Von alten und neuen Bürowelten. Maik Marten

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Название Von alten und neuen Bürowelten
Автор произведения Maik Marten
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783752926736



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oder mehr Etagen errichten. In Städten wie New York und Chicago brach ein regelrechter Wettstreit um das höchste Gebäude der Welt aus. Zum erneuten einstweiligen Stillstand kam es, als die nächste technische Grenze bei etwa fünfzig Geschossen erreicht war. Jetzt war es nicht die Statik, die den Konstrukteuren Probleme bereitete, sondern die Lichtverhältnisse im Inneren der Gebäude. Die damals vorhandenen künstlichen Beleuchtungssysteme waren noch nicht weit genug entwickelt, um eine ausreichende Belichtung aller Flächen zu gewährleisten. Höhere Gebäude forderten größere Fundamente und Gebäudetiefen, um genügend Standfestigkeit zu gewährleisten. Maximal zehn bis fünfzehn Meter drang das Sonnenlicht ins Innere. Ohne künstliches Licht hätte man die Gebäude nicht ausreichend belichten und nutzen können. Die Glühbirne wurde 1879 von Thomas Edison erfunden, aber es dauerte noch viele weitere Jahre, bis die Technik weit genug entwickelt war, um ein ausreichend stabiles und leuchtstarkes Licht abzugeben. Vorübergehend behalf man sich, in dem man die Gebäude nach oben hin abstufte. Auch wählte man L-, T-, H- oder U-förmige Gebäudekörper, um einen passenden Kompromiss aus Tiefe und Höhe zu erwirken, aber irgendwann war auch hier alles ausgereizt. Erst in den 1930er wurde elektrisches Licht in Gebäuden üblich, und ab da konnte man wieder weiter in die Höhe bauen.

      Auch in Europa tauchten Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Bürogebäude auf. Etwa das 1864 errichtete Oriel Chambers aus Liverpool oder das Hauptquartier der Sun Insurance Company aus dem Jahr 1849.5 Aber im Vergleich zu ihren amerikanischen Vorbildern aus New York, Philadelphia und Chicago waren sie deutlich kleiner und kamen insgesamt seltener vor.

      Open Spaces

      Für Eric Sundstrom, Dozent für Umweltpsychologie an der Universität von Knoxville und Verfasser des im Jahr 1986 veröffentlichten Buches Work Places - The Psychology of the Physical Environment in Offices and Factories, gehört die Erfindung der Stahlskelettbauweise zum wichtigsten Einflussfaktor auf das Interior Design amerikanischer Büroräume.1 Die neue Bautechnik ermöglichte den weitestgehenden Verzicht auf tragende Außen- und Innenwände. Vermieter konnten damit flexibel auf die verschieden nachgefragten Quadratmeterflächen und Anforderungen der Mieter reagieren. Mieter präferierten ohnehin open spaces. Bereits 1924 hieß es: "Large open offices are better than the same space cut into smaller rooms, because they make control and communication easier and provide better light and ventilation.“2

      Einheitliche Bautechnik und ähnliche Arbeitsprozesse bedingten auch die gleichförmige Gestaltung des Gebäudeinneren. In der Mitte jedes Geschosses befand sich ein Erschließungskern, in dem die Treppenhäuser, Fahrstühle und Schächte für die technische Infrastruktur des Gebäudes angeordnet waren. Um diesen im Verhältnis zur Gesamtfläche relativ kleinen Kern verlief die nutzbare Bürofläche. Der open space war das Herzstück jeder größeren Firma. Hier arbeitete der Großteil der Angestellten: Sekretärinnen, Schreibmaschinenkräfte, Buchhalter, Maschinisten und Hilfsarbeiter. Das Inventar war schlicht, zweckmäßig und standardisiert. Die Metal Office Furniture Company (heute Steelcase), eine der ersten Firmen, die sich auf Büromöbel spezialisierte, stellte 1915 den Modern Efficiency Desk vor; eine einfache Konstruktionen, bei der Tischbeine und Arbeitsplatte aus robustem Stahl geformt waren.3 Sie war billig zu produzieren, lange haltbar und nicht entflammbar. Aus dem gleichen Material stammten Regale, Schränke und Hängeregister, die Unmengen von Dokumenten beherbergten. Um den offenen Arbeitsbereich herum gruppierte man die Meetingräume und Einzelbüros für die leitenden Angestellten. Je höher ihr Rang im Unternehmen war, umso größer und hochwertiger ausgestattet durften auch ihre Büros sein. Es war das sichtbare Zeichen der Stellung des Einzelnen im Unternehmen. Ein mittlerweile wichtiges Abgrenzungsmerkmal und Statussymbol, da der einheitliche Kleidungsstil über alle Ränge hinweg die äußerliche Unterscheidbarkeit zunehmend erschwerte.

