Konfliktmanagement als Werkzeug für Arbeitsgesundheit und Wertschöpfungsoptimierung in Unternehmen. Gunter Kremer

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am Arbeits-platz verändert. Es herrschen Leistungsverdichtung, beschleunigter Zeit- und Termindruck, hohe Verantwortung, informatorische Belastungen und die Notwendigkeit der Selbstorganisation von Arbeitsabläufen. Die Entstehung von Konflikten in diesem Spannungsfeld ist natürlich und vorhersehbar. Diese sind grundsätzlich Chancen für Veränderungen, jedoch auch anstrengend, zeitaufreibend und verursachen in ihrer destruktiven Form Kosten in allen Bereichen eines Unternehmens. Trotz dieser wirtschaftlichen Bedeutung werden Konflikte in Unternehmen aus verschiedenen Gründen (immer noch weitgehend) tabuisiert. Damit besteht eine Divergenz zwischen objektiver und subjektiver Notwendigkeit Verfahren und Prozesse zu etablieren, welche helfen, Konflikte in einer funktionalen Form zu behandeln.

      Inner- und außerbetriebliche Konflikte stellen besonders kleine und mittlere Unter-nehmen (KMU) vor diverse Probleme, da deren Organisationen weit weniger aus-differenziert sind als solche in großen Konzernen. Den KMU gilt deshalb das Hauptinteresse in dieser Arbeit. Erkenntnisse verschiedener Studien zeigen, dass Gründe für das Scheitern der Einführung von Konfliktmanagementsystemen (KMS) neben dem Fehlen entsprechender Strukturen und Verantwortlichkeiten, persönliche Unkenntnis und Vorbehalte sind. Aber selbst wenn KMU für sich (noch) keine Vorteile für eine systematische Konfliktbehandlung sehen, können bereits Anwendungen einzelner Komponenten deutliche Veränderungen bewirken, wie diese Arbeit zeigen wird. Die Grundannahme dabei ist, dass jede inadäquate Konfliktbearbeitung in Unternehmen hohe Folgekosten verursacht, welche die Wirtschaftlichkeit reduzieren. Wirtschaftsmediation ist eine Form der Konfliktbeilegung, welche versucht, dieser Ressourcen- und Wertvernichtung zu begegnen. Sie wird deshalb in dieser Arbeit als ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung und Wertschöpfungsoptimierung in Unternehmen beschrieben.

      Studien und Literatur zeigen, dass nur ein relativ geringer Anteil der betrachteten KMU über eigene Erfahrungen mit Wirtschaftsmediation verfügt. Auch wenn in den letzten Jahren ein stetiger Nutzungsanstieg von alternativen Streitbeilegungsverfahren zu verzeichnen ist, wird angesichts dieser geringen Anwendungspraxis unter-sucht, welche Konflikte in KMU vorwiegend wahrgenommen werden und welche Schlüsselfaktoren den Einsatz von Wirtschaftsmediation bestimmen.

      Eine Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass die Hürde für die Inanspruchnahme externer Hilfen in der (individuellen) Konfliktkultur der KMU liegt. Die Konfliktbearbeitung gilt originär als eine Aufgabe der verantwortlichen Führungskräfte, Personalverantwortlichen oder Betriebsräte, teilweise der Mitarbeiter selbst. Ein Hinzuziehen externer Unterstützung zur Konfliktbearbeitung wird (kulturabhängig) als ein Eingestehen des Scheiterns der internen Führungskompetenz interpretiert. Problematisch sehe ich diese Grundhaltung bei der Bearbeitung interner Konflikte, wenn diese zudem hierarchieübergreifend sind und damit die Führungskräfte selbst als Konfliktparteien auftreten. Es wird in dieser Arbeit geklärt, unter welchen Umständen der Einsatz von Mediation für alle Beteiligten in einem Unternehmen gewinnbringend sein kann.

      Um der geringen Anwendungspraxis von Mediation entgegen zu wirken, wird empfohlen, Mediation als Marke zu verstehen. Aus marketingstrategischer Sicht wird angenommen, dass das bisherige Vertrauen in die „Marke Wirtschaftsmediation“ noch (zu) gering ist – ihre Anwendung sogar mit einem unkalkulierbarem Kosten- und Ergebnisrisiko behaftet zu sein scheint. Vertrauen entsteht daher weniger gegenüber dem Produkt selbst, sondern eher gegenüber den Personen, die für dieses Produkt stehen. In dieser Arbeit wird deshalb die Ansicht vertreten, dass der Bekanntheitsgrad und das Vertrauen in interne Konfliktbearbeiter größer sein kann (bestimmte Rahmenbedingungen vorausgesetzt), in dessen Folge Mediation als Verfahren eine breitere Anwendung in Unternehmen findet und zum festen Bestandteil einer Unternehmenskultur werden kann.

