Название | Das schwarze Geheimnis der weißen Dame |
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Автор произведения | Kolja Menning |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752916799 |
»Frau Bouvier hat mich gefragt, ob ich in die Sache involviert bin«, erklärte der junge CFO sachlich. »Und das kann ich wohl kaum leugnen. Ich bin für die Finanzen dieses Unternehmens zuständig. Meine Abteilung bereitet sämtliche Finanzinformationen auf, die dann von dem PR-Team nach außen kommuniziert werden. Natürlich bin ich involviert!«
Er ist uns wieder einen Schritt voraus, stellte Marie fest, konnte sich jedoch nicht so recht darüber ärgern. Wider Willen empfand sie Bewunderung für den jungen Mann. Er war höchstens Ende zwanzig, steuerte die Finanzabteilung eines jungen, extrem schnell wachsenden Unternehmens und wusste offenbar auch mit Situationen wie dieser umzugehen. Wer war schon souverän, wenn er von der Kriminalpolizei befragt wurde?
»Ich habe in einer Stunde einen Termin mit einer unserer Banken in La Défense, den ich nur ungern verpassen würde«, sagte Johnson, auf seine Armbanduhr blickend. »Können wir das Gespräch ein andermal fortsetzen?«
Vielleicht ist es sogar besser, wenn Johnson bei weiteren Gesprächen nicht anwesend ist, dachte Marie. Er schien deutlich souveräner als zum Beispiel seine Chefin. Wenn sie und de Mirabeau etwas herausfinden wollten, dann vermutlich eher von anderen.
»Ich denke, für heute können wir Sie entbehren«, antwortete sie. »Sicher werden wir aber später noch zahlreiche Fragen haben.«
»Kein Problem. Melden Sie sich einfach bei mir.«
»Gut«, beschied Marie und wandte sich an Anne Delacourt. »Wir benötigen sämtliches elektronisches Gerät der Mitarbeiter, die als Insider infrage kommen. Laptops, Handys und so weiter. Es ist unwahrscheinlich, dass wir darauf etwas finden, aber wir müssen das prüfen.«
»Natürlich«, sagte Anne Delacourt pflichtbewusst.
Sie ist nicht so gelassen wie Johnson, stellte Marie fest.
Johnson hatte ein Post-it von einem auf dem Konferenztisch liegenden Block gelöst und etwas darauf geschrieben. Er fischte sein Mobiltelefon, ein iPhone 4, wie Marie erkannte, aus der Hosentasche, klebte das Post-it darauf und reichte es Marie. Marie nahm es entgegen und warf einen Blick auf die vier Zahlen auf dem Post-it. 2-7-0-5.
»Ich habe es ausgeschaltet, damit Sie nicht all die lästigen Anrufe erhalten, die mir gelten. Das hier ist mein Geburtstag«, erklärte Gael Johnson feierlich. »Und gleichzeitig der Code, um das Gerät zu entsperren.«
In ein paar Tagen, dachte Marie.
»Bevor ich gleich gehe, werde ich Ihnen noch meinen Laptop geben«, fuhr der junge CFO fort. »Und eine Liste mit vier weiteren Kollegen aus meinem Team, die über das nötige Wissen verfügen, um theoretisch die Informationsgeber von Frau Courtois zu sein, auch wenn ich mir sehr sicher bin, dass sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen.«
»Danke«, sagte Marie überrascht über dieses unerwartete Maß an Kooperation. An die Gründerin Mod’écos gewandt, fügte sie hinzu:
»Wir benötigen mindestens auch die Geräte des gesamten restlichen Managementteams.«
»Natürlich«, erwiderte Anne Delacourt. »Ich werde das sofort veranlassen. Nur Anne Cabart, unsere Marketingchefin, ist noch bis morgen im Urlaub in Thailand. Ihren Laptop und ihr Handy hat sie bei sich.«
»Danke. Hier ist meine Karte«, sagte Marie und reichte Anne Delacourt eine ihrer Visitenkarten. »Rufen Sie mich bitte an, falls Sie Informationen für uns haben.«
»Insiderinformationen?«, fragte Gael Johnson mit einem belustigten Lächeln.
Anne Delacourt räusperte sich vernehmlich, sagte jedoch nichts. Sie nahm die Karte entgegen, wandte sich ab und entfernte sich ein paar Schritte, um ein paar Worte mit ihrem Mann zu wechseln.
Als Marie auch dem jungen CFO ihre Karte gab, trafen sich ihre Blicke, während ihre Hand seine für einen Sekundenbruchteil berührte.
»Sie können mich jederzeit kontaktieren ...«, sagte sie steif.
