Josef in der Unterwelt. Martin Becker

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Название Josef in der Unterwelt
Автор произведения Martin Becker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742726087



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eins:“ brummte er, und klang mit seiner Stimme nicht sehr überzeugend. „Ich kann unheimlich wütend werden. Sagen Sie mir, was das alles zu bedeuten hat.“

      Der Alte schaute ihn ruhig an. „Wir mussten uns trennen, verstehst du? Komm, setz dich.“

      Josef setzte sich widerwillig neben den Alten auf den Stein.

      „Weißt du, Josef“, sagte er und machte dabei eine künstlich lange Pause, „Ich bin dein Schatten.“

      „Was?“ Josef lachte ungläubig auf.

      „Ich bin dein Schatten“, wiederholte der Schwarze, „dein Schatten.“

      Der Junge blickte ihn von der Seite an und zog seine Augenbrauen nach oben.

      „Ich warne Sie, halten Sie mich nicht zum Narren.“

      „Siehst du die Sonne? Ja? Schau jetzt hinter dich auf den Stein. Siehst du? Wo ist dein Schatten? Da ist kein Schatten. Das bin nämlich ich.“

      Josef betrachtete verwundert die Stelle, wo sich sein Schatten befinden sollte. Aber er hatte keinen Schatten. Die Sonne war unerträglich grell.

      Der Mann deutete auf sich. „Ich bin dein Schatten. Normalerweise bin ich da, wo dein Schatten sein sollte, aber jetzt sitze ich neben dir. Siehst du. Ich bin dein echter Schatten.“

      Der Alte grinste breit über das faltige Gesicht und zeigte dabei seine großen Zähne.

      „Mein Schatten?“ fragte Josef und kapierte jetzt gar nichts mehr.

      „Normalerweise bin ich immer bei dir“, erklärte der Alte weiter und zeigte auf die Stelle auf dem Stein, an der er sich befinden sollte.“ Ich war schon immer so bei dir. Pass mal auf, ich erkläre dir das: Immer wenn ein Licht auf dich fiel, war ich bei dir. Ja, du warst immer zwischen dem Licht und mir. Wir beide haben dich zwischen uns gehalten, dein ganzes Leben lang.“

      Josef schüttelte den Kopf. „Ich versteh das nicht, tut mir leid.“

      „Ist das so schwer zu verstehen?“ Dem Alten begann das Gespräch allmählich Spaß zu machen.

      An seinen listigen Augenwinkeln bildeten sich kleine Fältchen bis zum Haaransatz.

      „Vergiss doch einfach, dass es nur Dinge gibt, die du sehen und hören kannst. Ich war bei dir, dein Leben lang.“

      Josef betrachtete die hagere Figur von der Seite: „Aber wieso kann ich Sie erst jetzt sehen und vorher nicht?“

      Der Alte lachte auf. „Du kannst mich immer noch nicht sehen. Ich bin nur verkleidet, siehst du?“

      Er stand auf und zeigte sich Josef in ganzer Schönheit. „Weißt du, was ich bin? Na? Ein Totengräber. Haahaahaa.“ Er beugte sich vor Lachen. „Gut nicht? Steht mir gut, gell? Haahaahaa.“

      Er wischte mit dem Ärmel über den Zylinderhut.

      „Ich musste das tun. Ich muss mich verkleiden, sonst glaubst du mir nie, verstehst du? Ich muss mich personizifizieren, oder so, damit du mich sehen und hören kannst. Perfekt, was?“

      Josef schaute ihn mit finsterem Blick an und konnte nicht mitlachen. „Jetzt im Ernst: Was wollen Sie von mir?“

      „Was ich will?“ Der Alte setzte sich wieder neben Josef.

      „Ich will mich von dir trennen, das will ich. Es muss sein.“

      Josef zeigte mit der Hand in die Ferne. „Ich halte Sie bestimmt nicht auf. Bitte, Sie können gehen.“

      Er stand auf. „Außerdem muss ich Eva, meine Freundin suchen gehen. Sie ist weggegangen, mit einer Frau. Wo ist sie?“

      Der Alte zog Josef sanft am Hosengurt wieder zurück auf den Stein.

      „Nein, nein, das geht nicht so leicht. Die Sonne. Immer, wenn das Licht scheint, muss ich bei dir sein. Ich kann mich nicht einfach so von dir trennen.“

      Josef wurde ungemütlich „Dann warten wir eben bis heute Abend, und dann können Sie gehen.“

      Der Alte tätschelte ihn auf die Schulter.

