Название | Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen |
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Автор произведения | Ludwig Bechstein |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742749215 |
stand.
Da nun Kaiser Albrecht von allen diesen Dingen
die Kunde vernahm, geriet er in großen Zorn, nahm
gleich ein Kriegsheer, die Schweizer zu züchtigen.
Aber auf diesem Zuge, da er durch den Aargau ritt
und gen Brugg wollte, wurde er von seinem eigenen
Neffen, Johann, Herzog von Schwaben, ohnweit Königsfelden
meuchlings erschlagen. Darum behielten
die Schweizer Frieden und ihre Freiheit bis auf den
heutigen Tag. Das ist die Sage von der Schweizer
Bündnis und der Tat des Tell, welch letztere nur wie
eine einzelne Alpenrose in den Kranz der Geschichte
sich einflocht. Es ist bekannt, daß die Sage vom
glückhaften Pfeilschuß auch in Dänemark sich findet,
und nicht unmöglich ist, daß die frühern Einwanderer
aus dem Norden sie schon mitgebracht und sie sich
dann verjüngt hat. Ja, die drei ersten Gründer des
Bundes der Schwyzer, Unterwaldner und derer von
Uri – denen sich dann Zürich, Luzern, Zug, Glarus,
Freiburg und Solothurn anschlossen, denen endlich
Schaffhausen und Appenzell folgten – galten und gelten
dem Landvolke als drei Telle, die in einer Felskluft
verzaubert schlafen, wie Kaiser Friedrich im
Kyffhäuser und Kaiser Karl im Untersberge. Sollte
das Schweizer Vaterland in Not kommen, so werden
die drei Telle aus ihrer Gruft hervorgehen und es aufs
neue befreien. Den Weg zu ihrer Höhle weiß keiner,
nur zufällig kam einst ein Hirte, der einer verlaufenen
Ziege suchend nachging, an eine Höhle, da fand er die
drei Männer, und der eine Tell richtete sich vom
Schlummer auf und fragte: Welch Zeit ist's auf der
Welt? – Hochmittag! antwortete der Hirte. – So ist's
noch nicht an der Zeit! sprach der Tell und legte sich
wieder zum Schlummer hin. Keiner hat nachher die
Höhle wiedergefunden.
7. Luzerner Hörner und Mordnacht
Da die Schweizer aufstanden und zu Felde zogen
gegen ihre Unterdrücker, gebrauchten sie allerlei
Kriegsinstrumente. So hatten die von Uri einen Mann,
den hießen sie den Stier von Uri, der blies ein mächtig
Urhorn, das mit Silber beschlagen war; und wenn
man einen Keil ins Mundstück schlug, konnte man
auch daraus trefflich trinken. Die Luzerner brauchten
eherne Hörner, wie die alten Römer gebraucht, die
hießen sie Harschhörner, und die hatte ihnen König
Karl verliehen, als sie mit ihm in der Roncevaller
Schlacht gestritten, wo Held Roland fiel.
Zur Zeit, als die Schweiz sich erhob, gab es in Luzern
eine Partei, die war noch gut österreichisch gesinnt,
die erkannten sich an den roten Ärmeln, die sie
an ihren Wämsern trugen. Die versammelten sich
unter dem großen Schwibbogen an der Ecke der
Schneiderzunftstube und verabredeten, daß sie um
Mitternacht alle Eidgenössischen überfallen und morden
wollten. Ein Bettelbube vernahm's, ward aber
entdeckt und mit dem Tode bedreut, wenn er nicht
schweige; mußte deshalb einen Eid schwören, niemand
den Anschlag anzusagen. Der Knab' ging auf
die Metzgerzunftstube, da zechten noch viele Gesellen,
und der Knabe legte sich auf die Ofenbank und
seufzte:
O Ofen, o Ofen, was muß ich dir klagen,
Wel ich's beim Ced sonst niemand darf sagen.
Die Landsknecht wollen, wenn's Zwölfe wird schlagen,
Alles morden und alles erschlagen.
Da horchten die Zecher hoch auf, und lief alsbald
einer aufs Rathaus, ein anderer zum Glöckner, daß er
nicht Zwölfe anschlage, ein dritter und vierter und
fünfter zu den Zünften, und kamen den Rotmänteln
zuvor. Hernachmals ist das Bild des Knaben auf der
Metzgerzunftstube hinter dem Ofen gemalt lange Zeit
zu sehen gewesen.
8. Die Herren von Hohensax
Zwischen dem Altmann-Berge, dem Nachbar des
Hohen Säntis, und dem Rheintale liegt die alte
Stammburg der Freiherren von Hohensax. Deren einer
hieß Hans Philipp, war ein ritterlicher Kriegsheld und
zog ins Niederland, für dessen Freiheit er mitfocht,
war ein Protestant und gerade in Frankreich, als die
Ketzerverfolgung begann. Mit Mühe entrann er der
Pariser Bluthochzeit. Dieser Freiherr von Hohensax
hielt die alten Lieder gar wert, welche die Minnesänger
in der Schweiz und in Schwaben gedichtet und gesungen
hatten, und besaß von ihnen jenes hochwerte
Buch, das ein Stolz der deutschen Poesie, jetzt aber in
den Händen der Franzosen ist, die es vordessen aus
Deutschland entführt haben und nimmermehr wieder
herausgeben, weil man es ihnen nicht wieder genommen
hat, da es rechte Zeit dazu war. Gar wert hielt der
Freiherr das alte Liederbuch, da geschah es, daß ihn,
manche sagen um des Glaubens willen, sein Neffe Ulrich
Georg von Hohensax erschlug, das geschah im
Jahre 1559. Darauf kam das Buch mit dem unverwelklichen
altdeutschen Liederschatz in die Hände und in
die Liberei des Kurfürsten von der Pfalz gen Heidelberg,
von wo es durch die Franzosen weggeschleppt
wurde. Wunderbares aber begab sich mit dem Leich-
nam des Ermordeten; dieser verwesete nicht, als er in
der Kirche zu Sennewald beigesetzt war, das dünkete
die Umwohner ein absonderliches Zeichen, und meinten,
obgleich der Verstorbene stetig ein Protestant gewesen,
er müsse etwa doch ein heiliger Mann gewesen
sein. Verschafften sich heimlich von ihm erst
einen Finger, dann deren mehr, endlich wurde der
ganze Leichnam hinweggeführt, gerade wie sein alter
Liederschatz, nur mit dem Unterschied, daß die Sennenwalder
Klage erhoben um den Leichnam des Hohensaxers