»Ich werde darüber nachdenken«, entgegnete der junge Mann und lächelte verheißungsvoll.
»... falls Sie ein Geständnis ablegen wollen«, fügte Marie hinzu.
»Vielleicht später«, erwiderte Johnson.
Marie machte Anstalten, sich abzuwenden, als der CFO sagte:
»Warten Sie!«
Marie wandte sich wieder ihm zu. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Gründerin von Mod’éco sich von Philippe Delacourt verabschiedete.
Geschäftspartner, ja, ein sich liebendes Ehepaar, nein, stellte sie fest. Wie Delacourt gesagt hatte. Doch irgendwie hatte Marie in diesem kurzen Augenblick den Eindruck, dass auch diese geschäftliche Beziehung nicht auf Augenhöhe stattfand. Philippe Delacourts Körpersprache war souverän und dominant – ganz das Gegenteil von der seiner Frau. Maries Hauptaugenmerk war jedoch auf Johnson gerichtet, der einen Kugelschreiber aus der Tasche seiner Jeans gefischt hatte und damit etwas auf der Rückseite der Karte, die er soeben von Marie bekommen hatte, notierte.
»Hier!«, sagte er, Marie die Karte zurückreichend, und lächelte. »Falls Sie mich gern erreichen wollen jetzt, wo Sie mein Handy haben.«
Zögernd nahm Marie die Karte und achtete darauf, dass sich ihre Hände dieses Mal nicht berührten.
Gael – 01.33.42.15.69 – any time.
»Mein Festnetz zu Hause«, erklärte Johnson. »Wenn ich nicht zu Hause bin, ist es auf mein Telefon hier im Büro weitergeleitet. So, ich muss los! Bis bald!«
Marie blickte ihm ein paar Sekunden nach. Schließlich gab sie sich einen Ruck. Sie hatten hier noch zu tun.
Nachdem Philippe Delacourt sich auch von Marie und Christophe de Mirabeau verabschiedet hatte, trafen Marie und ihr Kollege bis auf die verreiste Marketing-Chefin Anne Cabart einzeln die restlichen Mitglieder des Mod’éco-Managementteams.
Dabei erlebte Marie eine Enttäuschung. Die Aussagen des Personalchefs, des Produktionschefs, der Design- und der Technologiechefin von Mod’éco stimmten in allen Punkten überein. Keiner kannte eine Patricia Courtois. Alle erwähnten eine Krisensitzung am Sonntag, dem 10. April 2011. Das Managementteam hatte gerade die vorläufigen Zahlen des ersten Quartals gesehen, und Gael Johnson hatte den anderen erklärt, was sie zu erwarten hatten: Sie würden den Markt enttäuschen, die Aktie entsprechend aller Voraussicht nach an Wert verlieren. Unabhängig davon mussten sie etwas tun. Also steckten sie die Köpfe zusammen wie zur Anfangszeit ihrer Zusammenarbeit. Sie waren sehr produktiv an jenem Sonntag und zufrieden mit den Plänen, die dabei herauskamen. Sie bestellten Pizza und italienischen Rotwein und genossen ihre Gesellschaft. Sie waren ein eingespieltes Team. Auch ihre Aussagen stimmten dermaßen überein, dass man den Eindruck bekommen konnte, sie wären alle eine einzige Person. Keiner von ihnen war bereit, einen Verdacht zu formulieren. Alle betonten bezüglich der schlechten Quartalsergebnisse, dass sie schon seit Jahren aus Fehlern am meisten lernten, und dass es nach vorne zu blicken galt. Und alle händigten fast auffällig bereitwillig ihre Laptops und Smartphones aus.
Am frühen Nachmittag fuhr Marie ins Kommissariat und machte ein paar Grundlagenrecherchen. Sie rief mehrere Finanzanalysten an und befragte sie nach ihrer professionellen Meinung zu dem jungen Unternehmen. Die Experten bestätigten einstimmig den Eindruck, den Marie selbst gewonnen hatte: Die unerwartet schlechten Ergebnisse zum ersten Quartal waren ein Schock für den Markt gewesen, was aber hauptsächlich daran lag, dass sie eben unerwartet gewesen waren. Grundsätzlich sei die Lage Mod’écos weiterhin aussichtsreich. Einer der Analysten ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass dieser schmerzhafte Dämpfer durchaus positiv sein könnte, weil die Erwartungen des Marktes so auf ein realistisches Niveau gesenkt würden. Wichtig sei, jetzt nicht nervös zu werden, was für das Unternehmen bedeutete, das Kapital aus dem Börsengang intelligent zu investieren. Für Anleger bedeutete es, Geduld an den Tag zu legen.
Um 17 Uhr verließ