Forschungsreise ins innere Universum. A H Almaas

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Название Forschungsreise ins innere Universum
Автор произведения A H Almaas
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867811507



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und was wir nicht zu wollen glauben. Alles, was wir in einem begrifflichen Rahmen fassen, ist gewöhnliches Wissen. Gewöhnliches Wissen besteht also aus alten Kategorien, Informationen, Meinungen, Philosophien, Ideologien, Einstellungen – aus allem, was wir zu wissen glauben und für Wahrheit halten.

      Normalerweise erleben wir uns durch den Schleier dieses Wissens hindurch, so daß unsere Erfahrung von uns selbst und von allem anderen nicht ein unmittelbarer, direkter, freier und spontaner Kontakt mit dem ist, was ist. Sie ist indirekt und durch Wissen gefiltert, und dieses Filtern ist zum großen Teil das, was die Erfahrung mit Mustern versieht. Der Filter prägt unsere Erfahrung in einem Grad, der uns erschrecken würde, wenn wir es merken würden.

      Zum Beispiel mustert unser Wissen unsere Erfahrung in dem Maße, daß wir wirklich eine physische Realität erleben. Wir glauben schließlich, daß es so etwas wie physische Realität und physische Materie gibt. Im Grunde sind wir vollkommen davon überzeugt, daß physische Realität eine fundamentale Wahrheit ist. In objektiver Realität gibt es so etwas wie die physische Welt, die wir kennen, nicht. Wenn wir unseren Körper ohne den Filter gewöhnlichen Wissens erleben, dann werden wir keinen physischen Körper, sondern ein fließendes Muster von Leuchten erfahren. Unsere Erfahrung ist so konditioniert und bestimmt, daß wir nicht nur glauben, daß wir einen Körper haben und ein Körper sind, wir glauben an etwas noch Fundamentaleres, das diesem Glauben zugrundeliegt: daß der Körper der Körper ist, für den wir ihn halten. Für die meisten Menschen ist das absolut wahr: Der Körper ist physische Materie, die geboren wird und schmerzt und stirbt. Wie sollten wir aus diesem Blickwinkel auf die Idee kommen, ihn als ein fließendes Muster eines Leuchtens zu sehen? Das ist nur ein vielleicht etwas extremes Beispiel dafür, wie weit diese Prägung durch gewöhnliches Wissen geht.

      Während der Anfangsphasen ist der Prozeß der Inquiry vor allem eine Untersuchung gewöhnlichen Wissens. Warum? Weil sie eine Untersuchung unserer augenblicklichen Erfahrung ist und weil, wenn wir eine Erfahrung machen und ihre Bedeutung nicht wissen, uns das sagt, daß darin ein Stück gewöhnlichen Wissens enthalten ist, das wir noch nicht sehen. Wenn wir unsere gegenwärtige Erfahrung erforschen, erforschen wir also eigentlich, wie gewöhnliches Wissen sie prägt.

      Ein gutes Beispiel dafür wurde oben erwähnt: Ihre unbewußte Überzeugung, daß Sie ein unfähiger Mensch sind, die Ihrem Drang nach Erfolg zugrundeliegt. Diese unbewußte Überzeugung ist ein Teil gewöhnlichen Wissens, das in Ihrer gegenwärtigen Erfahrung enthalten ist und das diese Erfahrung bestimmt, ohne daß Sie wissen, daß es da ist. Aufgrund dieser Einsicht erkennen Sie, wie Ereignisse, die in Ihrer Kindheit geschahen – vielleicht wurden Sie von Ihren Lehrern herabsetzend behandelt, oder Ihre Eltern glaubten nicht, daß Sie irgend etwas gut machen könnten –, Sie dazu brachten, von sich zu glauben, Sie seien unfähig. Das wurde zu einem Selbstbild, das sich Ihrem Verstand einprägte und das ein Stück gewöhnlichen Wissens ist. Das prägt jetzt Ihre Erfahrung in der Weise, daß Sie ständig dem Erfolg nachjagen müssen. Die Untersuchung der gegenwärtigen Erfahrung bedeutet also häufig erst einmal, daß man untersucht, wie gewöhnliches Wissen die eigene Erfahrung prägt.

      Eine Untersuchung der Weise, wie unser gewöhnliches Wissen unsere Erfahrung bestimmt, prägt und einschränkt, befähigt uns, eine andere Herangehensweise an den Inhalt dieses Wissens zu lernen. Gewöhnlich nehmen wir unser Wissen als das, was bestimmt und die Grenze für das setzt, was möglich ist und was man wissen kann. Wenn wir aber die Unbestimmtheit, die Offenheit von Inquiry verstehen, lernen wir mit der Zeit, das Wissen nicht als Grenze, sondern als einen Hinweis zu nehmen. Wir können unsere Worte, Begriffe und Gedanken als Hinweise auf die Wahrheit, auf das, was möglich ist, benutzen, statt als Grenzen dessen, was gewußt werden kann. „Dies ist eine Möglichkeit“, statt: „Das ist es, was Du finden wirst“.

