Forschungsreise ins innere Universum. A H Almaas

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Название Forschungsreise ins innere Universum
Автор произведения A H Almaas
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867811507



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Erfahrung von gewöhnlichem Wissen freier ist – freier von dem prägenden Einfluß all der Standpunkte, Annahmen und Vorstellungen, die es impliziert –, können wir Grundwissen reiner erkennen. Wir werden uns dessen bewußt, was unsere Erfahrung eigentlich ist, weil wir sie unmittelbar, ohne den Filter gewöhnlichen Wissens wissen oder kennen. Eigentlich können wir jetzt sehen, daß es nichts als Wissen gibt. Wir können sagen, daß es nichts als Erfahrung gibt, aber das impliziert, daß Bedeutung oder Interpretation hinzugefügt werden müssen, um Wissen zu haben oder Erfahrung tiefer zu verstehen. Wenn man sagt, daß es nichts als Wissen gibt, bedeutet das, daß der Erfahrung nichts hinzugefügt zu werden braucht, um Wissen zu bekommen, daß jeder Teil unserer Erfahrung das Auftauchen von Wissen und ein Öffnen in tieferes Wissen hinein bedeutet. Bei Erfahrung fragen wir: „Was kommt als Nächstes?“ Aber bei Wissen fragen wir: „Was ist das?“, und alle Arten von Möglichkeiten öffnen sich. Wenn das Wesen von Erfahrung nichts als Wissen ist, erkennen wir, daß Wissen (knowingness) eine inhärente Dimension davon ist, daß man ein erfahrendes Bewußtsein oder eine erfahrende Seele ist. Man kann nicht Mensch sein, ohne in jedem Augenblick eine Erfahrung von Wissen (knowing) zu sein.

      Manche Menschen haben das Gefühl, daß sie nichts wissen. Andere haben vielleicht das Gefühl, daß ihr Kopf buchstäblich leer ist. Aber was ist diese Leere anderes als Wissen? Was ist die Erfahrung, dumm zu sein? Wissen. Was ist die Erfahrung des Nichtwissens? Wissen. Was ist die Erfahrung von Intelligenz und Brillanz? Wissen. Wissen ist der Grund, der allen Möglichkeiten, Eigenschaften, Unterscheidungen und Handlungen zugrundeliegt und sie ermöglich.

      Diese Empfindung, daß alle Erfahrung Wissen ist, gilt auch auf dem Gebiet des Handelns. Was ist Handeln? Man kann sagen: „Ich habe meine Hand bewegt.“ Ist das Bewegen der Hand von dem unmittelbaren Wissen der Erfahrung, die Hand zu bewegen, getrennt? Was ist die eigentliche Erfahrung des Bewegens der Hand? Es ist Information, die sich entfaltet. Handeln ist nichts als ein Fluß von Wissen. Das ist es, was wir „Entfaltung“ nennen, und wir nennen es Entfaltung, weil da eine Veränderung ist. Eine Handlung ist eine Art Veränderung. Und Veränderung oder Handeln ist nichts als ein Fluß von Wissen.

      Grundwissen und Inquiry

      Wir sprechen über Grundwissen, um anzufangen zu würdigen und zu verstehen, daß Wissen nicht nur Information irgendwo in unserem Gehirn, nicht nur Computergedächtnis ist. Ein Computer kann kein Grundwissen haben, er kann nur gewöhnliches Wissen speichern. Ein Mensch besitzt die Fähigkeit zu Grundwissen, das die Quelle allen gewöhnlichen Wissens ist. Ohne das gibt es keinerlei Wissen, nicht einmal gewöhnliches Wissen.

      Woher kommt gewöhnliches Wissen? Es stammt aus direkten Erfahrungen, die schon vergangen sind – entweder direkten Erfahrungen im Bewußtsein oder direkten Erfahrungen von etwas, was man gehört, gesehen oder gelesen hat. Was ist Lesen anderes als das Wissen der Erfahrung des Lesens? Das Lesen des Buches an sich ist Wissen. Ich meine nicht das Wissen des Inhalts des Buches; eben der Prozeß des Lesens des Buches an sich ist Wissen. Die ganze Erfahrung ist Wissen. Dieses Grundwissen ist die Quelle gewöhnlichen Wissens, das man in seinem Verstand speichert. Auch gewöhnliches Wissen ist Grundwissen, weil es in unserer unmittelbaren Erfahrung nicht auftauchen kann, außer als Grundwissen – wo jeder Gedanke und jede Erinnerung in dem Moment der Erfahrung Grundwissen ist.

      Gewöhnliches Wissen ist in gewissem Sinn eine Teilmenge von Grundwissen. Weil wir uns aber gewöhnliches Wissen als Wissen denken können, das irgendwo gespeichert und in gewissen Momenten zugänglich ist, können wir es konzeptualisieren, als wäre es keine Erfahrung und daher von Grundwissen getrennt. Aber in Wirklichkeit tritt gewöhnliches Wissen, wann immer es aktualisiert wird, als Erfahrung des Augenblicks auf und ist daher Grundwissen. Wenn man an Erfahrung denkt, die man gestern gehabt hat, ist dieser Akt des Denkens Grundwissen. Gewöhnliches Wissen hat also immer seinen Ursprung in Grundwissen und wird immer innerhalb von Grundwissen aktualisiert.

