Internationale Beziehungen. Anja Jetschke

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Название Internationale Beziehungen
Автор произведения Anja Jetschke
Жанр Социология
Серия bachelor-wissen
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783823300038



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mit beschränkter Reichweite. Durch die Nicht-Mitgliedschaft der USA fehlte ihm der Staat, dessen materielle Macht kriegsentscheidend für den Ersten WeltkriegErster Weltkrieg gewesen war. Der Völkerbund blieb aber auch beschränkt in seiner räumlichen Autorität: Die kolonialen Besitzungen waren von den Beratungen im Völkerbund explizit ausgeschlossen. Damit verbunden war, dass Kolonialismus als eine Praxis der Unterdrückung ganzer Völker auch nicht normativ geächtet war. Eine der wichtigsten Ideen Woodrow Wilsons in seinem 14-Punkte-Programm in Bezug auf die Gebiete unter kolonialer Herrschaft hatte sich nicht durchgesetzt.

      Merke

      Mangelnde Durchsetzungskraft des Völkerbunds

      Der Völkerbund blieb in seiner wichtigsten Funktion, die internationale Sicherheit in einem System kollektiver Sicherheit zu garantieren, wirkungslosIneffektivität des Völkerbunds. Die Durchsetzung des allgemeinen Kriegsverbots war nicht nur davon abhängig, dass sich im Falle eines Konfliktes alle Staaten darauf einigten, wer der Urheber einer Aggression sei, sondern auch davon, dass alle bereit sind, mit allen Mitteln gegen einen identifizierten Aggressor vorzugehen. Die fehlende Durchsetzungsfähigkeit wurde erstmals 1931 beim japanischen Überfall auf die Mandschurei und vier Jahre später beim italienischen Angriff auf Abessinien deutlich. Im italienischen Fall befürchtete Großbritannien, in einen Krieg verwickelt zu werden und schloss sich einem Boykott gegen Italien nicht an. Wie stark der Völkerbund danach an Bedeutung verlor, spiegelt sich in seiner Mitgliedschaft wider. Zwischen 1931 und 1941 traten ein Drittel der Mitglieder bereits wieder aus, obwohl auch einige Staaten dem Völkerbund beitraten (vgl. Abb. 1.6). Die letzten beiden Mitglieder, die austraten, waren Frankreich (1941) und Haiti (1942).

VölkerbundBriand-Kellogg-Pakt
Aufgaben
allgemeine Abrüstung
StreitschlichtungStreitschlichtung
allgemeines KriegsverbotKriegsächtung: Freiwilliger Verzicht auf Krieg als Mittel der Außenpolitik
Sanktionsbestimmungen
WirtschaftsboykottSelbstverteidigung
Internationaler BeistandspaktTeilnahme an Sanktionen des Völkerbunds
Mitgliedschaft
1933: 58 Mitglieder1941: 40 Mitglieder62 Mitglieder
Bedeutungsverlust ab 1933

      Das kollektive Sicherheitssystem der Friedenssicherung durch Völkerbund und Briand-Kellogg-Pakt

      Entwicklung der Mitgliedschaft des Völkerbunds und der Schiedsverfahren des ständigen internationalen Gerichtshofes (1920–1944)

      Durch den Völkerbund und nachgelagerte Verhandlungen gelang es, einige zentrale Probleme, die die Versailler VerträgeVersailler Verträge aufwarfen, zu regeln. Dazu gehörte die Regelung der Kriegsreparationen, die durchgängiger Konfliktgegenstand und Thema internationaler Verhandlungen war. Zentral für Deutschland war die Senkung der Reparationen sowie Grenzfragen. Britische und französische Kriegsschulden gegenüber den USA sowie deutsche Reparationen waren voneinander abhängig. Zur Bedienung seiner eigenen Schulden drängte vor allem Frankreich auf hohe Reparationen. Dies führte dennoch schrittweise zur Schuldenreduktion und schließlich mit den Dawes- und Young-Plänen zu nachhaltigeren Reparationsregelungen. Deutschland erkannte die neuen Grenzregelungen in separaten Verträgen an. Auch das Streitschlichtungsverfahren funktionierte effektiv bis Anfang der 1930er Jahre. Dann nahm die Zahl der Streitschlichtungen ebenso rapide ab, wie die Zahl der Austritte zunahm. Daneben gab es jedoch einige zentrale Bereiche, die der Völkerbund nicht oder nur in geringem Maße bearbeiten konnte.

      Beschränkung der Reichweite und Effektivität des Völkerbunds

      Der Völkerbund regelte zentrale Probleme nicht, die als kausale Mitverursacher des Erster WeltkriegErsten Weltkriegs betrachtet werden müssen, oder verschärfte sie sogar.