      In den 1910er Jahren systematisierte man die Büroarbeit weiter. Man führte die alphabetische Ablage ein; stellte vermehrt Arbeitskräfte ein, die mit der Verwaltung der immer komplexer werdenden Systeme betraut wurden; man begann die Arbeit in Abteilungen zu organisieren, die sich auf bestimmte Funktionen spezialisierten und man mechanisierte im großen Stil die Arbeitsprozesse. Büromaschinen wie die 1874 von Remington entwickelte Schreibmaschine, das in den 1860er Jahren erfundene Telefon oder die Additionsmaschine aus den 1880er Jahren4 gehörten bereits zum üblichen Inventar. Aber erst mit dem im neuen Jahrhundert sprunghaft gewachsenen Bedarf an Dokumenten- und Zahlenverarbeitung und der steigenden Komplexität der Büroarbeit, war der Nährboden für einen flächendeckenden Einsatz einer ganzen Armada von Gerätschaften geschaffen worden. Arbeit erschuf Arbeit. Über die folgenden Jahrzehnte hinweg sollte ein riesiger Markt für Büromaschinen entstehen. Allein zwischen 1915 und 1921 kamen jährlich über hundert neue Büromaschinen auf den Markt. Nahezu jedes Büro besaß gleich mehrere Varianten einer Schreibmaschine und etwa jede dritte Bürokraft bediente zudem mindestens eine weitere Maschine. In den 1940er Jahren konnte man auf den einschlägigen Fachmessen bereits über 3000 Büromaschinen begutachten: Es gab Kollatoren, dessen dünne Metallfinger einzelne Papierseiten von Dokumentenstapeln aufnehmen konnten, um sie in einer vorgegebenen Reihenfolge zusammenzuheften; es gab Ticket- und Geldzählmaschinen, mechanische Radiergummies und Signaturgeräte. Maschinen konnten mechanisch Addieren, Subtrahieren und Multiplizieren. Man entwickelte Anlagen für das Eintüten von Briefen in Versandumschläge und das anschließende Abstempeln und Adressieren; und es gab Abrechnungsmaschinen, die große Stapel und Rollen von Rohpapier aufnehmen, zurechtschneiden, perforieren, zweifarbig bedrucken und adressieren konnten.

      Die Anschaffung und Pflege von Büromaschinen war sehr kostspielig. Um sie rentabel zu halten, musste man sie permanent mit riesigen Mengen an Dokumenten und Informationen füttern. Zudem war es ratsam, die Bürotätigkeiten zu zentralisieren und an die technischen Anforderungen der Maschinen anzupassen. In einer damaligen Richtlinie hieß es: „Bevor eine Produktionslinie eine maximale Wirksamkeit erreichen kann, müssen die Maschinen so angeordnet sein, dass der ungehinderte Fluss von Teilen oder Produkten von einer Station zur nächsten gewährleistet wird. Nur wenn alle die für die Papierproduktion benötigten Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Tabulatoren, Buchhaltungsmaschinen, Möbel und Büroausstattungen richtig ausgerichtet und abgestimmt sind, kann eine effiziente Büro-Produktionslinie entstehen.“5 Dann waren aber auch Produktivitätszuwächse von 25 bis 300 % im Vergleich zu manuell ausgeführten Tätigkeiten zu verzeichnen.6 Ein Vorteil, den vor allen Dingen Unternehmen, die über ausreichend große Mengen an gleichförmiger Arbeit verfügten, für sich verbuchen konnten. Auch in der Büroarbeit wirkte sich also das Prinzip economy of scales aus: Je mehr man die Büroarbeit rationalisierte und der Maschinenarbeit anglich, umso kostengünstiger die Stückkosten und damit die Rentabilität der Unternehmen. In den 1950er Jahren war das Angebot an Maschinen derart umfangreich und vielseitig geworden, dass C. Wright Mills zufolge 80 % aller damals ausgeübten Bürotätigkeiten hätten mechanisiert werden können.7 Dass es letztendlich dazu nicht kam, lag nicht etwa an der fehlenden Bereitschaft der Arbeitgeber, die menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen, sondern am anhaltend starken Wachstum der Wirtschaft und dem damit verbundenen überproportionalen Bedarf an Büroarbeit, sodass unter dem Strich trotz zunehmender Automatisierung die Beschäftigungszahlen weiter stark anstiegen.

      Curtain Walls

       If your eyes could penetrate the opaque masses of the facades, they would see an incredible spectacle: three hundred thousand, five hundred thousand men and women, perhaps more, at work in a pool of space at the same time. A humanity having broken its millenary destiny which was to be attached to the ground, which is suspended between heaven and earth, going up and down at high speed in clusters of twenty and in sheaves of two hundred. Is it a new scene in purgatory?

       It is modern society experimenting on a grand scale with the machinery which will someday enable it to create the "radiant city," when everything will be well calculated, justly valued,

       exactly measured out.

       (Le Corbusier, When the Cathedrals Were White) 1

      In den 1930er Jahren besuchte der