Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Название Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754149591



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„Eigentlich sogar ein Bild unserer ganzen bürgerlichen Verhältnisse. Die Polizei spielt ihre Maskerade ausgezeichnet."

      „Finden Sie?" lachte Franz, - „doch da sind wir bei den Irren. Jetzt nehmen Sie sich zusammen."

      „Thun Sie mir nur den Gefallen und lassen Sie mich nicht allein."

      „Haben Sie keine Angst, jedenfalls verlasse ich Sie nicht, bevor ich Sie einigen der Herren und Damen vorgestellt habe. Da drüben der alte Herr, das ist der Oberarzt, zu dem werde ich Sie vor allen Dingen führen."

      „Und wie titulirt man den Herrn?"

      „Herr Rath - ah, er hat uns schon gesehen! Er ist allerdings Obermedicinalrath, aber man nennt ihn hier in der Anstalt nur einfach Herr Rath."

      „Franz, wo steckst Du denn?" sagte der Regierungsrath, der in diesem Augenblick den zurückkehrenden Neffen erspäht hatte und rasch auf ihn zukam. „Die ganze Gesellschaft ist schon in Verzweiflung."

      „Lieber Onkel," sagte der junge Mann, „ich habe das Vergnügen, Ihnen hier Herrn Hobelmann vorzustellen. Er ist fremd in der Stadt, und ich möchte Sie ersuchen -"

      „Sehr angenehm Ihre werthe Bekanntschaft zu machen," sagte der alte Herr.

      „Ich muß tausendmal um Entschuldigung bitten, daß ich wage -"

      „Keine Entschuldigungen; von meinem Neffen eingeführt, sind Sie mir herzlich willkommen. Tanzen Sie?"

      „Es ist allerdings schon einige Zeit her, daß ich mich nicht mehr diesem Vergnügen hingegeben habe."

      „Bitte, dann geniren Sie sich ja nicht," sagte der freundliche Wirth. „Jeder ist hier sein eigener Herr, und da drinnen kommt wohl eine Partie Whist oder L'Hombre zu Stande, an der Sie mit Bequemlichkeit Theil nehmen können." Der Onkel eilte geschäftig davon und Franz flüsterte seinem Opfer zu:

      „Sie müssen jedenfalls tanzen; ich werde Sie schon einigen unserer „ruhigsten" Damen vorstellen."

      „Aber ich habe wahrhaftig lange nicht getanzt."

      „Gut. Dann nehmen Sie zum Anfang keine von den jüngsten, und erst einmal wieder in Gang, kommen Sie bald in den Wirbel hinein. Sehen Sie, da haben wir gleich eine unserer älteren Schönen."

      „Die Dame mit den gelben Rosen?"

      „Das ist eine ungarische Gräfin," sagte Franz, „die aber vollkommen geläufig Deutsch spricht. Sie hat die fixe Idee, daß ein deutscher Steuerrath sie aus ihrem Schlosse an der Theiß entführt und geheirathet habe." /38/

      „Gerade ein Steuerrath? Das ist merkwürdig!" sagte Herr Hobelmann.

      „Ich werde Sie gleich vorstellen."

      „Und die beiden jungen Damen dort?"

      „Von denen nachher. Seien Sie nur um Gottes willen voller Aufmerksamkeit gegen die unglückliche Gräfin."

      „Und wer ist die alte Dame drüben mit dem Papier in der Hand?"

      „Das ist die Königin von Birma."

      „Wer?"

      „Die Königin von Birma," wiederholte Franz ruhig und mit vorsichtig gedämpfter Stimme, denn die genannte Dame rauschte eben an ihnen vorüber und schien Jemanden zu suchen. Franz, der wohl ahnte, daß sie ihn aufzufinden wünsche, hatte sich durch die breite Gestalt des Herrn Hobelmann vollständig und glücklich gedeckt.

      „Aber Sie meinen doch nicht im Ernst?" sagte der erstaunte Advocat.

      „Gott bewahre!" lächelte der junge Mann. „Sie war früher an einen Commerzienrath in Berlin verheirathet und schnappte gerade zu der Zeit über, als der birmanische Gesandte durch Berlin nach London reiste. Jetzt bildet sie sich ein, er sei nur dorthin gekommen, um sie an den Hof des Großherrn zu holen. Ueber den Zustand der dortigen Seelen aber innigst betrübt, läuft sie nun fortwährend mit einer Liste herum, Beiträge zur Bekehrung der Heidenkinder in Birma zu sammeln - doch da kommt die Gräfin-Steuerräthin auf uns zu. Jetzt nehmen Sie sich zusammen."