      Bei der geringen Anwendungspraxis muss davon ausgegangen werden, dass es in Unternehmen ein geringes Bewusstsein für die ökonomischen Folgen eines Konfliktes zu geben scheint. Besonders die als „Soft- oder Wohlfühl-Faktor“ bezeichneten psycho-sozialen Konfliktfolgen sind nur schwer mit betriebswirtschaftlichen Mitteln zu beschreiben. Gerade durch diese fehlende Monetarisierung der durch Demotivation, Krankenstand und/oder Fluktuation entstanden Folgekosten, fehlen Ansatz-punkte und zielführende Maßnahmen dagegen. Diese Arbeit legt aus diesen Gründen den Fokus auf die Bearbeitung interner Konflikte.

      Für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Wertschöpfung und Effizienz) sind motivierte und psychisch gesunde Mitarbeiter essentiell. Der Schwerpunkt dieser Arbeit bildet damit die Frage, welche Konsequenzen nicht oder unsachgemäß gelöste Konflikte auf die individuelle Leistungsfähigkeit und Gesundheit haben (können) und welchen positiven Beitrag Mediation dazu leisten kann. Basierend auf Erkenntnissen der angewandten Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie wird u.a. in dieser Arbeit gezeigt, dass durch Konflikte ausgelöster Stress nicht nur ursächlich für psychische, sondern für praktisch alle Formen von Erkrankungen sein kann. Der betriebliche Krankenstand wird damit zu einer wichtigen Kenngröße hinsichtlich der unternehmerischen Konfliktkultur. Es wird gezeigt, dass durch systematische Konfliktbearbeitungen zur Senkung des Krankenstandes die betrieblichen Kosten direkt gesenkt werden, gleichzeitig die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter langfristig erhalten bleiben – ganz im Sinne einer „Win-Win“-Situation.

      In dieser Arbeit wird die Empfehlung gegeben, ein betriebliches Konfliktmanagement in bereits vorhandene Strukturen des Gesundheitsmanagements zu integrieren, für welches schon länger Notwendigkeiten und gesetzliche Bestimmungen existieren und deren Einführungswiderstände weitgehend überwunden sind. Damit können Synergien geschaffen und der Nutzen für Unternehmen deutlich sichtbarer werden als bisher. Dabei sei vorwegnehmend angemerkt, dass ein integriertes Konflikt- und Gesundheitsmanagement (IGKM) dann gelingen kann, wenn Verantwortungsträger über entsprechende Kompetenzen verfügen und eine generelle Bereitschaft zeigen, eine konsensorientierte Unternehmenskultur mit zu tragen.

      2. Konflikte im Wirtschaftskontext

      In allen anthropogenen Systemen, so auch in Wirtschaftsunternehmen, treffen Menschen aufeinander, welche diese Systeme schaffen, nach außen abgrenzen und durch Regel- und Ordnungssysteme selbst erhalten. Die vielfältigen Interessensdivergenzen, die beim Zusammenwirken dieser Menschen auftreten, führen in den unterschiedlichsten Formen zu Konflikten.

       2.1 Konflikttheoretische Grundlagen

      

      2.1.1 Konfliktdefinitionen

      Im Sinne der einleitenden Gedanken fundiert diese Arbeit auf dem Grundverständnis, dass Wirtschaftskonflikte als soziale Konflikte zu verstehen sind, welche nach Glasl als Interaktionen1 definiert werden und folgende Merkmale aufweisen:

       Die Teilnahme (mindestens) zweier Aktoren

       bei denen mindestens ein Aktor

       eine Differenz beziehungsweise Unvereinbarkeiten

       in Wahrnehmung,

       im Denken beziehungsweise Vorstellen,

       im Fühlen,

       im Wollen

       mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebe,

       dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denke, fühle oder wolle eine Beeinträchtigung

       durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.

      Bei der Interaktion, so Glasl, handele es sich um ein wechselseitiges, aufeinander bezogenes Kommunizieren und Handeln, bei dem es ausreichend sei, wenn nur einer der Aktoren die Situation als Konflikt erlebe. Wichtig sei zudem, dass zum Bestehen dieser interpersonalen2 Konflikte insgesamt alle der oben genannten Merkmale zutreffen müssen.

      Nach Giesen sind soziale Konflikte als soziale Beziehungen und Prozesse zu verstehen, in denen sich zwei oder mehrere Individuen (oder Gruppen) mit gegensätzlichen Interessen an bestimmten Problemlösungen voneinander unterschieden. In diesem Zusammenhang sind für Giesen (zusammengefasst und ergänzt) folgende Dimensionen für das Verständnis von Konfliktverläufen von Bedeutung: 3

      

       ein