Название | Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung |
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Автор произведения | Jürgen Bona Meyer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Studies in English Language Teaching /Augsburger Studien zur Englischdidaktik |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823303350 |
Tab. 4:
Kompetenzbeschreibungen für den Umgang mit literarischen Texten (im Anschluss an Steininger 2014: 393-398)
Diesen Kompetenzkategorien sind ihrerseits eigene Deskriptoren zugeordnet, die die jeweilige Kategorie anhand von Handlungsbeschreibungen konkretisieren, aber nicht im Sinne einer Kompetenzhierachie staffeln. Steininger betont, dass an dieses System anschließend in der Sekundarstufe II, „bedingt durch die Verwendung komplexerer Texte (Gattungsvielfalt, Themenbereiche, Erzählstrukturen, Umfang, sprachlicher Komplexität)[, sich] auch komplexere Handlungen“ (Steininger 2014: 399) initiieren lassen: zu denken ist hier insbesondere an metasprachliche diskursive Mittel, die Produktion textbezogener learning outcomes, sowie an die literaturbezogene Erweiterung der reflexiven und methodischen Kompetenzen (vgl. dazu Kapitel 3.3).
Eben solche Erweiterungen werden in einem weiteren Korrektiv zum CEFR genauer ausgeführt. Mit LiFT-2 sind – für die jeweilige schulsprachliche (i.d.R. also die jeweilige L1-) Literatur – zwei aufeinander folgende Kompetenzstufen für 12- bis 15jährige und 15- bis 18jährige Schüler:innen definiert. Dieses seit 2010 in einem multinational operierenden Forschungsnetzwerk unter Beteiligung von fünf europäischen Nationen erarbeitete Rahmenwerk definiert sechs Niveaustufen literarischer Kompetenz, die als Entwicklung von „indifferen[ten]“ (mit „geringer Übung im Lesen“) zu „fachkundigen“ Lesenden modelliert wird, welche literarische Texte auch metasprachlich erfassen, beschreiben und beurteilen können.7
Das zu entwickelnde Fachwissen innerhalb der LiFT-2-Matrix übersteigt die Kompetenzmodellierungen des CEFR 2018 erheblich. Denn gegenüber diesem tritt eine Diskursbeherrschung hinzu, derzufolge auf diesem Niveau Konzepte wie Plot, Handlungschronologie, narrative Mehrsträngigkeit, Erzählperspektive und die Semantisierung von (meta-)literarischen Motiven ebenso verfügbar sind wie die heuristische Deutung stilistischer und rhetorischer Figuren. Die Lernenden „können Literatur aus verschiedenen Perspektiven erschließen (psychologisch, politologisch, soziologisch, philosophisch, kulturell etc.) und interpretieren“ und darüber hinaus „Texte in Bezug zu anderen Schriften oder Künsten setzen (z. Bsp. Filme, bildende Kunst)“ (LiFT-2: Niveau 6 > Schüler(-innen)). Um diese Diskursfähigkeit zu erlangen, gestattet das Framework auch eine ästhetische Kompetenzausbildung der Schüler:innen:
Sie können die Eigenarten verschiedener Kunstwerke erkennen und vergleichen;
unterscheiden zwischen Lektüreansätzen für unterschiedliche Zwecke innerhalb und außerhalb des schulisch-institutionellen Kontextes;
vergleichen und synthetisieren unterschiedliche Lesarten eines Textes in einem Studienprojekt;
finden Aspekte des literarischen Diskurses und reflektieren ihn in angemessener Terminologie (Metasprache);
schließlich erkennen sie anhand „professioneller Kritiken“ (= wissenschaftliche Literatur) „ästhetische Tendenzen“
(LiFT-2: Niveau 6 > Didaktik: „Handlungen der Schüler (-innen)“)
Auffällig an der Zusammenstellung dieser Deskriptoren ist die Tatsache, dass hier Aktivitäten im Vordergrund stehen, die eine intensive Auseinandersetzung mit dem konkreten literarischen Text erfordern. So betrachtet lässt sich LiFT-2 im Sinne der vorliegenden Studie als ein Impuls zu einer re-philologisierenden Unterrichtsgestaltung für ästhetische Texte begreifen (alternativ wird im EFL-Unterricht der Begriff „deskbound approach“ konzeptualisiert, vgl. Eschbach 2019: 66-71), der auf literaturaffine Themen angewendet zu einem höheren Grad an fremdsprachlichem Literatur-Wissen verhelfen könnte.
