Название | Die Liebe in deinen Spuren |
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Автор произведения | Nancy Salchow |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738067651 |
„Verstehe. Heimatsehnsucht, richtig?“
„So kann man es nennen. Oder aber die Suche nach dem geeigneten Umfeld für meine Arbeit.“
„Du bist hier, um zu arbeiten?“ Er winkte der Kellnerin zu, die ihm ohne Worte ein Bier zubereitete. Man schien ihn hier zu kennen.
„Ich schreibe. Und das kann ich am besten in einem ruhigen Umfeld.“
Er lachte. „Ich wusste gar nicht, dass man Percys Tanzscheune als ruhiges Umfeld bezeichnen würde.“
„Ich dachte, ein bisschen Ablenkung täte mir zwischendurch ganz gut.“
Die Tatsache, dass er mich nicht fragte, was oder woran ich schrieb, beeindruckte mich auf seltsam subtile Weise. Er schien nicht gleichgültig, andererseits aber auch nicht aufdringlich interessiert. Eine Kombination, die für meinen Zustand genau die richtige war.
Im Hintergrund begann die Band zu spielen. Die Akustik war etwas dumpf, dennoch (oder gerade deshalb) passte die Musik zur Umgebung. Die Leadsängerin, eine gut bestückte Blondine im knielangen Karokleid, seufzte die ersten Zeilen von „I'm So Lonesome I Could Cry“ ins Mikrofon.
„Gar nicht mal schlecht“, stellte ich fest.
„Die singen ständig hier“, sagte Nick. „Covern viel. Auch deutsche Sachen.“
Ich nickte.
Nick hielt sich an seinem Bierglas fest, während er zur Band hinüberschaute. Ein Umstand, der mich beruhigte. Keine übertriebene Aufmerksamkeit in meine Richtung. Keine nervtötenden Fragen. Er stellte die perfekte Gesellschaft dar. Gesprächig, aber nicht zu redselig. Freundlich, aber nicht zudringlich. Und gerade das machte aus dem sympathischen, aber nicht ernstzunehmenden Mitschüler von damals mit jedem Schluck aus meinem Bierglas einen umso angenehmeren Gesprächspartner.
„Und was hat die Zeit mit dir angestellt?“, fragte ich. „Bist du in die Schlosserei deines Vaters eingestiegen, wie du es immer vorhattest?“
„Anfangs schon“, antwortete er. „Ich habe meine Ausbildung gemacht und fünf Jahre dort gearbeitet. Aber irgendwann bekam ich Probleme mit meinem Rücken, war eine Zeitlang krank und habe dann umgeschult.“
„Tatsächlich?“
„Tatsächlich. Vor dir sitzt einer der wenigen Tagesväter Nordwestmecklenburgs.“
„Nicht dein Ernst!“
„Das hättest du deinem verschlafenen Banknachbarn nicht zugetraut, oder?“
„Na ja, ich bin nur überrascht, das ist alles.“
„Ich habe eine eigene kleine Betreuungseinrichtung neben der Firma meines Vaters. Derzeit sind es fünf mehr oder weniger entzückende Sprösslinge, die sich täglich freiwillig in meine Obhut begeben.“
Ich erwischte mich bei dem Gedanken, ob er verheiratet war, oder zumindest liiert. Und wenn ja, wo war sie, wenn nicht hier bei ihm?
„Klingt gut“, sagte ich und erschrak im selben Moment über die Einfallslosigkeit meiner Antwort. War es möglich, dass er mich nervös machte?
Nein. Eher war es der Umstand, mich näher mit einem Mann zu unterhalten, der mich verwirrte. Seit Piet waren meine Anstrengungen, mich auf Gespräche (geschweige denn mehr) mit anderen Männern einzulassen, selten geworden, und ich selbst zur Einsiedlerin in einer Welt voller Worte.
„Wenn du ein bisschen Abwechslung von der Schreiberei brauchst, kann ich dir übrigens den Flohmarkt im Oberdorf empfehlen. Ich bin dort oft mit den Kindern. Krimskrams zum Basteln besorgen oder nach Spielzeug für die Einrichtung stöbern.“
Oberdorf. Wieder dieses Wort. Aus seinem Mund klang es jedoch weniger lächerlich als aus Celines.
