Название | Narrenschwämme |
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Автор произведения | Jochen Gartz |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783037884942 |
Ich erinnere mich an eine Situation, als ich im Alter von etwa fünf Jahren im Gras spielte und mir ein Mädchen einen braunen Pilz zeigte und mit bedeutungsvoller Stimme sagte, dass er giftig sei und man ihn daher nicht essen dürfe. Trotzdem bin ich zum Pilzliebhaber geworden, obwohl mir diese Episode im Gedächtnis haften blieb. Andererseits blieb mir aus meiner frühen Jugendzeit die Bewunderung über ein sehr üppiges Vorkommen von bläulichen Blätterpilzen auf einem Müllplatz ebenso gut in Erinnerung wie die vorherige Szene. Allgemein kann man wohl sagen, dass durch ihre bizarren Eigenschaften (Toxizität, Aussehen) diese Organismen viele frühe Eindrücke hervorrufen können, die sich später in verschiedener Hinsicht manifestieren.
Erfolgt dann noch eine zusätzliche Beschäftigung mit den psychotropen Arten, so wird die individuell vorherrschende Mykophobie oder -philie verstärkt oder abgeschwächt, da jetzt die Bewusstseinsveränderung zusätzlich in einer bestimmten, wertenden Sichtweise eingeschätzt wird.
Aus den Schilderungen der folgenden Kapitel werden die verschiedenen Blickwinkel auf die psychotropen Pilze deutlich. Die unfreiwilligen und gezielten Experimente mit den einzelnen Arten dokumentieren eindrücklich, dass sehr viele Interpretationen der Pilzwirkungen möglich sind.
2. Kenntnis der europäischen Arten
Abb. 8 Psilocybe cyanescens in Europa und Nordafrika (nach Krieglsteiner).
Abb. 9 Faksimile des Berichtes in einem englischen Journal über Vergiftungen mit Psilocybe semilanceata im Jahre 1799.
2.1. Psilocybe semilanceata
Der Klassiker unter den psychoaktiven Europäern
1799 berichtete E. Brande über eindrucksvolle Intoxikationen mit Pilzen aus London, die am 3. Oktober des gleichen Jahres im St. James Green Park von einer armen Familie gesammelt, danach zubereitet und verspeist wurden (Abb. 9, S. 19).
Nach dem Essen begannen die Symptome beim Vater und seinen vier Kindern sehr schnell, wobei unbegründetes Lachen, Delirien und ausgeprägte Pupillenerweiterungen bei wellenförmig auftretendem Verlauf beschrieben wurden. Der Vater sah zusätzlich noch alle umgebenden Gegenstände in schwarzer Farbe und befürchtete seinen baldigen Tod.
Schon geringe Pilzmengen erzeugten bei zwei Personen (12 und 18 Jahre alt) die gleichen Symptome wie die großen Portionen der andern Familienmitglieder. Nach wenigen Stunden gingen die Psychosen folgenlos vorüber, dazwischen lagen Therapieversuche mit Brech- und Stärkungsmitteln, denen dann ein Behandlungserfolg zugeschrieben wurde. Es ist für heutige Betrachtungen ein Glücksumstand, dass neben der Beschreibung dieses typischen Psilocybinsyndroms J. Sowerby die Pilze in sein Buch Coloured Figures of English Fungi or Mushrooms (London 1803) aufnahm (Abb. 3, S. 12).
Dabei fungierte nur die Pilzvarietät mit den kegeligen Hüten als Verursacher der Intoxikationen. Die Darstellung stellt sehr typisch die Psilocybe semilanceata dar, den Spitzkegeligen Kahlkopf, der in der zeitgenössischen Beschreibung als „Agaricus glutinosus Curtis“ auch völlig mit heutiger Kenntnis übereinstimmend erscheint (Abb. 4, S. 12).
1818 erwähnte dann der berühmte schwedische Mykologe E. Fries den „Agaricus semilanceatus“ in Observationes Mycologicae. Der gleiche Pilz wird später auch Lanzenförmiger Düngerling, Coprinarius semilanceatus FR. oder Panaeolus semilanceatus (FR.) LGE. genannt bis schließlich um 1870 die Art von Kummer bzw. von Quelet in die Gattung Psilocybe eingeordnet wurde. So findet man beide gültigen Bezeichnungen in der Literatur: Psilocybe semilanceata (FR.) KUMM. oder (FR.) QUEL.
Um 1900 nennt M. C. Cooke dann zwei oder drei Gelegenheiten, bei denen Kinder sich in England erneut versehentlich mit der Pilzart intoxierten und wies interessanterweise darauf hin, dass es sich nur um die blauverfärbende Varietät (var. caerulescens) gehandelt hatte. Er fragte sich als erster Mykologe, ob nur diese Varietät giftig wäre bzw. ob diese Verfärbung aus externen Faktoren herrühre, welche die chemische Zusammensetzung in Richtung Gift modifizieren könnten.
Frühe Beschreibungen
In seiner Fragestellung kommt Cooke der Wahrheit schon recht nahe (siehe Kap. 4). Psilocybe semilanceata ist mit den mexikanischen psychotropen Arten sehr eng verwandt. Im Erscheinungsbild steht der Pilz Psilocybe semperviva HEIM & CAILLEUX und Psilocybe mexicana HEIM nahe und kommt wie diese bevorzugt auf Weiden vor. Diese Ähnlichkeit und die ebenfalls nur diskret auftretende Blauung der Pilze regte die Untersuchung von Fruchtkörpern schweizerischer und französischer Herkunft durch die Gruppe um A. Hofmann und R. Heim in Zusammenarbeit mit dem Pilzfreund Furrer an. 1963 wurde dann über den papierchromatographischen Nachweis von 0,25% Psilocybin in den Trockenpilzen erstmalig berichtet. Die Befunde stellten eine Sensation dar, weil bisher in europäischen Arten das Alkaloid noch nie nachgewiesen werden konnte. Bis zu dieser Zeit lagen nur positive Nachweise der Substanz in Psilocybe-Arten aus Mexiko, aus Asien und Nordamerika vor.
Vor 1963 wurden die Pilze jedoch auch schon regelmäßig in verschiedenen deutschsprachigen Standardwerken der Mykologie beschrieben. Dazu noch einige Beispiele: In Abb. 6/7 (S. 13) stehen sich zwei Beschreibungen im Abstand von etwas mehr als sechzig Jahren gegenüber. Interessant, dass die zweite Beschreibung aus dem Jahre 1962 die Anmerkung „wertlos“ trägt – aus heutiger Sicht eher amüsant! Aber das Wissen um die englischen Intoxikationen drang dennoch nicht dauerhaft ins deutsche Schrifttum ein. Die vorzüglichen Beschreibungen von Michael/Schulz (1927) und von A. Ricken (1915) bilden eher die Ausnahme (siehe nebenstehende Abb. 10 und 11). Interessanterweise ist aber in der hier vorgestellten ältesten Quelle vor 1900 das Buch von Sowerby aus dem Jahre 1803 noch als Referenz zitiert. Die Beschreibung der Pilzart im Jahre 1977 zeigt, dass bis auf zusätzlich erwähnte mikroskopische Details die Pilzart heute eher wieder flüchtiger differenziert wird (Abb. 12 auf S. 23).
Abb. 10 Die vorzügliche Psilocybe-semilanceata-Beschreibung von Michael/Schulz (1927).
Abb. 11 Rickens Definition der Psilocybe-Art (1915).
Auch die farbige Zeichnung der Pilze aus dem Jahre 1927 kommt dem tatsächlichen Habitus der Fruchtkörper