Название | Brennpunkt Gastronomie |
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Автор произведения | Rene Urbasik |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753181912 |
Hinzu kommt der Zeitfaktor. In vielen Betrieben schließt die Küche zwischen 21 Uhr und 21.30 Uhr. Geht es länger, erwarten die Herren Köche selbstverständlich eine Überstunden-Gratifikation. Daher sind die Betreiber daran interessiert, das Kapitel Verköstigung der Gäste schnell hinter sich zu bringen. Was natürlich nicht möglich ist, wenn es während der Menüfolge ständig Umbestellungen und Rückläufer gibt. Hinzu kommen noch Reden und Auftritte während der einzelnen Gänge. In der Regel besprechen die Bankettleiter mit dem Brautpaar den Ablauf ihres Festes. Es wird festgelegt, wann das Brautpaar eine Pause wünscht, wann eine Darbietung geplant ist und wie lange diese in etwa dauern wird. All die schönen Pläne werden einmal mehr über den Haufen geworfen, wenn sich plötzlich Gast XY erhebt und ungeplant eine ausufernde Ansprache hält. Ganz blöde, wenn gerade ein halbes Dutzend Kellner mit dem Hauptgang in den Festsaal einmarschiert. Ich habe mehrfach erlebt, dass diese Ignoranten uns dann anwiesen, uns flugs wieder in die Küche zurück zu trollen. Aber nix da, du selbstverliebter Egomane, melde deine Rede gefälligst vorher beim Oberkellner an. Damit du deinen großen Auftritt hast – dafür werfen wir nicht den gesamten Serviceablauf über Bord.
Überhaupt – die Reden und Auftritt auf Hochzeitsfeiern. Klar, dass der Bräutigam mit ein paar markigen Worten seine Liebe zur frisch Angetrauten öffentlich zementieren muss. Auch für ein Statement des Brautvaters habe ich noch Verständnis – allerdings nicht für Reden über 10 Minuten. Wozu braucht es Leinwand-Projektionen in Spielfilmlänge, wo Sybilles gesamtes Leben, vom ersten Furz im Kinderbett bis zum Verlust der Jungfräulichkeit, für alle Anwesenden dokumentiert werden? Was soll Claudia und Horsts Auftritt, in dem sie allen Anwesenden in Form eines vergaloppierten Reimes erklären, wie lieb sie das Brautpaar doch hätten? Kimberly Jolante und ihr neuer Partner aus dem Senegal machen es auch nicht besser. Sie initiieren das erste von insgesamt drei Party-Spielchen. Das allseits beliebte Ratespiel „Wie gut kenne ich meinen Partner?“. Sybille soll Thorstens Lieblingstier (vietnamesisches Hängebauchschwein) erraten und Thorsten Sybilles Lieblingsfarbe (kariert). Kimberly Jolante und ihr senegalesischer Begleiter kennen das Spielchen noch zur Genüge vom Besuch des Ausländeramtes, dass sich auf Aufdecken von Schein-Ehen spezialisiert hat. So richtig zünden will das Spiel nicht, zieht sich dafür wie Kaugummi. Es wird locker 24 Uhr, bis der ganze Unfug endlich vorbei ist. Jetzt erst kann der DJ dem Feiervolk einheizen. Der erste Song ist noch nicht einmal vorbei, da kommt auch schon der Lokalinhaber angerannt und schnauzt den DJ an, er solle die Musik gefälligst leiser stellen, wegen der Nachbarn. Das sei auch so mit dem Brautpaar besprochen worden. So plätschert der Abend dahin und Sybille und Thorsten wünschten sich insgeheim, sie hätten einen fähigen Wedding planner zurate gezogen, der ihr großes Fest in die richtige Bahn gelenkt hätte. Stolpersteine überall…
Die schönsten Hochzeiten, auf denen ich gearbeitet habe, waren immer diejenigen ohne großes Brimborium. Ein toller Empfang mit Häppchen zur Linderung des ersten Appetits, gefolgt von einem entspannten Menü und so Gott will – noch etwas musikalische Unterhaltung durch Live-Musiker. Falls es doch ein DJ sein soll – so knausert bloß nicht an der falschen Stelle. Was gibt es Schlimmeres als einen egozentrischen Hobbyplattenaufleger, der den Anwesenden seinen persönlichen Musikgeschmack aufzwingen möchte. Zum Glück geht der Trend inzwischen zur Zweit- oder Dritthochzeit. So manche Braut oder Bräutigam durfte ich gar zum zweiten Mal in unserer Herberge begrüßen, im Normalfall mit einem anderen Partner. Das macht es für alle Protagonisten leichter. Die frisch Vermählten und das Service-Team sind bereits aufeinander geeicht. Jeder weiß, was er vom anderen zu erwarten hat. Die Gastgeber werden relaxter, die Abläufe sind ein Stück weit routinierter und überhaupt – der ganze Abend Entspannung pur. Lasst doch einfach die erste Hochzeit ausfallen und beginnt mit der zweiten.
