Название | Kleine politische Schriften |
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Автор произведения | Walter Brendel |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783966511858 |
[...] Genug. Ich glaube, in dem Bisherigen den versprochenen Beweis dafür geliefert zu haben,
»daß die Baseler Beschlüsse in dem Stand der Landfrage ihre vollste Berechtigung finden; und
daß das Geschrei gegen die Baseler Beschlüsse nur der Ignoranz oder bösem Willen entspringen kann«.
Es ist mir jetzt nur noch übrig zu zeigen, »daß unsere Partei, wollte sie die Baseler Beschlüsse verleugnen, ihre eigenen Prinzipien, ihr eigenes Programm verleugnen würde«.
Das Eisenacher Programm sagt im dritten Punkt des die allgemeinen Grundsätze enthaltenden Teils (II):
»Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von dem Kapitalisten bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, und es erstrebt deshalb die sozialdemokratische Arbeiterpartei, unter Abschaffung der jetzigen Produktionsweise (Lohnsystem), durch genossenschaftliche Arbeit den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter.«
So deutlich als Worte es aussprechen können, ist hier ausgesprochen: erstens die negative Forderung, daß wir die jetzige (kapitalistische) Produktionsweise, mit dem ihr zugrunde liegenden Lohnsystem, das heißt der Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, daß nur ein Teil des Ertrags der Arbeit dem, der sie geleistet hat, zugute kommt, während der andere, größere oder geringere Teil in die Tasche eines sich Arbeitgeber, Meister, Fabrikant, Unternehmer, Pächter, Grundbesitzer, Gläubiger nennenden Individuums fließt, welches die Arbeit nicht geleistet hat und in sehr vielen Fällen überhaupt gar nicht arbeitet. Die jetzige Produktionsweise, welche wir abschaffen wollen, beschränkt sich aber nicht auf die Industrie, sondern herrscht auch in der Landwirtschaft, für welche die nämlichen ökonomischen Gesetze in Kraft sind wie für die Industrie. Die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital ist, wie wir gesehen haben, auf dem Gebiete des Ackerbaus nicht weniger allgemein und intensiv als auf dem Gebiete der Industrie – bei den Kleinbauern in Form von Hypothekenschulden und Wucherzinsen – beim Großackerbau in Form von Hungerlöhnen für den eigentlichen Produzenten; und die Erlösung durch genossenschaftliche Produktion ist darum für den ländlichen Arbeiter ein ebenso dringendes Bedürfnis wie für den städtischen Arbeiter. Daß zur Durchführung der genossenschaftlichen Produktion die Hilfe des Staates notwendig ist, da auf privatem Weg nur kleine, die Opfertätigkeit einzelner beweisende, im ganzen jedoch völlig einflußlose und unfruchtbare Versuche gemacht werden können, ist gleichfalls in dem letzten (10.) Punkt der »nächsten Forderungen« (III) des Eisenacher Programms ausgesprochen, und es ergibt sich somit, daß die Baseler Beschlüsse, weit entfernt, mit unserem Programm im Widerspruch zu stehen, nur dessen Konsequenzen für die landwirtschaftliche Produktion enthalten. In der längeren Abhandlung, welche unser Freund Bebel jetzt im »Volksstaat« veröffentlicht (»Gegen die demokratische Korrespondenz«), wird dies des Näheren nachgewiesen und überhaupt die Landfrage mit großer Schärfe und Gründlichkeit erörtert, weshalb ich auch hier auf diese Ausführungen verweise.
Man hört vielfach die Behauptung aufstellen, die sozialistischen Ideen möchten wohl für die städtischen Verhältnisse, für die eigentliche Industrie passen, seien aber nicht auf die ländlichen Verhältnisse, auf die Landwirtschaft, anzuwenden. Das ist ein Irrtum, der in der unbestreitbaren Tatsache wurzelt, daß die ländliche Bevölkerung sich bisher den sozialistischen Strebungen gegenüber größtenteils entweder gleichgültig oder geradezu feindlich verhalten hat. Diese Gleichgültigkeit, wo nicht Feindschaft, beruht aber nur auf mangelnder Kenntnis der sozialistischen Grundsätze. Die Landbevölkerung wohnt zerstreut; die gesellschaftliche Reibung, die in den Industriemittelpunkten, in den Städten, stattfindet und geistige Funken hervorsprühen läßt, ist auf dem Land nur in geringem Maß vorhanden, wozu noch kommt, daß aus demselben Grund auch die Verbreitung neuer Gedanken auf dem Land weit schwieriger ist als in den Städten, namentlich den großen Städten, die darum allen Feinden des menschlichen Fortschritts, von Ludwig XIV., dem Urheber des berüchtigten »Der Staat bin ich«, bis herunter auf den preußischen Junker Bismarck, ein Dorn im Auge sind. Ebensogut könnte man sagen, die Politik sei nicht für die Landbevölkerung, denn es steht fest, daß das politische Leben auf dem Land durchschnittlich weit weniger ausgebildet ist als in den Städten.
