLLE! Zur Hölle? Ha, ha, ha! Zur Hölle! Lachkrampf … Hustenanfall…
Ich ziehe mein Minigewicht von etwa 45 Kilo hinaus über den Flur in mein Büro. Ein Blick auf meine Füße sagt mir, dass ein Pflegeprogramm dringend nötig wäre. Ein Pflaster auf der Schnittwunde am Oberschenkel wäre auch nicht schlecht! Hier sollte eigentlich ein Kalender liegen? Ich finde ihn neben einem Berg feuchter Kleenex Tücher. 25. Woche! So, so! Aber haben wir die noch? Es muss längst Winter sein, so kalt wie mir ist! Ich könnte einen Blick in meinen Briefkasten werfen! Nachsehen, wo meine Eltern geblieben sind! ….Okay! Mein Gehirn entwickelt einen Plan …
Im Bad finde ich eine schmutzige Jeans. Angezogen ist sie viel zu weit … Aus der Toilette wabert penetranter Gestank von Kot und Kotze. Ich spüle mehrmals und gebe Reiniger hinein. Ein nach Schweiß riechendes T-Shirt krönt mich zum Freak.
Draußen ist es angenehm warm! Ich wanke zum Briefkasten und kämpfe mit plötzlich auftretendem Herzrasen und mit Übelkeit. Mein Kopf ist ein Kreisel! Ich muss ernsthaft krank sein?!
Im Blickwinkel sehe ich, dass mich Frau Horn neugierig beobachtet. „Kommt nichts im Fernsehen?“ krächze ich zu ihr hinüber. Achtung Gehirn: Steuernetzwerk aktivieren, Fuckfinger ausfahren! Zack! Schon ist die Töle in ihrem Haus verschwunden!
Bei meinen Eltern ist alles verriegelt und verrammelt! Scheiße! Wo sind die denn? Der Briefkasten quillt beinahe über! Ich trage den Krempel hinauf in meine Wohnung und komme erneut komisch drauf. Ist das der Blutdruck? In der Küche sieht’s aus, als hätten viele Leute mehrere Tage gefeiert. Ich staune wie viel Geschirr ich besitze! Und alles ist schmutzig! Auf dem Tisch steht eine halbleere Flasche Campari. Ich spüle eine Kaffeetasse aus und gieße mir was davon ein. Das schmeckt beschissen; verdünnt mit Leitungswasser geht aber klar!
Ich checke die Post und finde Werbung ohne Ende. Eine Ansichtskarte kommt zum Vorschein. Wie nett! Die glückliche Familie aus Lilienthal macht Ferien am Gardasee. „Hallo Lisa! Wir sind wieder einmal in unserem Paradies! Und wo bist du? Wir lieben dich! Tina, Peter und die Kids!“ Scheiß Text! Abgeschickt am 9. Juni.
Kontoauszüge. Ein handgeschriebener Zettel: ‚Erbitte dringend Anruf! Gerne auch privat! Werner‘ Magenschmerzen.
Kolik!
Ich kotzte in meine Spüle.
Danach setze ich mich in einen meiner schicken Leopardensessel