Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн.
Название Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754149591



Скачать книгу

- „ob mir der Schuft nicht einen Kassenschein in die Hand gedrückt, als ob ich ein Bedienter wäre -" und in aufloderndem Jähzorn wollte er dem unglücklichen Manne nach. Hier aber vertrat ihm Franz den Weg, und seine Hand ergreifend, bat er dringend:

      „Ich ersuche Sie um Gottes willen, lieber Hauptmann, machen Sie hier keine Scene. Der alte Herr war so fidel und hat so viel getanzt, daß ihm der starke Wein, den er gleich darauf getrunken, wohl ein wenig in den Kopf gestiegen ist. Ich wies ihn an den Bedienten, der hinter Ihnen stand, um seinen Ueberzieher von dem zu fordern, und wahrscheinlich hat er gar nicht mehr gesehen, wen er vor sich hatte, und war nur froh, daß er die Thür erreichte."

      „Ich werde es ihm anstreichen," brummte der Hauptmauer in den Bart hinein. „Wo wohnt der Mensch?"

      "Ich sage Ihnen später seine Adresse. Lasten Sie ihn wenigstens erst ausschlafen. Außerdem hat Sie mein Onkel schon überall gesucht - Sie sollen einen Hochheimer Ausbruch mit ihm probiren."

      „Alle Wetter, da steh' ich zu Diensten! Aber ich kann das Geld doch nicht behalten? Wenn ich dem Tölpel seinen Thalerschein nur gleich in's Gesicht geworfen hätte."

      „Der Hochheimer Ausbruch wartet. Geben Sie das Geld dem ersten besten Diener, dem Sie begegnen."

      „Nein - verdammt," sagte der Hauptmann, indem er es in die Westentasche steckte, „daß der Bursche am Ende noch glaubte, ich hätte es behalten? Das soll er mit gehörigem Protest zurückbekommen. Wie sind Sie nur an das Ungethüm gerathen, Kettenbrock? So viel ich weiß, haben Sie ihn uns doch heut Abend zugeführt."

      „Später erzähle ich Ihnen einmal die ganze Geschichte, /54/ mein bester Hauptmann - jetzt wartet der Onkel und der Wein, und die vertragen alle beide keine Versäumniß."

      VI.

      Franz Kettenbrock, wie er mit dem wenigstens für jetzt beruhigten Hauptmann durch den Saal schritt, konnte es aber nicht entgehen, daß unter den bis dahin so steifen und förmlichen Gästen ein ganz reges Leben herrsche. Kaum war der Tanz beendet, als sich überall kleine Gruppen sammelten, und die Frau Steuerräthin, der junge Helmerdiek, wie die beiden Fräulein von Losenbrett und Bomershausen fuhren dazwischen hin und her und theilten den verschiedenen Parteien ihre Entrüstung über den Fremden mit, über den sie fest entschlossen waren, von Franz Kettenbrock genügende Auskunft zu verlangen. Die jungen Leute dagegen, die heimlich ihre herzinnige Freude an dem Zorn der älteren Damen hatten, standen ebenfalls in kleinen Trupps kichernd beisammen, und jedenfalls war das Eis gebrochen, das sonst derartige Gesellschaften mit seiner kalten, glatten Fläche überzieht.

      Hobelmann, ein so ungeselliger Bursche er an und für sich auch sein mochte, hatte, wenn auch ganz unfreiwillig, die Laune der Anwesenden erweckt, und der alte Regierungsrath, bis dahin ohne die geringste Ahnung von der Ursache dieser freudigen Veränderung, traf mit einem innig vergnügten Gesicht, an der Thür des kleinen Cabinets, mit Franz und dem Hauptmann zusammen, schüttelte Beiden die Hände und versicherte ihnen, er wisse sich der Zeit nicht zu erinnern, wo er eine so lebendig bewegte Gesellschaft bei einander gesehen habe.

      „Es geht auch heute in der That ungewöhnlich munter her," sagte der Hauptmann, „ich weiß selber nicht, wann ich's so gesehen hätte. Die jungen Damen kichern und lachen da mit einander, daß es eine wahre Lust ist."

      „Was sie nur haben, die lieben Dinger," schmunzelte der /55/ Regierungsrath - „und Adele kenne ich heute gar nicht wieder, sie ist ganz ausgelassen, während Fränzchen ihre sonstige stille Rolle übernommen hat."

      „Das arme Fränzchen haben sie mir geneckt," meinte der Hauptmann, „und daran ist Niemand weiter schuld, wie jener vertracte, ungeschickte Bursche, den uns der Franz heute über den Hals gebracht hat."

      „Der Fremde?" rief der Regierungsrath erstaunt; „apropos, Junge, wo ist denn Dein Freund? Ich habe Dir doch gesagt, Du solltest ihn mit zum Weine bringen."

      „Er läßt sich entschuldigen,, bester Onkel," erwiderte Kettenbrock. „Er kann das lange Aufbleiben nicht leiden und äst heimgegangen."

