Mythen, Macht + Menschen durchschaut!. Christoph Zollinger

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Название Mythen, Macht + Menschen durchschaut!
Автор произведения Christoph Zollinger
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783037600320



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rund 2 Billionen Dollar an Verlusten bescherte, bezogen deren Manager 400 Milliarden Dollar an Vergütungen. In der Schweiz kennen alle den Fall Novartis, für die ländliche Schweizer Idylle ganz schön happig. Eine neue Kaste, die herrschenden Supermanager, wirbelt abgehoben in der »freien« Welt Konzerne durcheinander, kauft, verkauft, fusioniert, verlagert. Letztlich mit einem Ziel: den eigenen Aktienkurs und ihre Topgehälter weiter in die Höhe zu treiben. Der »Markt« – Dogma einer globalen Managerkaste, die ihre eigene, quasi aristokratisch geprägte Parallelgesellschaft verkörpert.

      Weltweit beteiligen sich Hedgefonds mit Milliardenvermögen an diesem Spiel. Ihre spekulativen Anlagestrategien versprechen hohe Renditen. Mit ihrem geballten Mitteleinsatz können sie Aktienkurse, Währungen oder z.B. den Goldpreis beeinflussen. Auch Derivate (Finanztermingeschäfte) sind Wettinstrumente. Waren sie ursprünglich als Absicherung gegen zukünftige Preisschwankungen gedacht? Jedenfalls kannte schon Aristoteles den Begriff und warnte vor Marktspekulationen.

      Es kann festgehalten werden: Nicht nur die großen Bank- und Finanzinstitute, sondern auch weniger geregelte Schattengebilde der Finanzszene, ja sogar vereinzelte Großkonzerne üben in Zeiten des Internets und der Globalisierung eine große Macht auf weitgehend machtlose Politiker aus. Sie sind mittlerweile eigentliche Diktatoren in den Demokratien.

      Professor Robert Shiller konstatiert, dass das, was im Interesse der Finanzwirtschaft erstrebenswert ist, für den Rest der Gesellschaft oft katastrophale Folgen hat. Seine gutgemeinte Vision einer neuen Finanzordnung, in der die Märkte wieder ihre ursprüngliche Funktion zu erfüllen hätten, nämlich das Kapital der Gesellschaft zu verwalten und zu mehren, tönt da doch etwas hilflos.

      Wieweit die finanzielle Schattenwelt seine langen Schatten auch über die Medien wirft, kann aus einem aktuellen Beispiel gelernt werden. Ausgerechnet Josef Ackermann, einst Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, wird von Roger Köppels Weltwoche als Experte beigezogen bei der Lokalisierung von Hoffnungsschimmern für ein fehlgeleitetes System. Ackermanns wichtigste Erkenntnis: »Viele Hypothesen, an die wir wirklich geglaubt hatten, erwiesen sich als falsch.« Gefordert sei jetzt eine strenge Überwachung durch die Installierung eines erstklassigen Risikomanagements. Private Moral und Ethik sind dabei für Ackermann von entscheidender Bedeutung. Doch es kommt noch besser: Auf den Wurm im Bankensystem (too big to fail) angesprochen, lautet die Antwort: »Das liegt nicht an den Bankern. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der zu hohe Risiken einging, weil er darauf gebaut hätte, im Zweifel würde seine Bank doch gerettet« (Weltwoche Nr. 3.13).

      Dieser kurze Blick hinter die Kulissen wäre unvollständig, ohne einen Blick auf die Rolle der Zentralbanken zu werfen. Zwar haben sie die Weltwirtschaft kurzfristig vor dem Sturz in den Abgrund bewahrt. Doch um welchen Preis? Natürlich waren auch hier Exzesse im Finanzsektor Auslöser für ihr Eingreifen. Doch die Flutung der Märkte über die Geldpressen ist nur ein weiterer Beweis für die These, dass die Politik in diesem Spiel der Mächte längst nicht mehr handlungsfähig ist. Derweil wiegelt diese ab: Inflation ist (derzeit oder vor den Wahlen) kein Thema. Und nachher? Klar und deutlich äußert sich Thomas Straubhaar, der profilierte Schweizer Ökonom und Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Nicht nur kritisiert er die Schweizer Liberalen, die noch immer an empirisch widerlegten Denkweisen klebten, die sich in der Realität längst als falsch erwiesen hätten. Er ärgert sich offensichtlich auch über offizielle Lehrmeinungen an unseren Universitäten: »Es ist intellektuell geradezu erbärmlich, Studierenden veraltete Konzepte weiterzugeben.« Angesprochen wird damit wohl unter anderem, dass sich die Finanzmärkte offensichtlich zum Störfaktor der realen Ökonomie entwickelt haben – und das als Dauerzustand seit Jahren.

      Einiges liegt im Argen. In der Schweiz peitschen internationale Regulierungsversuche (um die Branche in den Griff zu bekommen) den Bundesrat von einer Krisensitzung zur nächsten. In der EU werden die Staats- und Regierungschefs von den Ereignissen in ihren Pleitemitgliedländern wie eine Herde Schafe mal in diese, mal in die andere Richtung getrieben. In den USA trägt eine besonders armselige Kohorte sturer politischer Führer im Kapitol zu Washington zusätzlich zum Stillstand einer Nation bei – sehr zur Freude von Wall Street, die dadurch aus dem Fokus gerät. Gemeinsam ist allen drei Beispielen: Es geht um die Aufräumarbeiten und Schadensbegrenzung nach dem außer Kontrolle geratenen Finanzhurrican. Von den Tätern ist weit und breit nichts zu sehen.

      Nationen können scheitern, wenn ihre Institutionen nicht funktionieren. Dass Diktatoren in unseren Demokratien herrschen können, ist auch das Problem des Systems, der Politik und damit der ganzen Gesellschaft.

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