      In welcher Beziehung stehen also Inquiry und Verstehen zu Grundwissen? Wenn wir etwas erforschen, ist das, was wir eigentlich erforschen, Grundwissen. Grundwissen ist nie statisch, es ist immer in Bewegung. Gerade ist man traurig, jetzt ärgerlich, jetzt schmerzt das Knie, jetzt kommt ein Gedanke, jetzt ein Bild. Es bewegt und verändert sich immer. Das ist das Wesen von Grundwissen.

      Und weil Grundwissen eine Präsenz von Selbst-Bewußtheit (self-awareness) und Selbst-Wissen (self-knowingness) ist, ist Inquiry dann eigentlich Grundwissen, das Grundwissen erforscht. Was in der Inquiry passiert, ist, daß Grundwissen sich selbst erforscht und daß es sich durch diese Inquiry von den Einflüssen einer Teilmenge von sich selbst, nämlich gewöhnlichem Wissen, befreit.

      Gewöhnliches Wissen ist Wissen aus der Erinnerung. In konventioneller Erfahrung erfährt Grundwissen sich selbst nicht direkt, sondern durch den Schleier dieser Erinnerungen. Inquiry durchdringt diese Schleier, so daß Grundwissen anfangen kann, sich ohne ihren Einfluß zu erfahren. Erfahrung ist also immer Grundwissen, aber dieses Wissen kann mehr oder weniger direkt, mehr oder weniger unmittelbar sein. Je unmittelbarer Grundwissen ist, um so leuchtender ist es und um so mehr verkörpert es die Empfindung von Wahrheit, Präsenz und Bewußtheit. Wenn diese Reinheit vollständig ist, sind wir bei der unterscheidenden Bewußtheit wahrer Natur, der Weisheit der Unterscheidungsfähigkeit angekommen. Je weniger direkt es ist, um so mehr fehlen ihm impliziter Sinn und Verstehen, um so entstellter ist es und um so schwerer und schaler wird es. Aber es ist immer Grundwissen.

      Grundwissen bedeutet Erfahrung genau jetzt, das direkte Wissen (knowingness) der Erfahrung in diesem Moment. Es ist unterschiedene Information, die im Moment geschieht und den Beobachter und das Beobachtete enthält und einschließt. Aber dann hat man Gedanken über diese Information, man reflektiert über sie und hat ein Rahmenwerk, durch das man sie betrachtet, und das nennen wir gewöhnliches Wissen. Inquiry hilft einem zu sehen, wie gewöhnliches Wissen die unmittelbare Erfahrung in diesem Moment beeinflußt. Von gewöhnlichem Wissen befreit zu sein bedeutet, daß man das, was man genau jetzt erfährt, frisch und ohne diese Überlagerung durch alte Information empfindet.

      In dem Moment, in dem man bewußt mit Grundwissen in Kontakt ist, merkt man, daß ihm nichts entgehen kann. Kein Begriff existiert außerhalb von ihm, weil jeder Begriff letztlich Grundwissen ist – sogar Gott. Was ist Gott? Grundwissen. Was ist das Absolute? Grundwissen. Grundwissen hat viele Qualitäten, viele Ebenen, viele Verfeinerungen und manifestiert sich auf vielerlei Weise. Der Punkt ist, daß es in jeder Erfahrung Wissen (knowingness) gibt. Und wenn man die Dichotomie von Beobachter und Beobachtetem eliminiert, sieht man, daß dieses Wissen dasselbe ist wie das Gewußte, und das ist dasselbe wie das Wissen (knowledge). Dies ist eine andere Weise, Wissen zu definieren, als die übliche. Dieses Wissen ist ein direkteres und unmittelbares Wissen, das unmittelbarer Erfahrung entstammt, und doch ist es immer noch Wissen, das die Unterscheidung und Erkenntnis der Bedeutung der Erfahrung einschließt.

      Übung Ihre Erfahrung im Augenblick

      In dieser Inquiry werden Sie kein bestimmtes Problem oder Thema erforschen, sondern beobachten und untersuchen, was von Moment zu Moment in Ihrer Erfahrung auftaucht. Nehmen Sie sich fünfzehn Minuten Zeit, um bei dieser Erforschung des gegenwärtigen Moments zu bleiben. Beginnen Sie damit, daß Sie sich einfach der verschiedenen Elemente in Ihrer Erfahrung bewußt werden: Körperempfindungen, Gefühle, der mentalen Aktivität und dessen, was Sie sehen und hören. Berichten Sie oder schreiben Sie auf, was Ihnen bewußt ist, und achten Sie darauf, wie dieser Prozeß Ihre Erfahrung beeinflußt. Achten Sie darauf, was in Ihrer Erfahrung Ihre Aufmerksamkeit erregt, und schauen Sie sich das dann näher an, wobei Sie beschreiben, was Sie sehen. Seien Sie sich bewußt, wann Sie mit Ihrem Gegenstand der Inquiry durch alte Vorstellungen oder Ansichten in Beziehung sind und wann Sie ihn mit mehr Unmittelbarkeit und Frische erfahren. Schauen Sie, ob Sie sich auf das Gefühl der Unmittelbarkeit und Offenheit direkten Kontaktes mit Ihrer Erfahrung einstimmen können, im Gegensatz zu dem vertrauten Gefühl dessen, was sie schon wissen. Wie ist es, mit Ihrer Erfahrung so direkt in Kontakt zu sein und sie so direkt wahrzunehmen? Was müssen Sie Ihrem Gefühl nach aufgeben, um so unmittelbar zu sein? Was zieht Sie zurück auf das vertraute Gebiet gewöhnlichen Wissens?

      Differenzierung und Unterscheidungs-fähigkeit