      „Heim? - um elf Uhr schon? wäre nicht übel - und nicht einmal einen Imbiß angenommen. Doch es ist seine eigene Schuld und kein Mensch kann etwas dafür. Jetzt, Kinder, sollt Ihr aber noch vor der Tafel ein Gläschen Hauptwein kosten."

      „Soll ich unsern jungen Doctor nicht dazu holen?" unterbrach ihn Franz.

      „Den Helmerdiek?" sagte der Regierungsrath und warf seinem Neffen einen eigenthümlichen Blick zu, „ich fürchte beinahe, der hat schon zu viel Feuer im Kopf und der Hochheimer verdreht ihn mir ganz. Aber meinetwegen hol' ihn. Es scheint mir ein ordentlicher Mann zu sein, und ich mag ihn bis jetzt ganz wohl leiden." Der alte Herr war vortrefflichen Humors, und der kostbare Rheinwein diente nicht dazu, seine Laune herabzustimmen. Auch das bald servirte Souper wurde heiter belebt. Hobelmann aber, danach zu urtheilen wie man von ihm sprach, war gerade zur rechten Zeit verschwunden. Am ärgsten wüthete die Steuerräthin gegen den Grafen Hobelmann, und nur die Königin von Birma, durch die unterschriebenen zehn Louisd'or geblendet, nahm einigermaßen seine Partei.

      Aber selbst Herrn Hobelmann vergaß man, als nach der Tafel die Tische bei Seite geschoben wurden und die lockenden Töne der Instrumente das junge Volk zu neuem Tanze riefen. /56/

      Die Frau Commerzienräthin allein behielt den „Grafen" auch nach aufgehobener Tafel noch im Gedächtniß, und in der natürlichen Sorge, die gezeichnete Summe baar in ihre Kasse „für die armen Heidenkinder" zu bekommen, bat sie den jungen Kettenbrock um die versprochene Adresse. Franz suchte ihr anfangs auszuweichen, aber sie ließ nicht nach, und um die Sache nicht weiter zu treiben und etwa gar an die Öffentlichkeit zu bringen, was ihm seines Onkels wegen fatal gewesen wäre, gab er ihr endlich einen andern Stadttheil mit irgend einer beliebigen Hausnummer an. Dadurch glaubte er sich vollkommen dagegen gesichert, daß sie den Grafen Hobelmann etwa auffände, und setzte sie ihn später selber über die nicht erfüllte Verbindlichkeit zur Rede, so ließ sich wohl ein Ausweg finden, den Grafen vorläufig zu entschuldigen und die Sache hinauszuschieben. Franz Keltenbrock kannte jedoch, in Allem was ihre „milde und heilige Stiftung" betraf, die Hartnäckigkeit der Frau Commerzienräthin noch nicht.

      Herr Hobelmann war indessen von dem ihm beigegebenen Diener durch den Garten aus dem Haus und auf einem kleinen Umweg bis zum Markt geführt worden, wo sich der würdige Mann bald orientirte, seinem Führer ein kleines Trinkgeld gab und, sehr zufrieden mit der Benutzung seines Abends, eben der eigenen Wohnung zugehen wollte. Der Bursche hatte sich aber auf eigene Hand das Vergnügen gemacht, ihn wieder nach vorn, genau vor das Haus zu führen, das er vor einer Viertelstunde etwa durch die Hinterthür verlassen, und die hell erleuchteten Fenster wie die Musik fielen Herrn Hobelmann auf.

      „Wer wohnt da, wo die Musik ist?" frug er den Bedienten.

      „Der Herr Regierungsrath Kettenbrock, zu dienen."

      „Hm - Kettenbrock? - Kettenbrock? - hat auch Ball?" - sagte Herr Hobelmann, dem der Name auffiel.

      „Sein Neffe ist nach langer Abwesenheit zurückgekommen, und da wird ein kleines Familienfest gefeiert."

      „So? - hm - na gute Nacht," und mit den Worten kehrte sich Herr Hobelmann ab und schlenderte der Richtung /57/ zu, in der er jetzt sein eigenes Quartier wußte. Der Bediente aber blieb noch kurze Zeit vor der hell erleuchteten Etage des Regierungsraths stehen, und erst als der Fremde um die nächste Ecke verschwunden war, nahm er seinen Schlüssel aus der Tasche, öffnete still vor sich hinlachend die Thür und tauchte ebenfalls in das Innere des Hauses ein.

      Herr Hobelmann, mit keiner Ahnung übrigens, welchen Zwecken er den Abend gedient haben könnte, schlief die Nacht ganz ausgezeichnet, und erwachte am nächsten Morgen etwas später als sonst für seine Geschäfte. Um neun Uhr brütete er aber doch schon wieder über einem tüchtigen Stoß Acten, und ging erst im Laufe des Nachmittags aus, um eine Stunde lang frische Luft zu schöpfen.

      Um Yvenburg ringelte sich eine sehr hübsch arrangirte und gut unterhaltene Promenade, die Vorstädte von der eigentlichen Stadt trennend und den in ihre hohen Häuser eingeengten Städtern Luft, Licht und Schatten gewährend. Schmale Wege zogen sich, hier in einander laufend, dort wieder