Название | Mythen, Macht + Menschen durchschaut! |
---|---|
Автор произведения | Christoph Zollinger |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783037600320 |
Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie ist dem Wort Nachhaltigkeit immanent. Das Subsystem Ökonomie müsste im Größeren, im System Biosphäre eingebettet sein. Heute hat man manchmal den Eindruck, es sei umgekehrt.
Rudolf Wehrli, (ehemaliger) Präsident von Economiesuisse, hat in seinem ersten Amtsjahr das Thema »Nachhaltigkeit in allen Bereichen« ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. Nachhaltigkeit werde meist ökologisch verstanden, genauso wichtig seien aber auch die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Erstere etwa sei ohne die letzten beiden nicht zu haben, wird er zitiert. Die mit Nachhaltigkeit angeschriebene Economiesuisse-Verpackung ist neu. Doch, Achtung: Es darf die Wirtschaft nichts kosten. Ob Wehrli, der gelernte Theologe und Philosoph, da nicht Wasser predigte und Wein trank?
Wie steht es bezüglich Ihres persönlichen, nachhaltigen Handelns? Welchen Fußabdruck hinterlassen Sie? Ein Vorschlag: Sie können an einem verregneten Sonntag im Internet mehr darüber erfahren. Swiss Climate liefert nicht nur ausgezeichnete Beratung. Unternehmen können da ihren Carbon Footprint erfahren. Auch WWF Schweiz bietet verschiedene, persönliche Testmöglichkeiten. Ecological Footprint bietet gar ein Ecological Footprint Quiz an. Auf Global Footprint Network ist nicht nur der wissenschaftliche Hintergrund solcher Fußabdruck-Erhebungen erklärt. Da gibt es auch einen Foodprint-Index der Nationen und einen über Finanzen. Und natürlich auch einen über Ihren persönlichen »Abdruck«.
Neuerdings können Sie sogar erfahren, welchen Footprint Ihr angelegtes Geld hinterlässt. Haben Sie damit schon einmal Arbeitsplätze geschaffen? Etwas Neues erfunden? Menschen ausgebildet? Energie gespart? Der Globalance Portfolio Footprint klärt Sie über die Auswirkungen Ihres Portfolios auf. Fällt der Check positiv aus, umso besser.
Ob Einzelperson, Familie oder KMU – indem Sie eine individuelle Philosophie für Nachhaltigkeit entwickeln, Ihr persönliches Programm sozusagen, handeln Sie verantwortungsbewusst gegenüber den Nachfolgegenerationen. Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt nachhaltig zu verstehen, ist ein einfaches, günstiges und ehrliches Prinzip.
3. September 2013
Nr. 95
Das »System« ist entscheidend
Die Schweiz ist das stabilste Land der Welt. Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen wir ab und zu Schwachpunkte des Erfolgsmodells verbessern.
Gelegentlich wundere ich mich über liebe Mitmenschen, die sich mit Nonchalance und wiederholt über gesetzliche Vorschriften hinwegsetzen, als wären diese nur für Außerirdische gültig. Oder ich staune, wenn ich höre, dass sich Studenten im letzten Semester bereits beim RAV (Regionales Arbeitsvermittlungszentrum) einschreiben, da sie davon ausgehen, keine Stelle zu finden. Dann beschwichtigen mich meine Söhne: »Reg’ dich nicht auf, solange unser System das zulässt, kannst du es nicht ändern.«
Unser politisches »System« ist grundsätzlich gut, so lautet jedenfalls meine persönliche Meinung. Es umfasst die staatlichen Institutionen, die politischen Entscheidungsprozesse und deren Ergebnisse als Summe der Gesetze und Verordnungen im Rahmen eines ausgeprägten Föderalismus.
In der wissenschaftlichen Theorie gibt es verschiedene Erkenntnisse für Gütezeichen unterschiedlicher Systeme. So verficht etwa James Robinson (Harvard) die Idee, dass die politischen Institutionen bestimmen, ob ein Land arm oder reich ist. Wohlhabende Länder zeichnen sich dadurch aus, dass sie über Institutionen verfügen, die allen offenstehen. Es sind pluralistische Systeme, die den Unternehmergeist fördern und die individuellen Rechte schützen. Das Gegenteil: Die Macht im Land gehört einigen wenigen – Armut ist meistens, Bürgerkriege sind nicht selten die Folge. Für diese Diskrepanz ist die Politik verantwortlich.