1.4 Literaturdidaktische Problemfelder
Die folgenden Ausführungen setzen sich mit wichtigen Aspekten der Unterrichtsparadigmen auseinander, die den fortgeschrittenen gymnasialen Literaturunterricht prägen. Ziel ist es, den didaktischen Stellenwert des Interpretierens im Umgang mit literarischen Texten neu zu bestimmen und (wieder) aufzuwerten. Dazu müssen im Vorfeld einige Begriffe näher untersucht werden, die für den allgemeinen Fremdsprachenunterricht in sprachdidaktischer Hinsicht zwar hilfreich und notwendig sind, aber insgesamt geradezu den Status von Universalien erlangt haben. Dabei geht es um die Frage, ob das Kriterium von „Authentizität“ auch literaturdidaktisch seine uneingeschränkte Berechtigung hat, und andererseits um das schwierige Verhältnis zwischen literarischem Text und (lernenden) Rezipient:innen – hier geraten kognitive Prozesse wie die immersive Rezeption im unmittelbaren Leseakt ebenso in den Blick wie die (anschließende) Reflexion über das Gelesene. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auf den Fiktionsstatus literarischer Texte sowie das Phänomen der „Stimmung“ darin gerichtet, die als „atmosphere“ in mehreren der hier untersuchten Lehrwerke thematisiert wird, und die sich als eine zwar ergiebige, aber auch problematische Analysekategorie insbesondere im didaktischen Unterrichtskontext erweist.
Aufgabenideal „Authentizität“? In der Analyse der verschiedenen Lehrwerke in Kapitel 2 wird sich zeigen, dass in einer Vielzahl von Beispielen die kommunikativen Kompetenzen in einem möglichst „authentischen“ bzw. lebensnahen Unterrichts-setting den Vorzug gegenüber einer allzu lebensfernen bzw. theoretisierenden Umgangsweise mit den literarischen Inhalten erhalten. Die – zumeist erzählenden – Texte werden dabei zum Kommunikationsanlass, ohne hinreichend als ästhetische Kompositionen mit eigenen Merkmalen von Authentizität wahrgenommen zu werden. Dahinter steht der Anspruch, den Schüler:innen ein möglichst hohes Maß an „Authentizität“ während ihres Fremdsprachenunterrichts zukommen zu lassen. Dieser Begriff wird als maßgebliches Kriterium fürs Aufgabendesign verwendet und ist in der Fremdsprachendidaktik von einer schillernden Bedeutungsvielfalt auf linguistischer, lerntheoretischer, und thematisch-kultureller Ebene geprägt.1 Erstere umfasst die sprachliche Komplexität der Materialien und impliziert, dass diese – anders als z.B. graded readers, d.h. in Vokabular und Grammatik vereinfachte und z.T. neu erzählte Materialien, die insbesondere in der Sekundarstufe I zum Einsatz kommen – nur begrenzt didaktisiert sind, z.B. durch einzelne Worterklärungen. Wo sogar hierauf verzichtet wird, bedeutet das: Die Schüler:innen werden idealiter einem komplexen Spracherlebnis ausgesetzt, wie sie es in einer realen englischsprachigen Umgebung erfahren könnten, selbst wenn es möglicherweise ihre eigenen sprachlichen Kompetenzen überstiege.
Damit einher geht auf der Ebene der Lerntheorie die „kommunikative Bedeutsamkeit“ (Bonnet/Decke-Cornill 2016: 158) einer Aufgabe, die z.B. nicht im Vokabel-Drill den aktiven Wortschatz der Lernenden kontext- und damit weitgehend sinnfrei erweitert, sondern auf kontextualisierten, simulativen Alltags-Situationen den Lerneffekt der Schüler:innen positiv beeinflussen soll. Bezogen auf literarische Texte ist der Einstieg in eine Gedichtanalyse über die Bestimmung des Metrums inauthentisch, während ein Rezeptionsgespräch, das den Schüler:innen Raum für eigene, auch affektive Stellungnahmen