       Der Wettbewerb um kolonialen Besitz, den Großbritannien mit großem Abstand anführte, war auch nach Beendigung des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs nicht beendet. Kolonialismus war nicht geächtet.

       Mit den globalen Aufsteigern Japan, USA und dem Deutschen Reich blieb der britische Hegemonialanspruch umkämpftUmkämpfter Hegemonialanspruch Großbritanniens. Japan und die USA stellten die britische Dominanz vor allem in Ostasien in Frage. Aber auch der deutsche Weltmachtanspruch war ungebrochen und wurde lediglich auf sein kontinentales Umfeld umgelenkt. Dies führte nach 1933 zur deutschen Expansion nach Osteuropa.

       Mit der Herausforderung der britischen Dominanz war verbunden, dass der Flottenrüstungswettlauf unvermindert fortgesetzt wurde. Er ging vor allem von Ostasien aus, beeinflusste aber über die Präsenz Großbritanniens und Frankreichs in Asien und Europa auch den europäischen Flottenrüstungswettlauf.

      Verträge als Revisionsorgan internationalen Friedens?

      Verträge besiegelten nicht nur die Nachkriegsordnung. Sie zeugen vor allem von der Idee eines zwischenstaatlichen Gleichgewichts- und Sicherheitsprinzips sowie von den bestehenden Bestrebungen der Staatengemeinschaft, ein institutionalisiertes Revisionsorgan internationalen Friedens zu etablieren. Wie schon der Wiener Kongress sollten die Versailler VerträgeVersailler Verträge als Instrument für die internationale Politik dienen. Dennoch konnten die Versailler VerträgeVersailler Verträge die ihnen zugrunde liegenden Ziele der Streitbeilegung und der Abrüstung nur unzureichend durchsetzen. Die Flottenbegrenzungsverhandlungen scheiterten, Kolonialansprüche der Großmächte und der Wettbewerb um kolonialen Besitz konnten nicht vermindert werden und die Ansprüche der neuen Mächte Deutschland und Japan auf einen Großmachtstatus konnten nicht befriedigt werden.

      Die wichtigsten globalen Trendsglobale Trends und Entwicklungen (1919–1939)

Nationalstaatnationalstaatliche Ebenezwischenstaatliche EbeneZeitRaum
weltwirtschaftliche Verflechtung und Weltwirtschaftskrisepolitische und ökonomische Folgen der Krise zeigen sich unter anderem in hoher Arbeitslosigkeit, dem Rückgang des Bruttosozialprodukts / industrieller Produktion und nationalstaatlicher Entwicklungsprozesseasymmetrische Wirtschaftsbeziehungen stellen die internationale Staatenwelt in Abhängigkeit zur USA1929USA, Japan, Lateinamerika, Europa (Großbritannien und Deutschland)
die Welt zwischen kommunistischer Revolution und AutoritarismusStrukturwandel durch Umwälzungen in den Staatenverfassungen: Machtübernahme durch extrem nationalistische oder kommunistische Bewegungen und autoritäre Regierungendurch internationale Transformationsprozesse entstehen Faschismus und Kommunismus als Gegenspieler zur parlamentarischen Demokratie und generieren eine transnationale Anhängerschaftab 1929, insbesondere zwischen 1917 und 1937Europa, Lateinamerika, Japan
Rüstungswettlaufin Konkurrenz stehende Nationalstaaten trachten nach regionalem Einfluss und regionaler Vorherrschaft in ihrem jeweiligen territorialen Interessengebiet / Flottenrüstungswettlauf aufgrund ihrer Antizipation einer direkten Sicherheitsbedrohung durch anderezwischenstaatliche Abrüstungsverhandlungen haben nicht den erwünschten Erfolgab 1920Europa, Asien

      Die wichtigsten globalen Trendsglobale Trends und Entwicklungen 1919–1939

      Weltwirtschaftliche Verflechtung und WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise

      Zu Beginn der Zwischenkriegszeit erlebten die meisten Staaten einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser hatte im Jahr 1929 ein jähes Ende, als die New Yorker Börse zusammenbrach. Die nachfolgende Rezession und Depression in den USA stellte alle vorherigen Wirtschaftskrisen in den Schatten und hatte aufgrund der asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen, die die Wirtschaftsentwicklung vieler Staaten an diejenige der USA koppelte, starke negative Effekte auf viele andere Staaten. Innerhalb von vier Jahren schrumpften das Bruttosozialprodukt, private Einkommen und der Außenhandel der USA auf die Hälfte zusammen. Die Investitionen gingen um 90 Prozent zurück. Die Agrarpreise fielen um 60 Prozent. Ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung in den USA verlor ihre Arbeit. Noch härter traf es jedoch eine Reihe von Staaten, die mit den USA auf das Engste verflochten waren:

       JapansAuswirkungen