      Wenn wir unsere Erfahrung erforschen können, indem wir Wissen als Hinweis verwenden, wird es zu einem Hilfsmittel, zu einer Art Führung. Zum Beispiel wissen wir, daß Wut oft eine Verletzung verdeckt. Aus wiederholter Erfahrung wird das zu Wissen. Wie benutzen wir dieses Wissen, wenn wir das nächste Mal auf Wut stoßen? Sagen wir: „Da muß es eine Verletzung geben. Die will ich finden“? Oder sind wir, statt diese automatische Annahme zu machen, für die Möglichkeit offen, daß es da eine Verletzung gibt, die dann unsere Untersuchung leiten könnte? Wenn Sie annehmen, daß Sie verletzt sind, könnten Sie sich irren, denn hin und wieder liegt einer Wut keine Verletzung zugrunde. Es gibt immer Ausnahmen. Wissen kann auf eine Weise benutzt werden, die unserer Inquiry hilft, aber gewöhnlich benutzen wir es auf eine Weise, die unsere Inquiry begrenzt und bindet.

      Wahrheit und gewöhnliches Wissen

      Gewöhnlich setzen wir Wissen mit Wahrheit gleich, sonst nennen wir es Unwahrheit oder Falschheit. Wissen ist aber nicht wirklich Wahrheit, denn Wahrheit existiert immer im Moment. Wahrheit ist dynamisch und in gewissem Sinn geheimnisvoll. Wir können sie nie fixieren und statisch machen.

      Viele Probleme entstehen, wenn man Wissen für Wahrheit hält. Das erste ist, daß das, was man glaubt, und daß Informationen unrichtig sein können. Das ist nicht ungewöhnlich, wie die Wissenschaftsgeschichte zeigt. Wissenschaft besteht aus einer Reihe von Annäherungen, die immer wieder korrigiert werden. Wir bewerten unser Wissen zum Beispiel in der Physik oder Mathematik gewöhnlich als absolutes Wissen oder absolute Wahrheit, während es sich in Wirklichkeit nur um eine Annäherung handelt. Es gab eine Zeit in der Geschichte, da glaubte man, die Erde würde auf dem Rücken einer Schildkröte fortbewegt. Das war eine weit verbreitete Theorie. Wenn jemand die Theologen – die Wissenschaftler der damaligen Zeit – fragte: „Worauf befindet sich diese Schildkröte?“ war die Antwort: „auf dem Rücken einer anderen Schildkröte“. Später glaubte man, die Erde sei flach. Es galt als wissenschaftlich bewiesen: Wissenschaftler schauten so weit sie konnten und stellten fest, daß sie flach ist. Zu der Zeit war das die Wissenschaft, und für eine Weile funktionierte das ganz gut, es war nützliches Wissen.

      Das zweite Problem ist, daß indirektes Wissen – Wissen, das man von anderen Menschen bekommt – kein wahres Wissen ist, auch wenn es korrekt ist. Es ist noch nicht das, was wir persönliche Wahrheit nennen, es ist noch keine Wahrheit, die auf eigener Erfahrung oder Wahrnehmung beruht. Leute erzählen einem Dinge, man lernt Dinge in der Schule, man hört und liest Dinge. Alles das ist nicht wahres Wissen, es ist nur Glauben und Überzeugung aus zweiter Hand, Meinungen, die man in gutem Glauben übernimmt. Hier gibt es keine Gewißheit, und doch kann dieser Glaube einen daran hindern, Realität auf eine andere Art wahrzunehmen. Beispielsweise glauben wir alle, daß unser Körper aus Atomen zusammengesetzt ist. Wissen wir das wirklich? Wir haben es gehört, in Chemiebüchern gelesen, aber es ist nicht unmittelbares Wissen. Wir wissen es nicht wirklich. Es ist Wissen, das auf Glauben beruht. Es war bei der Entwicklung unserer Technik nützlich zu denken, daß unser Körper aus Atomen besteht, aber wenn unsere Wissenschaftler das für absolute Wahrheit hielten, würde unsere Wissenschaft keine Fortschritte machen.

      Das dritte Problem besteht darin, daß in uns die Gewohnheit etabliert wird, unsere eigene Intelligenz nicht zu gebrauchen, wenn wir uns auf Informationen und Annahmen verlassen, die von anderen stammen. Dann werden unsere Fähigkeit, zu wissen, und unsere Liebe zum Wissen auf Weisen geschwächt, die wir nicht einmal bemerken, besonders im Hinblick darauf, wie wir uns selbst erleben und kennen. Das ist der Grund, weshalb es wichtig ist, durch eigene unmittelbare Erfahrung und eigenes Wissen herauszufinden, was wahr ist. Wenn man nur auf andere hört, trainiert man nicht die eigenen Muskeln der Inquiry oder die eigene Intelligenz. Wenn man an indirektem Wissen festhält – und damit zufrieden ist –, unterbricht man die Verbindung mit der Unmittelbarkeit der eigenen Erfahrung.

      Unsere Arbeit hat also mit der Inquiry, mit der Erforschung genau des Bewußtseins und des Wahrnehmungsvermögens unserer Erfahrung zu tun. Wir müssen uns immer mehr auf unser eigenes unmittelbares, direktes Wissen verlassen. Aber auch wahres Wissen, das auf unserer eigenen Erfahrung beruht, besteht aus Begriffen, Bezeichnungen, Vorstellungen, Bildern usw. Es existiert also nur als eine Erinnerung. Wenn Sie zum Beispiel an sich selbst arbeiten und die Erfahrung machen, daß Sie ein Ozean von Bewußtsein sind, dann ist das ein wahres, unmittelbares Wissen von Ihrem Bewußtsein. Aber im nächsten Moment ist es nur eine Erinnerung, ein Bild, ein Begriff, eine Vorstellung, ein Eindruck aus der Vergangenheit. Es ist insofern wahres Wissen,