Название | Das schwarze Geheimnis der weißen Dame |
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Автор произведения | Kolja Menning |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752916799 |
Delacourt schenkte Marie und sich selbst Wasser nach.
»Als sich abzeichnete, dass Mod’éco Potenzial hatte«, fuhr die Mod’éco-Gründerin fort, »haben wir das Managementteam rekrutiert. Wir wollten junge Leute, die noch wagten, groß zu träumen, und preiswert waren. Das funktionierte, und Philippe zog sich immer weiter aus den Angelegenheiten des Unternehmens zurück. Ich hätte nie gedacht, dass mir etwas so viel Spaß machen könnte, wie mit diesen fantastischen jungen Menschen zusammenzuarbeiten.«
Mit einem Mal verstand Marie, wieso Delacourt gar kein Interesse daran hatte, den Insider zu finden. Mod’éco war ihr Leben. Sie hatte nicht nur ihren Mitarbeitern viel gegeben; das Gleiche galt auch anders herum. War das Philippe Delacourt nicht klar? Falls doch – warum war ihm so viel daran gelegen, den Insider zu entlarven? Sie wollte auch wissen, wie Philippe Delacourts Sicht auf die Beziehung zu seiner Frau war. Schließlich war da ein anderer heikler Punkt: Mod’écos Marketingchefin hatte Marie am Morgen präzise beschrieben, welche Fähigkeiten man brauchte, um einen illegalen Insiderhandel so einzufädeln, dass das Risiko aufzufliegen möglichst gering war: eine ausgezeichnete Kenntnis der Finanzmärkte und von rechtlichen Fragen. Gael Johnsons Expertise. Doch vor Johnson hatte sich jemand anders um diese Themen gekümmert, und Anne Delacourt hatte Marie gerade darauf hingewiesen, wer diese Person war.
Eine Stunde später empfing Philippe Delacourt Marie in seinem Büro und bot ihr an, in einem teuer aussehenden schwarzen Ledersessel Platz zu nehmen.
»Was kann ich für Sie tun? Oder haben Sie den Insider schon?«
»Nein. Aber mir ist inzwischen recht klar, dass es nicht allzu viele Personen gibt, die als Insider infrage kommen.«
Sie machte eine Pause. Dann blickte sie Philippe Delacourt offen an.
»Aber Sie gehören auch dazu.«
»Sie gefallen mir!«, rief Delacourt aus und verzog den Mund zu einem Lächeln. »Francis hat wirklich nicht zu viel versprochen.«
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
»Wenn ich etwas mit der Sache zu tun hätte, hätte ich Sie wohl nicht beauftragt, Licht in die Angelegenheit zu bringen, oder?«
Marie hatte diesen Hinweis erwartet, hatte aber Delacourts Reaktion sehen wollen.
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, gab sie zu. »Mir scheint, dass es Ihnen viel wichtiger ist, den Insider zu finden, als dem Mod’éco-Managementteam. Wieso?«
»Wenn es so ist, wie Sie sagen, sollte man meines Erachtens eher fragen, wieso es für die anderen keine Priorität ist«, entgegnete Delacourt. »Doch sei’s drum. Mir geht es um den guten Ruf Mod’écos.«
»Wie das?«
»Der Ruf eines Unternehmens ist besonders wichtig, wenn es an der Börse notiert ist. Die Gewinnwarnung so kurz nach dem Börsengang kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Aber das passiert, besonders wenn man ein junges, ehrgeiziges Team hat. Dank dieses Teams haben wir viele Sympathien. Wir hatten einen Joker, den wir jetzt verspielt haben. Wenn jetzt aber bekannt würde, dass da hinter den Kulissen mehr faul ist, zum Beispiel jemand falschspielt ...«
Marie nickte. Sie hörte nicht mehr zu, wie Delacourt seinen Satz beendete. Er hatte da durchaus einen Punkt. Marie war aber auch noch etwas anderes klar geworden: Es ging Delacourt nicht nur um den Ruf des Unternehmens. Es ging ihm auch um seinen eigenen Ruf. Möglicherweise hing da weit mehr für ihn dran. Wenn Marie es richtig einschätzte, ergab Delacourts besonderes Interesse an einer Klärung der Situation durchaus einen Sinn. Das würde ihn auch weniger verdächtig machen.
