Название | Die Brücke zur Sonne |
---|---|
Автор произведения | Regan Holdridge |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170441 |
„Ich gehe wieder an meine Arbeit“, erklärte Ben Arkin, als Matthews schwarzer Jeep um den Waldrand verschwunden war und wandte sich zum Gehen. „Falls ihr Probleme habt, weißt du, wo du mich findest!“
Seine Tochter nickte. „Keine Sorge, Daddy!“ Sie wandte sich wieder ihren beiden Gästen zu. Ein wenig kritisch glitt ihr Blick über Patty hinweg, die ein kurzes, geblümtes Kleid mit farblich abgestimmten Ballerinas trug.
„Hast du keine anderen Sachen zum Anziehen? Irgendetwas Altes? Du wirst dir dein schönes Kleid ruinieren!“
Empört verschränkte das vierzehnjährige Mädchen die Arme vor der Brust und betrachtete die Rancherstochter mit verächtlich gerunzelter Stirn. Amy steckte in ausgewaschenen Bluejeans, Cowboystiefeln und einer grünen, altmodischen Strickjacke.
„Etwas, das bei uns alt genannt wird, landet im Mülleimer und wird nicht mehr dazu verwendet, andere Leute zu erschrecken!“, erwiderte sie kühl und warf den Kopf zurück. Ihr schönes Gesicht glühte vor Entrüstung. Sie wollte einfach nur fort von hier und deshalb sah sie auch gar nicht ein, weshalb sie etwas anderes tun sollte, als Gift und Galle zu spucken. „Der grüne Wollsack stammt wohl noch aus der Zeit vor dem Krieg?“
„Patty!“ Entgeistert starrte Jean ihre jüngere Schwester an. Sie war schon immer davon überzeugt gewesen, dass Patty ein Miststück sein konnte, hatte dies jedoch bislang um des lieben Friedens Willen als Gerücht erachtet. Wie kam sie dazu, gegenüber der Tochter ihres Gastgebers so unverschämte Reden zu führen?!
Amy unterdrückte ihren aufsteigenden Ärger und deutete zum Pferdestall hinüber. „Komm. Vielleicht kannst du mir dann zeigen, wie du mit diesem Kleid im Sattel sitzen willst!“ Kopfschüttelnd ließ sie die beiden Engländerinnen stehen.
Eine Sekunde starrte Patty ihr fassungslos hinterdrein. Sie empfand ihr Erscheinen nicht als ungewöhnlich. Ihre Schwester dagegen, natürlich, hatte sich gleich dem gängigen Modetrend angepasst und sich zu einer Jeanshose hinreißen lassen. Dazu dieses scheußliche, altbackene Hemd, das sie aussehen ließ wie eine Schulmamsel…nun ja, es war wohl eindeutig, wer von ihnen beiden hier Flair und Chic besaß.
„Sattel?“, wiederholte das schöne, junge Mädchen plötzlich, während ein Ruck durch ihren Körper ging. „Wieso Sattel?“
„Halt endlich deinen Mund!“, zischte Jean ärgerlich. „Kannst du dich nicht wenigstens ein bisschen zusammenreißen? Was sollen sie von uns denken? Dass wir eingebildete, verzogene Gänse sind?“
Gleichgültig zuckte Patty die Schultern. „Sollen sie doch denken, was sie wollen. Ich werde mich garantiert nicht auf das Niveau dieser Bauerntölpel begeben!
Jean fiel dazu nichts mehr ein. Sie ließ ihre kleine Schwester stehen und lief stattdessen hinter Amy her, in Richtung Pferdestall.
„Was hast du denn mit uns vor?“, fragte sie höflich, als sie die Rancherstochter eingeholt hatte.
„Ich wollte euch eigentlich die Ranch zeigen, aber deine Schwester hat ja anscheinend keine Lust dazu!“, blaffte Amy sie an, ganz offensichtlich gekränkt.
„Doch, doch“, verteidigte Jean hastig ihre jüngere Schwester, die demonstrativ gelangweilt hinter ihnen her geschlendert kam. „Sie hat nur schreckliches Heimweh!“
Amy verdrehte die Augen. „Von mir aus. Deshalb braucht sie sich trotzdem nicht wie eine Prinzessin zu benehmen!“
Jean seufzte innerlich, denn im Grunde genommen hatte Amy ja recht. Nur leider war es unmöglich, Pattys Selbstüberschätzung und Selbstverliebtheit soweit einzudämmen, dass sie nicht dauernd an allem etwas herumzumäkeln hatte. Sie hörte auf niemanden, manchmal auf Rachel, aber auch nur, wenn es ihr in den Kram passte und schon gar nicht auf ihre große Schwester und je länger der Nachmittag fortschritt, desto schlimmer wurden Jeans Befürchtungen betreffend seines Ausgangs.