„Ja, ich hab schon davon gehört“, sagte ich. „Celine hat mich heute Morgen besucht und davon zu überzeugen versucht, dass ich dieses Ereignis auf gar keinen Fall verpassen darf.“
„Die gute alte Celine.“ Er grinste. „Wie ich sie kenne, hat sie dich vermutlich eher gezwungen, oder?“
Dass wir anscheinend dieselbe Meinung von ihr hatten, ließ meine Sympathie für ihn weiter steigen.
„Ich lasse mich nicht zwingen“, antwortete ich. „Zumindest nicht von ihr.“
Für einen Moment schien das Lächeln auf seinen Lippen wie eingemeißelt. Er musterte mich schweigend, während sich meine Wangen spürbar erhitzten.
Im Hintergrund begann jemand, über den Tisch zu grölen. Ein Lärm, der sogar die Musik übertönte.
Irritiert drehte ich mich um. „Hier scheint sich nicht viel geändert zu haben.“
Sein Blick folgte meinem in Richtung Gröl-Tisch. „Ach, das sind nur Tekko und seine Kumpane. Die sind fast jeden Abend hier und lassen keine Gelegenheit ungenutzt, sich bemerkbar zu machen.“
„Doch nicht etwa Tekko aus Stove?“ Ich versuchte, das Gesicht über dem schwammigen Doppelkinn zu rekonstruieren.
„Genau der. Macht sich ständig an die Leadsängerin heran. Und die wird nicht müde, ihn jedes Mal aufs Neue abzuweisen.“
Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf die Bühne gelenkt. Irgendetwas Vertrautes hatte sich in mein Bewusstsein geschlichen.
„Nackte Füße auf heißem Asphalt, Wangen glühen bei Nacht. Heiße Hände, doch ein Herz so kalt. Was hast du mit mir gemacht?“
Die Worte aus dem Mund der Sängerin klangen fremd und doch wie ein Teil von mir. Erst jetzt erkannte ich auch die Melodie. Ein Cover von Inga Siefert. Der Text war fast drei Jahre alt.
„Was ist?“ Nick bemerkte mein Erstaunen.
Langsam schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. „Das ist von mir.“
„Was meinst du?“
„Den Song.“
„Den die Band gerade spielt?“ Er richtete seinen Blick zur Bühne. „Aber singt das im Original nicht so eine rothaarige Verrückte? Inga irgendwas.“
„Siefert“, antwortete ich. „Inga Siefert. Und ja, der Song ist durch sie bekannt geworden. Die Musik ist allerdings von Walter Mazur, aber der Text von mir.“
Nick schaute zu mir, dann wieder zur Bühne, bis sein Blick wortlos an mir haften blieb.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, fragte ich.
„Na ja.“ Er griff in die Schale Erdnüsse, die zwischen uns stand. „Als du sagtest, du schreibst, hätte ich nicht an so was gedacht.“
„Wer denkt schon an so was?“, antwortete ich lächelnd, ohne den Blick von der Bühne abzuwenden.
Auch wenn es keine meiner besten Textarbeiten war, beeindruckte mich die Tatsache, meine Worte aus dem Mund einer fremden Sängerin zu hören. Zum ersten Mal seit langem überkam mich so etwas wie Stolz. Ich hatte bereits für viele Bands und Musiker gearbeitet und unzählige Worte eins mit der Musik werden lassen, aber dass mich die Früchte meiner Arbeit auch in Winkeln erreichten, in denen ich es am wenigsten erwartete, erfüllte mich mit einem überwältigenden Gefühl der Zufriedenheit.
Das war sie, meine Passion. Meine Leidenschaft. Ganz egal, wie sehr mich die Erfahrung mit Piet aus der Bahn geworfen hatte, ganz gleich, wie sehr ich in den letzten Monaten gelitten hatte – an dieser einen Aufgabe, meiner Aufgabe, änderten all diese Dinge nichts. Ich lebte für die Worte. Und die Worte lebten – auf ihre Weise – für mich.
„Schöner Text“, sagte Nick leise.
„Danke“, sagte ich. „Ich hatte ihn fast vergessen.“
Kapitel 4
Die Küche stellte