Gesellschaftsordnungen, die Menschen weitgehende, persönliche Entscheidungen ermöglichen, nennt Karl R. Popper Offene Gesellschaften, im Gegensatz zu Geschlossenen Gesellschaften, deren Ausrichtung auf einem umfassenden Kollektivismus basiert. Das offene System ist demnach vergleichbar mit einem lebenden Organismus, beruht auf einem ganzheitlichen Weltbild und einem gesunden Individualismus.
Jared Diamond, Evolutionsbiologe und Physiologe (UCLA), entwickelte seine Theorie auf der Basis von Beobachtungen in vergangenen Zeiten. Danach führten verschiedentlich Übernutzung der Umwelt respektive falsche Reaktionen auf allgemeine Umweltveränderungen zu gesellschaftlichen Zusammenbrüchen. Das sture Festhalten am Status quo (»es war doch immer so und wir sind gut damit gefahren!«) kann zum Kollaps des Systems führen, wenn wichtige Entscheidungsprozesse in Gruppen oder Gesellschaften versagen.
Die Schweiz sei das stabilste Land der Welt, meinte kürzlich der weltbekannte Essayist und Finanzmathematiker Nassim Nicholas Taleb. Warum? Weil es keine Regierung habe, lautete die Antwort. Nun, da fühlte sich unser Bundesrat wohl nicht gerade geschmeichelt. Der stets etwas übertreibende Gesellschaftsbeobachter, der unser Land recht gut kennt, meinte mit seinem Urteil, dass wir nicht auf Gedeih und Verderb einer Zentralregierung ausgeliefert wären, sondern dass unser Gemeinwesen von unten nach oben strukturiert sei, föderalistisch eben. Wir könnten also unsere Zukunft selbst bestimmen.
Bevor wir in ausgelassene Feststimmung verfallen, sollten wir definieren, wie wir diesem Modell dazu verhelfen können, dass es auch in Zukunft Bestand haben wird. Fragen wir uns zuerst, was uns zu diesem Spitzenplatz verholfen hat: eine liberale Wirtschaftsordnung, zurückhaltende staatliche Regulierung, auf Sicherheit ausgerichtete Finanzpolitik und wohl auch ein gewisser Sinn für Gemeinwohl und Gerechtigkeit? Fragen wir uns anschließend, was in letzter Zeit falsch gelaufen ist: Einer überbordenden neoliberalen Wirtschaftselite begegnet die Gesellschaft mit dem Ruf nach verstärkter staatlicher Regulierung. Unsere Finanzpolitik ist unter Druck geraten, da sie zu wenig vorausschauend ist. An die Stelle persönlicher Selbstverantwortung und Solidarität ist für viele der Sozialstaat getreten.
Generell fördert unser föderalistisches System die Tendenz, Probleme auf die lange Bank zu schieben. Stellvertretend für einige andere sollen hier einige Themen aufgeführt werden. Wir kennen sie seit Jahren, wir umkreisen sie:
– Eine AHV, die nicht von der Hand in den Mund lebt
– Mehr Selbstverantwortung statt Ruf nach dem Sozialstaat
– Ein Freizügigkeitsabkommen mit der EU, bei dem Vorteile und Nachteile möglichst ausgewogen sind, und eine Einwanderungspolitik, die ehrlich daherkommt
– Eine Asylpolitik, die nicht von »man sollte«, sondern von »wir entscheiden« lebt
1948 eingeführt, haben sich seither mehr als zwei Generationen daran gewöhnt, ab 65 Jahren (Männer) respektive 64 Jahren (Frauen heute) eine staatliche Rente zu bekommen. 1948 lag die Lebenserwartung bei ungefähr 66 respektive 69 Jahren. Die demografische Entwicklung führt heute dazu, dass das Grundprinzip der generationenübergreifenden Solidarität aus den Fugen gerät. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit respektive die Erhöhung des Rentenalters müssten längst in die nachhaltige Planung der AHV-Zukunft einfließen. Es genügt nicht, wenn Politiker besänftigen: Noch schreibt die AHV Überschüsse!
Die Ausgaben für soziale Wohlfahrt steigen von Jahr zu Jahr, parallel dazu steigt die Anspruchsmentalität. Längst haben sich viele Menschen in der Schweiz daran gewöhnt, dass der Staat den gewohnten Lebensstandard finanziert, sollten die Eigenmittel nicht reichen. Wussten Sie, dass eben dieser Staat mittlerweile jährlich über vier Milliarden Franken allein für Prämienverbilligungen der obligatorischen Krankenversicherung ausgibt? Eigenartig: Selbstbestimmung ist für uns im Alltag wichtig und selbstverständlich. Warum nicht konsequent? Dieser Trend ist ungemütlich.
In den letzten 10 Jahren