»Ist das auch der Grund, warum Sie sich nicht scheiden lassen?«, fragte Marie weiter, wissend, dass sie sich auf dünnes Eis begab.
»Das ist eine sehr persönliche Frage.«
»Sie haben mich beauftragt, die Sache zu untersuchen. Ihre Frau und Sie gehören beide zum Kreis der Verdächtigen«, erwiderte Marie. »Da kann ich um Privates keinen großen Bogen machen.«
»Na gut«, sagte Delacourt schließlich. »Dann will ich offen sein. Der Imageschaden, den wir beide und auch Mod’éco von einer Scheidung davontragen könnten, spielt eine wichtige Rolle, ja. Hinzukommt, dass wir einen Ehevertrag haben. Dieser Vertrag sieht unter anderem vor, dass ich im Falle einer Scheidung einen recht großen Teil meines Vermögens an Anne abtreten müsste. Ehrlich gesagt, die Idee missfällt mir.«
»Aber wieso?«, fragte Marie unschuldig, »selbst wenn Sie, sagen wir, die Hälfte Ihres Vermögens abtreten würden, bin ich sicher, dass Sie immer noch ein sehr reicher Mann wären.«
»Zweifellos«, bestätigte Delacourt, doch sein Ton war nicht mehr so entspannt wie vorher.
»Also warum nicht?«, hakte Marie nach. »Ihre Frau hat mir erzählt, dass ... hm, wie sage ich das am besten? ... dass Ihre Beziehung gelitten hat, weil es mit dem Nachwuchs nicht geklappt hat. Eine Scheidung und dann ein erneuter Versuch mit einer anderen Frau wären doch möglicherweise eine Chance gewesen.«
»Dann sagen Sie mir doch, was Sie an meiner Stelle gemacht hätten! Vielleicht befolge ich Ihren weisen Rat.«
Marie zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Sie sind ein eleganter Mann, Sie haben Geld ... OK, Sie sind nicht mehr der Allerjüngste, aber Sie sind noch nicht zu alt. Sollte nicht allzu schwer für Sie sein, eine andere Frau zu finden.«
»Wollen Sie mir einen Antrag machen?«
»Nein, ich –«
Doch Delacourt ließ sie nicht weiterreden.
»Sie scheinen mir eine ausgesprochene Romantikerin zu sein«, stellte Delacourt ironisch fest. »Die geliebte Ehefrau einfach so austauschen, das schlagen Sie also vor. Wie ich sehe, hat Anne Ihnen also nicht alles erzählt!«
»Wieso?«
»Wissen Sie denn nicht, warum wir keine Kinder haben?«, fragte Delacourt.
Mist! Marie ahnte, was jetzt kommen würde. Wie hatte sie diesen Punkt außer Acht lassen können?
»Weil ich keine Kinder haben kann!«, fuhr Delacourt fort. »Das hätte also wohl mit einer anderen Frau auch nicht so gut geklappt! Oder sehen Sie das anders?«
Marie entging sein Sarkasmus nicht. Einen Moment lang war sie wie vor den Kopf gestoßen. Wie hatte sie nur in ihrer Provokation so weit gehen können, ohne Bescheid zu wissen? Hatte sie Delacourt falsch eingeschätzt?
»Das ... wusste ich nicht«, sagte sie entschuldigend.
»Ich will Ihnen mal was sagen, Frau Bouvier!«, fuhr Delacourt fort. »Das Thema mit der Familie war vielleicht – nein, mit Sicherheit – eine bittere Pille für mich. Aber ich bin darüber hinweg. Was mich heute noch reizt, sind Business Challenges! Sie werden es mir vielleicht nicht glauben, aber in den letzten zehn Jahren hatten Anne und ich vermutlich nicht mehr als zehnmal Sex! Trotzdem bin ich Anne seit unserer Hochzeit treu! Hundertprozentig! Ich schätze den Anblick einer schönen Frau. Als Sie hier vorhin hereingekommen sind, habe ich mich, wie schon bei unserer ersten Begegnung, an Ihrem Anblick erfreut. Sie sind – aber das werden andere Ihnen