Nicht nur ist der Sozialismus dem Landbau nicht antagonistisch (feindlich), sondern er ist, wie ich gezeigt habe, für seine Fortentwicklung geradezu unerläßlich! Und was die Verwirklichung des Sozialismus angeht, so ist sie für den Landbau sogar noch weit leichter als für die städtische Industrie. Die Gemeinde, das Dorf, ist eine natürliche Assoziation, und mit vollständiger Schonung der bestehenden Eigentumsverhältnisse lassen sich die heutigen Dorfgemeinden in Assoziationen verwandeln, zum unmittelbaren und augenfälligen Vorteil aller Gemeindemitglieder. Die nämlichen Motive, welche bei allen Völkern und bei den hervorragendsten Denkern dem Land einen besonderen, es über Privateigentum erhebenden Charakter verliehen haben: die absolute Notwendigkeit des Landes für alle Menschen und die Einheit und Gleichartigkeit des Landes bei aller qualitativen Verschiedenheit der Bodensorten, erleichtern die Assoziation und machen sie bis zu einem gewissen Punkt selbst unter den heutigen Zuständen relativ leicht. Die Produkte des Landes, weil unentbehrlich zum Leben, sind des Absatzes sicher, während die Industrieprodukte zum Teil der Mode unterworfen und den verheerenden Wirkungen der Handels- und Industriekrisen ausgesetzt sind; und ein Zusammenwerfen der den einzelnen Besitzern gehörigen Grundstücke bietet bei der Natur des Landes weit geringere Schwierigkeiten als die sozialistische Organisation der verschiedenen Industriezweige, in denen der individuelle Besitz sich nicht so leicht gegenseitig abwägen läßt. Es wäre leicht, die sozialistische Neugeburt der Gesellschaft detailliert auszumalen und an die Phantasie zu appellieren. Hierfür ist aber der Gegenstand zu ernst. Die angedeuteten Grundzüge und Umrisse genügen. Es reicht hin, daß die Unhaltbarkeit, die Gemeinschädlichkeit der bestehenden Zustände bewiesen ist und damit die Notwendigkeit der Umgestaltung. Die Notwendigkeit ist das Recht und die Pflicht. So notwendig es für den menschlichen Körper ist, daß der Krankheitsstoff ausgetrieben werde, so notwendig ist es für die menschliche Gesellschaft, sich von Systemen und Einrichtungen zu befreien, welche die Weiterentwicklung hindern, weil die Gesellschaft über sie hinausgewachsen ist. Der junge Aar der neuen Gesellschaft muß die Eierschale der alten Gesellschaft zerbrechen, oder er erstickt. Wie Marx es ausdrückt: »Die Konzentration der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt.« Die Naturgesetze, welche uns in die heutigen Zustände hineingeführt haben, werden uns auch aus ihnen herausführen. Stillstand gibt es nur für den Ignoranten. Die Frage ist bloß, ob wir uns durch die zwingenden Verhältnisse voranstoßen lassen oder ob wir freiwillig und selbstbewußt voranschreiten wollen. Das Ziel liegt erkennbar da – der Weg ist uns noch teilweise verborgen –, im Voranschreiten werden wir ihn finden. Fehltritte, Abirrungen werden uns nicht erspart sein; aber die Notwendigkeit wird uns stets wieder auf den richtigen Pfad bringen. Wir Sozialdemokraten rühmen uns nicht der Unfehlbarkeit. Zugegeben, wir irrten in diesem und jenem Punkt, die Praxis wird alle Irrtümer rektifizieren; und jede Veränderung der herrschenden gesellschaftlichen Zustände ist eine Verbesserung. Die sicherste Bürgschaft einer gedeihlichen Zukunft und einer ruhigen, organischen Entwicklung liegt aber in dem Zusammengehen des arbeitenden Volkes in Land und Stadt.
Man hat uns häufig als eine ausschließliche Arbeiterpartei hingestellt, das Wort Arbeiter im engsten Sinne des Industrielohnarbeiters genommen. Eine Arbeiterpartei sind wir aber nicht in diesem beschränkten Sinne. Jeder Mensch soll arbeiten, und wer arbeitsfähig ist und nicht arbeitet, hat kein Recht zu leben. In der heutigen Welt aber ist der arbeitende Mensch unterdrückt, ausgebeutet, zum Elend verdammt; und der Faulenzer herrscht und schwelgt. Soll das so fortgehen? Will das arbeitende Volk ewig das Joch der Faulenzer tragen? Will es? Nein: kann es? Es kann nicht. Es kann nicht, wenn es nicht auf sein Menschenrecht, seine Menschenwürde und seine Menschenexistenz verzichten will. Aus den Reihen der städtischen Arbeiter ertönt schon der Donnerruf: »Tod der Not