      „Josef“, sagte er ruhig und gedehnt, „du verstehst mich falsch. Ich muss mich von dir trennen. Das geht nicht so einfach. Du kannst ja auch nicht einfach dein Bein wegschicken und sagen: `Geh doch` Ich gehöre zu dir, wie dein Bein, hörst du?“

      Josef wollte sich nicht beruhigen lassen. „Warum machen Sie dann diesen Aufstand? Mich nervt das langsam. Wissen Sie was? Ich glaube, Sie ticken nicht ganz richtig.“

      Der Alte stand auf und sammelte einige Steine. Er begann, mit den Steinen ein Feld von zwei Mal einen Meter abzustecken. Während dieser Beschäftigung redete er ruhig weiter. Josef schaute ihm zu.

      „Das einzige, was ich will, ist mich von dir trennen. Das ist alles.“

      „Trennen“, sagte Josef weiter. „Was soll denn das Ganze mit der Trennung? Wir sind doch getrennt. Ich bin hier, und Sie sind dort.“

      „Nein, nein, nein“, sagte der Totengräber und stellte sich vor Josef hin. „Die Trennung zwischen uns beiden ist nicht körperlich zu sehen. Du kannst tausend Meter weg von mir sein, und doch sind wir nicht getrennt.“

      „Ja, wie denn sonst?“

      „Das ist wie bei einem Ehepaar: Die sind zusammen, auch wenn sie voneinander getrennt sind. Verstehst du? Wenn sie sich wirklich trennen wollen, dann müssen sie sich scheiden lassen. So ähnlich ist das mit uns beiden auch. Wir müssen uns scheiden lassen.“

      „Aber wieso wollen Sie sich von mir scheiden lassen?“ Josefs Stimme schlug Kapriolen.

      „Mein Josef“, sagte der Schwarze unbeirrt, „du warst schon immer ungeduldig. Was glaubst du, wie oft ich dir schon das Leben retten musste, weil du so ungeduldig warst? Weißt du noch, als ihr den Baum fällen wolltet, und damals, als du wegen der Katze aufs Scheunendach geklettert bist? Oder als ihr eine Bombe basteln wolltet? Wer, glaubst du wohl, hat dir jedes Mal das Leben gerettet? Hä? Dein Schutzengel, mmh? Nee, das war ich, mein Lieber.“

      Der Alte nickte und tippte sich dabei auf die Brust.

      Das war alles richtig: Die Bombe war wunderbar explodiert und hätte Josef und seinen Freund beinahe zerfetzt. Doch ihnen war nichts passiert, während die Garagenwand gespickt war mit Metallsplittern. Josef war erschreckt darüber, dass der Alte diese Geschichte aufzählen konnte, die nicht einmal seine Eltern, geschweige denn der Garagenbesitzer kannte. Und das Scheunendach. Josef war im freien Fall vier Meter in den Misthaufen gefallen, mit der kleinen Katze fest in beiden Händen. Da war kein Mensch weit und breit, der diese Geschichte hätte weitererzählen können. Er hatte aber so gestunken, dass er noch Tage lang den Mistgeruch in den Hautporen roch. Allmählich schien es Josef zu dämmern. Anscheinend hatte der alte Mann doch recht, oder schien nicht der Verrückte zu sein, für den er ihn hielt.

      „Wer sind Sie?“ fragte Josef.

      In seiner Stimme war der ganze Unwillen gewichen in Neugier.

      „Dein Schatten“, lächelte der Alte, „Ich bin dein Schatten. Und weil du so ein Dussel bist, hast du die ganze Sache durcheinandergebracht.“

      Josef zeigte auf sich. „Ich?“

      „Ja, du“, nickte der Alte. „Du hast dich an mir festgehalten. Du hättest das nicht tun sollen. Jetzt sind wir beide noch am Leben, und ich weiß nicht mehr weiter.“

      Josef lachte ungläubig auf. „Aber, ich wollte mich doch retten.“

      „So ein Quatsch, retten. Meinst du, mir hat das Spaß gemacht?“ der Alte klatschte sich an die Stirn. „Ich habe mir auch etwas dabei gedacht.“

      Josef schaute ihn an.

      „Und wie konnten wir diesen Sturz überleben?“

      „Weil ich schon einen Körper hatte“, erklärte der Schwarze und hob den Finger. „Ich hatte schon einen Körper und daher durfte ich nicht sterben. Schatten dürfen