Das doppelflüglige Tor zum Pferdestall stand weit offen und bis auf einige wenige standen sämtliche Verschläge leer. Die meisten Pferde durften den Sonntagnachmittag beim Grasen auf den riesigen Koppeln verbringen.
Die weiße Schimmelstute im ersten Verschlag der linken Seite schob den Kopf neugierig über die halbhohe Türe und prustete laut durch die dunklen Nüstern.
„Na, meine Kleine?“ Zärtlich schob Amy ihr eine Karotte zwischen die Lippen, die sie in ihre hintere Hosentasche geklemmt hatte. „Jetzt machen wir einen Ausflug.“ Sie deutete auf einen kleinen, braunen Wallach in der nächsten Box und eine dicke, scheckige Stute dahinter. „Die zwei könnt ihr haben. Sind beide ganz brav und zuverlässig. Die Sättel hängen drüben in der Scheune, wir nehmen die Pferde mit und satteln sie dort.“
Patty war mittlerweile bei ihnen angekommen. „Was soll ich denn mit diesem Vieh?“ Angeekelt trat sie einen Schritt zurück. Sie hatte die Stallgasse noch nicht einmal betreten, sondern wartete Naserümpfend im offenen Tor.
„Na, was glaubst du wohl, macht man in der Regel mit einem Pferd?“ Amy schien allmählich die Geduld zu verlieren.
Entsetzt stieß Patty einen kurzen Schrei aus. „Ha! Reiten! Ich! Sehe ich etwa so aus?!“
„Nein, offen gestanden nicht“, gab Amy unumwunden zu und seufzte resigniert. „Und jetzt sag mir bloß noch, du kannst gar nicht reiten?“ Die Tatsache, dass jemand nicht wusste, wie man auf einem Pferd saß, erschien ihr unbegreiflich.
Patty lächelte mitleidig. „Bei uns in England gibt es bereits modernere Fortbewegungsmittel – sie nennen sich Autos. Außerdem: Pferde haaren, beißen, schlagen, machen Arbeit und das Schlimmste: Sie stinken!“
Als wollte sie ihre Stute schützen, baute Amy sich vor dem Verschlag auf. „Wie kannst du es wagen, in meiner Gegenwart so über die edelsten Tiere dieser Erde zu sprechen?!“
„Meine Güte! Woher soll ich denn wissen, dass du sie zu deinem engsten Freundeskreis zählst?!“, konterte Patty herablassend und machte ein böses Gesicht.
Jean bemühte sich, ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte sie ihre kleine Schwester erwürgt! Sie mochte Amy. Die Amerikanerin zog sie auf eigenartige Weise in ihren Bann. Es faszinierte sie, wie jemand so frei und ungebunden leben konnte, mitten im Nichts dieser Prärie. Wild und ungezähmt schien sie zu sein, ohne eine herrschsüchtige Mutter und einen untergebutterten Vater, der lieber klein beigab, als seine eigenen Wünsche durchzusetzen. Alles an Amys Leben schien Jean erstrebenswert und fremdartig und ihre unsägliche, arrogante, kleine Schwester musste alles gleich wieder kaputtmachen!
„Schön“, seufzte das amerikanische Mädchen nun, müde vom ständigen Gezeter ihres Gastes und griff nach dem Halfter an der Türe der zweiten Box. „Dann fahren wir eben mit der Kutsche.“
„Davon wird mir bestimmt schlecht!“, beschwerte sich Patty prompt und verzog den Mund.
„Jetzt bist du aber ruhig!“, schnauzte Jean sie an und ballte die Fäuste. „Sonst erzähl ich Mom heute Abend, dass du ein Scheusal warst und unseren Namen überhaupt nicht verdient hast!“
Das half, jedenfalls vorübergehend. Verschnupft wandte Patty sich ab und stolzierte über den Hof davon, um sich an einem der Zäune demonstrativ gelangweilt anzulehnen und nichts weiter zu tun, als ein hübsches Bild abzugeben.
„Kann ich dir helfen?“, fragte Jean, so freundlich wie sie es nur zustandebrachte. Sie wurde das Gefühl nicht los, das Benehmen ihrer Schwester wieder gutmachen zu müssen.
„Nein, nein.“ Amy lächelte schon wieder. „Ich mache das jeden Tag. Wenn es dich interessiert, zeige ich’s dir bei anderer Gelegenheit mal.“
Jean verstand. Sie nickte eifrig. „Au ja, das machen wir!“
Geübt streifte Amy dem Rotbraunen die Lederriemen über den Kopf und führte ihn zum Stall hinaus, hinüber zur Scheune. Sie legte dem Pferd ein Geschirr