      „Aber, bester Franz, wo haben Sie die Zeit daher gesteckt?" sagte in diesem Augenblick die Steuerräthin, die, vollkommen ahnungslos über die ihr zugetheilte Würde, zu den beiden Männern trat. „Wie eine Stecknadel haben wir Sie überall gesucht und der Tanz soll beginnen."

      „Erlauben Sie mir nur erst, hochgeehrte Frau," sagte Franz, „Ihnen einen Tänzer zuzuführen, der darauf brennt Ihre Bekanntschaft zu machen. Graf Hobelmann aus Pest."

      Die Frau Steuerräthin knixte fast bis auf den Boden hinunter und Herr Hobelmann sah seinen Begleiter mit einem etwas dummen Blicke an. Dieser aber flüsterte der Dame mit den gelben Rosen zu: „Halten Sie ihn fest, Steuerräthin, ich glaube fast, Sie haben da eine ganz brillante Eroberung gemacht," und verschwand im nächsten Augenblick von ihrer Seite, seine Cousine Adele zu dem ersten, eben beginnenden Tanz zu führen.

      Hier traf er auch schon das zweite Paar, seinen sehr glücklich lächelnden Reisegefährten mit Base Fränzchen am Arm.

      Der junge Doctor schien in einem wahren Meer von Wonne zu schwimmen; er ging gar nicht, er schwebte ordentlich, und sein Antlitz strahlte von Vergnügen.

      „Bester Kettenbrock," rief er, des Havanesen Hand ergreifend, „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen für diesen Abend bin - wie glücklich ich mich fühle -"

      „Ist auch gar nicht nöthig," lachte Kettenbrock. „Ihr Gesicht verrätht das schon ohnedies. Aber Cousine Fränzchen scheint mir niedergeschlagen?"

      „Ich?" sagte das junge Mädchen erstaunt, und ihr offenes Gesicht überflog ein leichtes Roth. „Du bist ein arger Spötter, Vetter Franz; aber im Nu wird Dir die Frau Commerzienräthin über den Hals kommen. Siehst Du, wie sie dort mit ihrem Subscriptionsbogen durch den Saal streicht?"

      „Wie ein Habicht über ein Ackerfeld," lachte Franz, „und wehe den armen Opfern, auf die er niederfährt."

      „Aber sie bringt sie nicht um —"

      „Nein, sie zapft ihnen nur das Blut ab, um jene Klasse von Menschen mit dem Erbeuteten zu füttern, die in einem schwarzen Frack und weißer Halsbinde das passende Futteral für ihre unsterbliche Seele gefunden zu haben glauben."

      „Pfui, Franz," rief die Cousine, „schäme Dich!"

      „Etwa weil ich glaube, daß die Neger und Indianer keine wollenen Strümpfe brauchen?" gab der junge Mann zurück. „Aber wahrhaftig, sie hat es auf mich gemünzt," und ohne weiter ein Wort zu sagen, verließ er die Gruppe /40/ und ergriff Adelens Hand, den Tanz zu beginnen, dessen Tacte eben lustig vom Orchester herabschmetterten.

      „Lieber Franz," sagte die rücksichtslos einschreitende Commerzienräthin, „in glücklichen Momenten des Lebens ist das Herz am mildthätigsten, am weichsten gestimmt -"

      „Hat aber auch die wenigste Zeit," unterbrach sie der junge Mann und setzte sich mit seiner Dame in Bewegung. „Platz, oder der ganze Zug geht über Sie hin!"

      „Aber nur einen Moment -"

      Es half ihr nichts. Die Paare flogen an ihr vorüber.

      Nur einer der Tänzer theilte das allgemeine Vergnügen so wenig, daß er sich lieber davon zurückgezogen hätte, wenn er dazu den Muth besessen, und das war Herr Hobelmann. Die überselige Frau Steuerräthin als wahnsinnige Gräfin im Arm, keuchte er mit triefender Stirn durch den Saal. Die Gräfin schien gar keine Lunge zu haben, und wenn er inne halten wollte, traf ihn ein so merkwürdiger Blick aus ihren Augen, daß er immer wieder auf's Neue die Zähne zusammenbiß und vorwärts arbeitete. Er durfte ja die Unglückliche nicht reizen. Endlich aber konnte er nicht mehr; seine Kräfte ließen nach, sein Kopf schwindelte, der ganze Saal drehte sich mit ihm im Kreis, und mit immer ängstlicheren Verbeugungen, die er seiner Tänzerin machte, taumelte er zu einem nahen Sitz, auf den er athemlos niedersank.

      „Bravo! Bravo! vortrefflich!" flüsterte ihm Franz zu, „Sie tanzen ja mit einer Leidenschaft, mein guter Graf, daß Sie die jüngeren Leute