Ach und ganz zum Schluss – bitte vergesst das Trinkgeld nicht. Hochzeiten sind jedes Mal eine furchtbar aufwendige Angelegenheit. Wenn das Brautpaar und ihre Gäste den Festsaal betreten, sind die Herren und Damen von der Service-Front schon viele Stunden auf den Beinen. Sie haben Besteck und Gläser poliert, eingedeckt und den Raum geschmückt. Während der Feier sind sie für euch da und wenn ihr schon die Äuglein geschlossen habt, räumen sie noch immer den Saal auf. Bei Beträgen über 5.000 Euro 20 Euro Trinkgeld für 3-4 Kellner rauszurücken, halte ich persönlich für eine Frechheit. Hochzeiten sind oft zähe Veranstaltungen, die den Kellnern einiges abverlangen. Physisch und psychisch. Dankt ihnen dafür. Seid nicht all zu knauserig.
Können Sie mal ein Foto machen?
„Können Sie mal ein Foto von uns machen?“ hörte ich eine aufgeregte Jungmännerstimme in meinem Windschatten. Kaum drehte ich mich langsam um, hielt mir ein nervöser Knabe sein Smartphone ins Gesicht. Wäre er noch ein bisschen aufdringlicher auf mich zugekommen, wäre eine Kollision mit meiner Stirn unumgänglich gewesen. Puh, da hatte ich ja noch einmal Glück gehabt. Warum der blonde Schlacks so aufgekratzt war, konnte ich beim Anblick seiner jugendlichen Begleiterin erahnen. Eine langbeinige Blondine im kurzem Mini und mit tiefem Ausschnitt stand einen Meter hinter dem Burschen und schaute gelangweilt, Kaugummi kauend, umher. `Wo der Pickelkopf die Schnecke wohl aufgerissen hatte?` dachte ich. Ob die Dampfbluse seinem Charme erlegen war oder eher der Anziehungskraft seiner gut gefüllten Brieftasche, konnte man bereits erahnen, ohne ein wacher Beobachter zu sein. Sah im Übrigen verdammt nach dem ersten Date aus und, ohne in Häme zu verfallen, wahrscheinlich auch das letzte.
Sei es drum – da stand ja noch der Wunsch nach einem von mir geschossenen Foto im Raum. „Ähem ja klar, kann ich machen“ entfuhr es mir in bester Dienstleistungsmanier. Ich nahm das Samsung Galaxy (noch nicht einmal iPhone – tzzzzt, schäm dich) und drückte auf den Auslöser. „Ey, danke Mann“ entfuhr es dem Möchtegern-Casanova und schon flatterten die zwei Täubchen von dannen. Ich schaute der blonden Praline noch kurz auf den wohlgeformten Hintern und wandte mich dann wieder den anderen Gästen zu. Die machten allesamt den Eindruck, als wären sie gerade bestens bedient und wunschlos glücklich. Na dann, Zeit für ein kleines Päuschen.
Die kleine Foto-Begebenheit folgte mir noch ein wenig nach. Es hätte durchaus schlimmer kommen können gerade eben. Nur ein einziges, simples Bildchen brauchte ich heute zu knipsen. Das war mein persönlicher Minus-Rekord für die letzten sechs Monate. Unglaublich. Musste an der Nervosität des verliebten Gockels gelegen haben. Anders war diese Genügsamkeit nicht zu erklären. Für gewöhnlich kam ich nicht unter fünf Bildchen aus der Nummer heraus. Wenn es blöd lief, hielten mir auch noch sämtliche Begleiter ihre Mobiltelefone mit eingebauter Hochleistungskamera entgegen und erwarteten ebenfalls ein persönliches Erinnerungsfoto.
Ich erinnere mich ziemlich genau an eine 12-köpfige Gruppe Spanier, die während eines wüsten Gelages, allesamt ein Bild mit der eigenen Kamera von mir verlangten. Bei Torero Nummer drei brach ich dann meine Fotokünste ab – sehr zum Missfallen der andalusischen Gäste. Ich verwies darauf, dass doch bestimmt ein jeder von ihnen Whatsapp auf seinem Handy installiert hätte, wodurch