Häuser des Jahres 2021. Udo Wachtveitl

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Название Häuser des Jahres 2021
Автор произведения Udo Wachtveitl
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783766725639



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stationärer Wohnwagen, das ist – rein rhetorisch betrachtet – ein Oxymoron, vielleicht sogar ein Paradoxon, also ein Widerspruch in sich. Das Immobile steckt der Immobilie nun einmal schon im Namen. Den Auftrag eines passionierten Camper-Ehepaares, ihnen einen stationären Wohnwagen zu bauen, müssten seriöse Architekten daher eigentlich ablehnen. Dass Sonja Hohengasser und Josef Wirnsberger seriöse Architekten sind, steht jedoch außer Frage. Dass die beiden auch ausgezeichnete Architekten sind, die Unmögliches möglich machen und dem Widerspruch eine Form geben, haben sie nun mit dem Haus in der Wiese bewiesen: Schlicht und selbstverständlich stellten sie den schmalen, in rhythmisch aufgeglaste Joche gegliederten Holzbau längs zum Hang. Auf aufwendige Erdbewegungen konnte verzichtet werden, es wirkt, als könne man die leichte und dabei doch so robuste, unprätentiöse Struktur bei Bedarf noch ein wenig nach rechts oder links verschieben. Sparsam und effektiv wie in einem Wohnwagen wurde auch der Grundriss organisiert, ein Möbel sorgt für die gewünschte Zonierung. An allem wurde bei diesem kleinen Haus gespart, nur nicht an der Gestaltung: Mehr als 65 Quadratmeter hat es nicht, der ökologische Fußabdruck ist gering ebenso wie die Baukosten. Die Technik ist eher low denn high, Leitungen wurden gebündelt und sichtbar verlegt, die Sonne wärmt, das Dach verschattet, die Wiese ist der Garten. Wer so wohnt, braucht nicht mehr zu verreisen.

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      Die besonderen Herausforderungen bei diesem Projekt? Die gewohnten Raumgrößen und Ausstattungsstandards zu hinterfragen. Es gibt im ganzen Haus nur eine Wand, die sämtliche Installationen beherbergt, die restlichen Leitungen und Kabel wurden „aufholz“ verlegt. Der Garten? Eine Blumenwiese.

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       „Die Reaktionen der Menschen vor Ort auf das Haus sind sehr gemischt“, wissen die Bauherren. „Von manchen wird es belächelt, nicht solide genug, fast armselig, zu schlicht. Einheimische Großbauern sehen darin einen Schuppen. Auch müsste man es innen doch noch verkleiden. Rohe Holzwände und offen verlegte Leitungen gehen wohl nur im Stall! Und wo ist da Platz für den Fernseher?“

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      Ähnlich der traditionellen „Heu-Harpfen“ im südlichen Alpenraum steht die klare Holzstruktur mit minimalem Fußabdruck in der Landschaft. Auch die Grundrissgestaltung ist auf ein Minimum reduziert: Durch die Reduktion der Nebenraumzone ist ein vergleichsweise großer Einraum entstanden, der durch ein Raum-Möbel in Wohn-, Koch- und Essbereich gegliedert ist.

      Querschnitt

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      Grundriss Erdgeschoss

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      Material/Hersteller: Außenwand & Fassade: Holzrahmenbau Konstruktionsholz Fichte, Fassade aus unbehandelten Fichtenbrettern | Dach: Villas-Contur Dachbahnen | Fenster: Fichte unbehandelt | Bodenbeläge & Designböden: Fichte Dreischichtplatten, geseift | Innenwandgestaltung: Wände und Möbel aus Fichte Dreischichtplatten, unbehandelt

      Beteiligte Unternehmen: Holzbau Tschabitscher GmbH, Steinfeld (A), www.drautalhaus.at

      Maßstab

      M 1:200

      1Eingang

      2Terrasse

      3Kochen, Essen, Wohnen

      4Schlafen

      5Bad

      „Wir wollen Häuser bauen, die sich aus dem Dialog mit der Landschaft entwickeln.“

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      Sonja Hohengasser,

      Jürgen Wirnsberger

      Hohengasser Wirnsberger Architekten

      ZT GmbH, Spittal an der Drau (A)

      www.hwarchitekten.at

      Anzahl der Bewohner:

      2

      Wohnfläche (m2):

      65

      Grundstücksgröße (m2):

      994

      Standort: Winkl – Spittal an der Drau (A)

      Zusätzliche Nutzfläche (m2): 23

      Bauweise: Holzbau, Skelett- und Rahmenbau

      Fertigstellung: 12/2018

      Architekturfotografie:

      Christian Brandstätter, Klagenfurt (A)

      www.christianbrandstaetter.com

      Lageplan

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      Vorne hui. Und hinten? Besonders hui!

      Anerkennungen

      von ARSP ZT GmbH

      in Dornbirn (A)

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      Mit einem leichten Stahlgerüst erweiterte die Architektenfamilie den Altbau von 1929. Zur Straße hat er sein Gesicht bewahrt, im Garten zeigt sich die zeitgemäße Adaption an heutige Wohnwünsche.

      Dass Dornbirn im Vorarlberg seit Jahren als “Mekka der Baukultur” gilt, hat der 1960 verstorbene Wilhelm Fleisch nicht mehr erlebt. Dabei muss sich die Siedlung “Rüttenersch”, die der Architekt 1929 im Auftrag der Stadt zur Milderung der Wohnungsnot anlegte und in der 19 typengleiche Wohnhäuser im Stil der Zwischenkriegszeit entstanden, nicht verstecken. Städtebaulich sind die Gebäude versetzt angeordnet, es entstand ein rhythmisierter, durchgrünter Straßenraum, trotz relativer Dichte haben die Häuser geschützte Gärten. Die sogenannte „Villa Fleisch“ unterschied sich bereits vor dem Umbau 2018 von den Nachbarn, sie war 1935 zur Gartenseite um vier Meter erweitert worden. Für die Architektenfamilie auf der Suche nach Wohnraum war sie die perfekte Lösung: Ein eigener Neubau war nie interessant und kam auch nicht wirklich in Frage, die Nutzung alter Bausubstanz erscheint Rike Kress, Assoziierte im Dornbirner Büro ARSP – Architekten Rüf Stasi Partner, reizvoll und richtig. Zum Zeitpunkt des Umbaus präsentierte sich das Haus zur Straße hin in weitestgehend ursprünglichem Zustand. Die nordseitige Gartenseite des Anbaus von 1935 jedoch wirkte mit den beliebig platzierten Fenstern, so Rike Kress, eher unbelebt und abweisend.

      Das architektonische Konzept für die Umgestaltung folgt dieser Janusköpfigkeit: Die Straßenfront blieb erhalten, zum nordseitigen Garten erweitert sich das Haus jedoch jetzt um zwei weitere Meter durch einen vorgesetzten Stahlanbau. Dabei folgt die in ihrem Material dem Gebäude eigentlich so fremde neue Raumschicht der Silhouette des Altbaus. Die Brüstungen der bestehenden Fenster wurden abgebrochen, sodass der Metallgitteranbau den Ausgang ins Freie auf allen Ebenen ermöglicht.

      Innenräumlich wurde die bestehende Aufteilung – eine kleine Einliegerwohnung und ein Gästezimmer im Erdgeschoss sowie eine Familienwohnung in den oberen beiden Geschossen – beibehalten. Wände wurden entsprechend der Lebensvorstellung der Familie versetzt, abgebrochen, neu errichtet, heute lebt es sich hier mit präzisen Durchblicken und sinnhaften Raumfolgen. Lehmputz und Holztäfer sorgen für