Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

Читать онлайн.
Название Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор произведения Ludwig Bechstein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742749215



Скачать книгу

Schatz zu besitzen,

       und ließ eine kleine goldene Truhe anfertigen, besetzt

       mit Edelgesteinen und sehr kunstvoll, und in getriebenem

       Golde den Namen der Herrin, der er diente, auf

       dem Deckel der Truhe anbringen. Darauf schickte

       sich der Graf zur Heimreise an, voll Hoffnung auf

       endliches Glück. Aber das Geschick zeigte sich ungünstig.

       Auf der weiten Meerfahrt von Palästina nach

       den Küsten Italiens erhob sich ein furchtbarer Sturm,

       welcher das Schiff zu scheitern brachte, kaum daß die

       Mannschaft das nackte Leben davonbrachte. Alle

       Habe des Grafen und auch jenes wertvolle Kästchen

       verschlangen die Wogen des Adriatischen Meeres. –

       Arm und gebeugten Geistes, bekümmerten Herzens,

       ein bettelnder Pilgrim, durchreiste der Graf die Gauen

       Welschlands und Deutschlands, und so kam er auf

       seinen Heimatburgen wieder an, wo er zwar des Gutes

       und Geldes genug fand, allein nichts, was seinen Verlust

       hätte ersetzen können. Betrübt suchte er die Gräfin

       auf, sie hieß ihn freudig willkommen, er fand sie

       schöner und liebenswürdiger als je vorher, das

       schmerzte ihn um so tiefer, und er sprach: Frau Gräfin,

       Ihr seht mich mit leerer Hand Euch wieder nahen.

       Ich hatte ein kostbares Reliquienstück, einen echten

       Span vom Kreuze unsers Herrn, wohlbewahrt in köstlichem

       Schrein, für Euch vom Heiligen Lande mitgebracht.

       Ein Sturm, der unser Schiff scheitern ließ,

       raubte mir alle meine fahrende Habe und auch jenes

       Kleinod, das für Euch bestimmt war, das mein Glück

       an Eurer Hand begründen sollte. –

       Armer Graf, sprach die Gräfin, und ihre Augen

       strahlten ihn liebereich und minniglich an, so bringt

       Ihr vom Kreuze des Herrn keinen Span heim? War

       denn vielleicht auf dem Kästchen, das Euch der Meersturm

       raubte, mein Name zu lesen?

       Der Graf hörte ganz erstaunt diese Worte, er glaubte

       zu träumen und rief: Beim Kreuze des Heilands,

       Frau Gräfin, wie könnt Ihr wissen? –

       Gottes Hand, der Heiligen Fügung! antwortete

       ernst und liebreich die Gräfin, erschloß einen Schrein,

       nahm aus diesem des Grafen goldne Truhe und hielt

       sie dem Staunenden unter die Augen. Heute in der

       Morgenstunde hat es an mein Burgtor geklopft, wie

       der Pförtner öffnet, steht ein Jüngling draus, hell gekleidet,

       mit einem Antlitz schön wie die Morgenröte.

       Der spricht: Für deine Herrin – und gibt dem Pförtner

       dieses Kleinod in die Hand. Wie der es betrachtet und

       wieder zu dem Jüngling aufblickt, ist derselbe schon

       hinweggeschwunden. Brauchen wir weiter Zeugnis?

       Wir haben gehofft, jetzt laß uns glauben und lieben! –

       Mit diesen Worten fiel die junge Witwe dem Grafen

       um den Hals und küßte ihm den Verlobungskuß unter

       Freudentränen. Und als beide miteinander vermählt

       waren, erbauten sie eine neue Burg und ein Kloster,

       und gründeten einen Ort, und nannten den Spanheim,

       und stifteten den heiligen Span in ihr Kloster, und das

       Kloster begabte mit kleinen Partikeln von dem Span,

       reich in Gold gefaßt, auch das nachbarliche Kloster

       Kreuznach, ja dessen alter Name Crucinaha, dem

       Kreuze nahe, soll sogar davon abstammen. Und das

       Geschlecht der beiden Vermählten blieb gesegnet

       vom Herrn, viele fromme und berühmte Männer und

       Frauen gingen aus ihm hervor, stifteten Klöster, bauten

       Kirchen, kämpften im Heiligen Lande oder wandelten

       selbst als heilige Personen durch das Leben.

       83. Vom Ursprung des Moselweins

       Es ist eine alte Sage, daß der herrliche Moselwein aus

       dem deutschen Franken stamme. Merowig, der Westfranken

       König, habe zwölftausend Bewohner des Mosellandes

       in das morgenländische Franken geführt und

       aus letzterem zwölftausend Einwohner in das Moselland

       versetzt. Diese östlichen Franken waren gute

       Wingersleute, entnahmen aus ihrem heimatlichen

       Boden edle Reben und pflanzten diese im neuen Vaterlande

       an, wo sie herrlich gediehen und liebliche

       Weine lieferten bis auf diesen Tag.

       Die Mosel entspringt im Vogesengebirge im deutschen

       Sundgau aus zwei Hauptquellen, deren Flüsse

       sich bei Remiremont vereinigen, und durchfließt in

       den mannigfaltigsten Krümmungen das welsche Lothringen,

       dann begrüßt sie deutsche Gaue und rauscht

       altberühmten Städten vorüber.

       Wie vom Frankenwein bis auf den heutigen Tag

       der Spruch geht und gilt: Frankenwein, Krankenwein,

       also daß selbst Kranken derselbe heilsam sei, so von

       seinem Sohne, dem Moselwein, dem Erben seines

       Ruhmes und seiner Tugenden, geht und gilt der lateinische

       Reim: Vinum Mosellanum fuit omni tempore

       sanum, das ist zu deutsch: Moselwein soll allzeit gesund

       gewesen sein.

       84. Der Heiligen Gräber

       Im Mosellande beim Dorfe Chau steht eine dem heiligen

       Eucharius geweihte Kapelle. Sankt Eucharius war

       ein Sohn des Königs Baccius von Catalonien und der

       Lientrudis, dessen Gemahlin. Dieses fromme Paar

       gab aber nicht nur dem heiligen Eucharius das Leben,

       sondern auch dem heiligen Eligius, der heiligen Liberia,

       der heiligen Susanna, der heiligen Memia, der

       heiligen Oda und der heiligen Gertrudis. Alle diese

       Heiligen wurden mit vielen Edlen dieses Gaues durch

       die wilden Vandalenhorden, welche Julianus Apostata

       in das Land führte, umgebracht, an der Zahl zweitausendzweihundert,

       und das geschah im Jahre 362 nach

       Christi Geburt, am 10. Mai. So wurde jene Gegend

       ein großer Totenhof, und die alte Kapelle an der

       Mosel, Chau gegenüber, wurde zum Grabstein der

       frommen Märtyrer und bewahrt auf Gedenktafeln das